6 Berufliche Mobilität und Arbeitsmarktbedarf

In den vorangehenden Kapiteln wurde aufgezeigt, dass mehr als die Hälfte der Absolventinnen und Absolventen in den fünfeinhalb Jahren nach dem Erwerb eines EFZ eine berufliche Mobilität erfahren, die teilweise einem beruflichen Aufstieg entspricht. In diesem Kapitel wird untersucht, inwieweit sich die Mobilität dieser Absolventinnen und Absolventen am Arbeitsmarktbedarf orientiert, d.h. inwieweit die Personen, die einen Beruf mit einem unterdurchschnittlichen Fachkräftebedarf erlernt haben, sich einem Beruf mit einen überdurchschnittlichen Fachkräftebedarf zuwenden. Die Mobilität wird hier somit als berufliche Bewegung hin zu Berufen mit einem grösseren Fachkräftemangel untersucht.

Dazu wurden die verschiedenen erlernten und ausgeübten Berufe gemäss dem Index des Fachkräftebedarfs des SECO (2016) kategorisiert. Der von 1 bis 10 reichende Index basiert auf den sechs folgenden Indikatoren: Arbeitslosenquote im Beruf, Quote der offenen Stellen, Beschäftigungswachstum, Zuwanderungsquote, Ersatzbedarf und Qualifikationsanforderungen. Es  handelt sich um einen strukturellen Indikator des Schweizer Arbeitsmarkts. Der durchschnittliche Indexwert aller Berufe beträgt 5,45. Ein hoher Indexwert bedeutet, dass bei einem bestimmten Beruf ein grosser Mangel besteht und die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt gross ist.

Dabei kann es sich beispielsweise um eine Person handeln, die eine Lehre als Kaufmann bzw. Kauffrau absolviert hat (Bedarfsindex 4.2) und die später als Buchhalter bzw. Buchhalterin tätig ist (Bedarfsindex 6.3)

Das Feld «Total» der Grafik G6.1 zeigt, dass 21% der Absolventinnen und Absolventen einer EFZ-Ausbildung einen Beruf erlernt haben, in dem ein überdurchschnittlicher Fachkräftebedarf besteht. Fünfeinhalb Jahre später beläuft sich der Anteil der Absolventinnen und Absolventen, die in einem solchen Beruf tätig sind, auf 38%, weil 22% von einem Beruf mit unterdurchschnittlichem Bedarf in einen Beruf mit überdurchschnittlichem Bedarf gewechselt haben.

Werden diese Bewegungen nach Bildungsmobilität aufgeschlüsselt, so ist diese Tendenz zu einem Wechsel in einen Beruf mit einem überdurchschnittlichen Fachkräftebedarf zwar bei allen Kategorien der Bildungsmobilität zu erkennen, aber in unterschiedlichem Ausmass: Bei Personen, die die Ausbildung nicht fortsetzten, steigt der Anteil der Personen, die in einem Beruf mit überdurchschnittlichem Bedarf tätig sind, von 20% zum Zeitpunkt des Abschlusses auf 32% fünfeinhalb Jahr später (16% wechselten von einem Beruf mit unterdurchschnittlichem Bedarf in einen Beruf mit überdurchschnittlichem Bedarf).

Diese Bewegung ist stärker bei Personen, die eine weitere Ausbildung auf Sekundarstufe II begannen: Während nur 12% einen Beruf mit überdurchschnittlichem Bedarf erlernt haben, beträgt der Anteil der Absolventinnen und Absolventen, die fünfeinhalb Jahre später einen Beruf mit überdurchschnittlichem Bedarf ausüben, 30%. Diese Zahl ist vergleichbar mit jener der Absolventinnen und Absolventen, die die Ausbildung nicht fortsetzten. 24% wechselten von einem Beruf mit unterdurchschnittlichem Bedarf in einen Beruf mit überdurchschnittlichem Bedarf. Dieser Aspekt ist sehr interessant, weil er nahelegt, dass sich mehr als ein Viertel der Personen, die zu Beginn grossmehrheitlich in einem Beruf mit geringer Nachfrage tätig waren, einem Beruf mit einem überdurchschnittlichen Bedarf zugewendet hat.

Von den Personen, die in die Tertiärstufe eintraten, haben 28% ihre Lehre in einem Beruf mit einem überdurchschnittlichen Bedarf absolviert. Fünfeinhalb Jahre später beträgt dieser Anteil 56% (33% wechselten von einem Beruf mit unterdurchschnittlichem Bedarf in einen Beruf mit überdurchschnittlichem Bedarf) Dies bedeutet, dass von insgesamt 100 Personen, die in Berufen mit unterdurchschnittlichem Fachkräftemangel ausgebildet werden, etwas mehr als ein Viertel (28%) in Berufe mit überdurchschnittlichem Fachkräftemangel wechseln. Diese Mobilität in Berufe mit einem hohen Mangel ist besonders hoch für diejenigen, die ihre Ausbildung in Richtung Tertiärstufe fortgesetzt haben (45%), während sie bei denjenigen, die ihre Ausbildung auf der Sekundarstufe II fortgesetzt haben, 27 % und bei denjenigen, die ihre Ausbildung nach der Lehre nicht fortgesetzt haben, 20% beträgt. .

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die jungen Erwachsenen, die in die Tertiärstufe eintraten, bereits ihre Lehre häufiger als die anderen in einem Beruf mit einem überdurchschnittlichen Fachkräftebedarf absolviert haben und fünfeinhalb Jahre nach dem Erwerb des EFZ zu einem noch grösseren Anteil in einem Beruf mit grosser Nachfrage tätig sind. Diejenigen, die ihre Ausbildung innerhalb der Sekundarstufe II fortsetzten, arbeiteten zum Zeitpunkt des Abschlusses am seltensten in einem Beruf mit grosser Nachfrage. Mit einer Neuorientierung können die jungen Erwachsenen ihre Arbeitsmarktfähigkeit deutlich steigern. Diejenigen, die ihre Ausbildung nicht fortsetzten, haben ihre Arbeitsmarktfähigkeit nur in beschränktem Masse erhöht.

Insgesamt orientiert sich die grosse berufliche Mobilität der jungen Erwachsenen nach dem Erwerb des EFZ am Arbeitsmarktbedarf.