Entwicklung 1998 bis 2019
Entwicklung 1998 bis 2019

Entwicklung 1998 bis 2019

Einkommensungleichheit und -umverteilungin der Schweiz und in Europa

Im Zeitraum von 1998 bis 2014 ist das mediane verfügbare Äquivalenzeinkommen in der Schweiz um 15% angestiegen. Nach einer besonders ausgeprägten Zunahme zwischen 2008 und 2013 stagnierte es zwischen 2015 und 2019. Die Verteilung der Einkommen blieb über den gesamten Zeitraum weitgehend stabil. Die Umverteilung in Form von staatlichen oder staatlich geregelten Transfers trug massgeblich zur Verringerung der Einkommensungleichheit in der Schweiz bei.

Der allgemeine Lebensstandard in der Schweiz gehört nach wie vor zu den höchsten in Europa. Trotz des hohen Preis­niveaus in der Schweiz war die finanzielle Situation der Bevölkerung nach Abzug der obligatorischen Ausgaben im Jahr 2020 besser als jene der Nachbarländer und der Mehrheit der anderen Länder der Europäischen Union. Die Einkommensungleichheit lag in der Schweiz unter dem europäischen Durchschnitt.

Dies sind einige Ergebnisse der Haushaltsbudgeterhebung (HABE) und der Erhebung über die Einkommen und Lebensbedingungen (SILC) des Bundesamts für Statistik (BFS). Die Resultate bilden die Situation vor der Covid-19-Pandemie ab.

Wie ist das Einkommen in der Schweiz verteilt? Geht die Einkommensschere auseinander? Inwieweit können allfällige Einkommensungleichheiten durch staatliche Transfers kompensiert werden? Und wie steht die Schweiz im internationalen Vergleich da? Diesen Fragen geht die vorliegende Analyse nach. Dabei wird auf Daten von zwei Erhebungen zurückgegriffen: Die Haushaltsbudgeterhebung (HABE) wird in der heutigen Form seit 1998 durchgeführt (seit 2000 jährlich) und bildet die Grundlage für die Analyse der Einkommensungleichheit vor und nach staatlicher Umverteilung in der Schweiz. Die Erhebung über die Einkommen und Lebensbedingungen (SILC) wird seit 2007 durchgeführt und eignet sich u.a. als einzige für Vergleiche mit anderen euro­päischen Ländern.

Einkommensungleichheit und -umverteilung
in der Schweiz

Das Ausmass der Umverteilung wird in der folgenden Analyse über die Veränderung der Einkommensungleichheit vor und nach staatlichen Transfers Als Transferleistungen bzw. -einkommen gelten im vorliegenden Bericht ­staatliche oder staatlich geregelte Renten und Sozialleistungen sowie regelmässige Überweisungen von anderen Haushalten, als Transferausgaben alle staatlichen oder staatlich geregelten Ausgaben wie z. B. Sozialversicherungsbeiträge, Steuern, Prämien der obligatorischen Krankenversicherung sowie regelmässige Unterstützungsbeiträge an andere Haushalte. untersucht. Das Primäreinkommen wird dabei als Einkommen vor staatlichen Transfers, das verfügbare Einkommen als Einkommen nach staatlichen Transfers betrachtet. Daneben wird mit dem Bruttoeinkommen eine ­Zwischenstufe in diesem Umverteilungsprozess dargestellt, in der mit den Transferleistungen einnahmeseitig bereits ein Teil der staatlichen Transfers berücksichtigt ist (vgl. Tabelle T1). Das Bruttoeinkommen entspricht dem höchsten Betrag, der einem Haushalt monatlich theoretisch zufliesst.

Die Einkommensungleichheit wird anhand der zwei gebräuchlichsten Ungleichheitsmasse, des Quintilverhältnisses S80/S20 und des Gini-Koeffizienten, beschrieben. Die Analyse erfolgt auf Basis der Äquivalenzeinkommen (vgl. Glossar), was den Vergleich von Haushalten unterschiedlicher Grösse ermöglicht, und ohne Einberechnung fiktiver Mieten. Dazu ist anzumerken, dass die «ultrareichen» Haushalte im Gegensatz zu den sehr reichen Haushalten in den Stichprobenerhebungen nicht berücksichtigt werden.


Entwicklung der Einkommen

Im Jahr 2019 beträgt das mediane verfügbare monatliche Äqui­valenzeinkommen in der Gesamtbevölkerung 3929 Franken, d. h. bei der Hälfte der in der Schweiz wohnhaften Personen liegt das Einkommen über, bei der anderen Hälfte unter diesem Wert. Es hat zwischen 1998 und 2014 um 15% zugenommen ­(Grafik G1). Nach einer deutlichen Zunahme von 2008 bis 2013 stagniert das mediane verfügbare Äquivalenzeinkommen ­zwischen 2015 und 2019. Die Ergebnisse zur Einkommensungleichheit und -umverteilung in der Schweiz wurden ab dem Jahr 2015 mit einem revidierten Gewichtungsmodell neu berechnet (vgl. Kasten «Revision des Gewichtungsmodells der HABE»). Dieses erlaubt eine bessere Korrektur der Antwortausfälle, kann jedoch auf die Daten vor 2015 nicht angewendet werden. Detaillierte methodische ­Ausführungen sind im Statistikportal (nur auf Französisch) verfügbar: https://www.experimental.bfs.admin.ch/expstat/de/home/innovative-methoden/habe.assetdetail.21304676.html

Das mediane Primäräquivalenzeinkommen liegt 2019 bei 4518 Franken und ist zwischen 1998 und 2014 um 18% gestiegen. Auch dieses Einkommen stagniert zwischen 2015 und 2019. Wie auch der weitgehend parallele Verlauf der beiden Kurven zeigt, ist die Umverteilung vom Primär- zum verfügbaren Äqui­valenzeinkommen im Beobachtungszeitraum konstant geblieben.

Auf Personen in Erwerbshaushalten (vgl. Kasten) begrenzt ist eine ähnliche Entwicklung der Einkommen zu beobachten, wenn auch auf leicht höherem Niveau (medianes verfügbares Äqui­valenzeinkommen 2019: 4208 Franken). Das mediane Primäräquivalenzeinkommen zeigt allerdings zwischen 2015 und 2019 eine leicht steigende Tendenz und beläuft sich im Jahr 2019 auf 5582 Franken (Grafik G2). 

Revision des Gewichtungsmodells der HABE

Mit der Erhebung 2019 wurde das Gewichtungsmodell für die Berechnung der Schätzwerte der Haushaltsbudget­erhebung revidiert. Die verbesserte Methodik verwendet zusätzliche Hilfsvariablen zur Korrektur der Antwortausfälle, wie die Haushaltszusammensetzung und das Einkommen. Diese Hilfsvariablen können rückwirkend bis zum Jahr 2015 berechnet werden. Daher wurden die Resultate der Haushaltsbudgeterhebungen 2015 bis 2018 mit dem revidierten Gewichtungsmodell neu berechnet und publiziert.

Der Vergleich der Resultate mit dem alten Gewichtungsmodell zeigt, dass bei den Haushalten mit Personen im erwerbsfähigen Alter die Einpersonenhaushalte sowie die Haushalte des untersten Einkommensfünftels etwas stärker gewichtet werden. Dadurch sinkt die geschätzte mittlere Haushaltsgrösse z. B. für das Jahr 2018 von 2,17 auf 2,14 Personen pro Haushalt und das geschätzte mittlere verfügbare Einkommen von 7016 auf 6592 Franken pro Monat und Haushalt.

Der Effekt der Revision ist bei den absoluten Schätzwerten im Bereich der Einkommen wie zum Beispiel der Höhe des verfügbaren Einkommens deutlicher sichtbar als bei den relativen Schätzwerten (wie bei den Anteilen der Einkommenskomponenten am Haushaltsbudget).

Erwerbs- und Rentenhaushalte

Die Haushalte werden aufgrund der Merkmale ihrer ­Refe­renz­personen (d. h. des Haushaltsmitglieds, das am meisten zum Gesamteinkommen des Haushalts beiträgt) in Erwerbs- oder Rentenhaushalte eingeteilt. Als Rentenhaushalte gelten alle Haushalte, deren Referenzperson eine Alters-, Hinterlassenen- oder Invalidenrente bezieht und nicht erwerbstätig ist. Alle übrigen Haushalte werden als Erwerbshaushalte klassiert (inklusive Referenzpersonen in Ausbildung).

Quintilverhältnis S80/S20

Im untersten Einkommensfünftel (20% der Bevölkerung mit den niedrigsten verfügbaren Äquivalenzeinkommen) beläuft sich das verfügbare Äquivalenzeinkommen im Jahr 2019 durchschnittlich auf 1609 Franken, im obersten (reichste 20%) auf 8304 Franken. Wird letzterer Betrag durch den ersten geteilt, erhält man das sogenannte Quintilverhältnis. Das durchschnitt­liche verfügbare Äquivalenzeinkommen der reichsten 20% der ­Bevölkerung ist im Jahr 2019 somit 5,2-mal so hoch wie dasjenige der ­ärmsten 20%. Auf Personen in Erwerbshaushalten begrenzt ist das Quintil­verhältnis mit 5,3 ähnlich hoch.

Die in Grafik G3 abgebildeten Quintilverhältnisse zeigen für die Bevölkerung in Erwerbshaushalten Für die Bewertung der Ungleichheit in der Gesamtbevölkerung eignet sich der Gini-Koeffizient besser, da er nicht nur die beiden äusseren 20%, sondern die gesamte Einkommensverteilung berücksichtigt. Im ärmsten Einkommens­fünftel der Gesamtbevölkerung konzentrieren sich viele Rentnerinnen und Rentner. Deren Primäräquivalenzeinkommen als Summe der Erwerbs- und Vermögens­einkommen ist meist gering oder inexistent, da sie vor allem von staatlichen Transferleistungen (insbesondere Renten der AHV/IV und der beruflichen Vorsorge) leben. Es resultiert im Vergleich zu Personen in Erwerbshaushalten ein Anstieg der Quintilverhältnisse S80/S20 der Primär­äquivalenzeinkommen in der Gesamtbevölkerung, der sich im jüngsten Beobachtungsjahrzehnt infolge rückläufiger Vermögenseinkommen noch akzentuiert hat. , dass die Einkommen vor staatlichen und privaten Transfers (Primäräquivalenzein­kommen) deutlich ungleicher verteilt sind als die Einkommen nach ­Umverteilung (verfügbare Äquivalenzeinkommen). Dies veranschaulicht, dass die ungleiche Verteilung der am (Arbeits- und Kapital-) Markt erzielten Einkommen durch Sozialtransfers reduziert ­werden.

Das Quintilverhältnis S80/S20 vergleicht den Einkommensanteil der reichsten 20% der Bevölkerung mit jenem der ärmsten 20%. Je stärker dieser Quotient von 1 ­abweicht, desto ungleicher sind die Einkommen zwischen diesen ­Bevölkerungsgruppen verteilt. Da die Bewertung der ­Ungleichheit beim Quintilverhältnis auf den beiden äus­seren 20% der Einkommensverteilung beruht, wird es ­üblicherweise um weitere Ungleichheitsmasse ergänzt, die die gesamte Verteilung berücksichtigen (z. B. Gini-Koeffizient).

Die Entwicklung der Quintilverhältnisse von 1998 bis 2014 zeigt insgesamt betrachtet und unter Berücksichtigung der teils breiten Vertrauensintervalle keine grosse Veränderung. Nur tendenziell ist bei den verfügbaren Äquivalenzeinkommen in den Jahren 2003 bis 2007 sowie 2009 bis 2013 eine leichte Zunahme der Ungleichheit zu beobachten. Auch zwischen 2015 und 2019 sind keine deutlichen Entwicklungen auszumachen. Die Veränderungen der Quintilverhältnisse bewegen sich jeweils innerhalb der statistischen Schwankungsbreite.

Beim Primäräquivalenzeinkommen sind die beschriebenen Tendenzen wesentlich ausgeprägter. Anstiege der Ungleichheit in diesen Einkommen wirken sich jedoch aufgrund der staatlichen Umverteilung nur geringfügig auf die verfügbaren Äquivalenz­einkommen aus.

Lorenzkurve und Gini-Koeffizient

Da die Bewertung der Ungleichheit beim Quintilverhältnis auf den beiden äusseren 20% der Einkommensverteilung beruht, wird es üblicherweise um weitere Ungleichheitsmasse ergänzt, die die gesamte Verteilung berücksichtigen.

Das Konzept der Lorenzkurve setzt die relativen kumulierten Häufigkeiten der Bevölkerung zu den nach Grösse geordneten, relativen kumulierten Häufigkeiten ihrer Einkommen in Beziehung. Damit können Aussagen darüber ­gemacht werden, welcher Anteil der Bevölkerung über welchen Anteil am Gesamteinkommen verfügt. Es gilt: Je ungleicher die Verteilung ist, desto weiter liegt die Lorenzkurve von der Diagonalen (Gleichverteilung) entfernt.

Wie aus der Lorenzkurve ersichtlich, erhalten die Personen mit den 20% höchsten verfügbaren Äquivalenzeinkommen im Jahr 2019 37,1% des kumulierten verfügbaren Äquivalenz­einkommens, das niedrigste Einkommensfünftel hingegen 7,6% (Grafik G4).

Auch die Lorenzkurve lässt die im Vergleich zum verfügbaren Einkommen ungleichere Verteilung der Primäreinkommen erkennen, wobei die Unterschiede bei Personen in Erwerbshaushalten geringer sind (Grafiken G4 und G5).



Der Gini-Koeffizient basiert auf dem Konzept der Lorenzkurve. Er bewegt sich zwischen 0 (Gleichverteilung) und 1 (maximal ungleiche Verteilung der Einkommen): Je tiefer der Wert, desto gleichmässiger ist die Verteilung. Wie beim Quintilverhältnis lässt auch der Gini-Koeffizient eine deutliche Ungleichheitsreduktion von den vorwiegend marktabhängigen Primäräquivalenz­einkommen (0,45 im Jahr 2019) zu den verfügbaren Äquivalenz­einkommen (0,31, vgl. Grafik G6) erkennen. Sie fällt bei Personen in ­Erwerbshaushalten etwas geringer aus, wie in Grafik G7 ­ersichtlich.

Auch bei den Gini-Koeffizienten ist im betrachteten Zeitraum keine grosse Variation der Ungleichheit zu beobachten. Die Tendenzen stimmen mit jenen des Quintilverhältnisses überein: leichte Zunahmen der Ungleichheit von 2003 bis 2007 und von 2009 bis 2013 mit anschliessender Stabilisierung zwischen 2015 und 2019.

Der Gini-Koeffizient basiert auf dem Konzept der Lorenzkurve und entspricht dem Verhältnis der Fläche zwischen der Diagonalen und der Lorenzkurve zur gesamten Fläche unterhalb der Diagonalen (Dreiecksfläche). Verfügen alle Personen über genau gleich hohe Einkommen, so fällt die Lorenzkurve mit der Diagonalen zusammen und es ergibt sich ein Gini-Koeffizient von 0. Verfügt eine Person über das gesamte Einkommen, so verläuft die Lorenzkurve entlang der beiden Achsen und der Gini-Koeffizient beträgt 1 ­(maximale Einkommensungleichheit).



Vergleich mit anderen europäischen Ländern

Der europäische Vergleich beruht auf den Daten der Erhebung SILC 2020 und den verfügbaren Äquivalenzeinkommen. Die Einkommensdaten in SILC 2020 beziehen sich auf das Jahr 2019.

Lebensstandard im europäischen Vergleich

Der allgemeine Lebensstandard in der Schweiz gehört zu den höchsten in Europa. Er wird anhand des medianen verfügbaren Äquivalenzeinkommens gemessen, wobei die Preisniveau­unterschiede zwischen den Ländern korrigiert werden. Trotz des hohen Preisniveaus in der Schweiz war die finanzielle Situation der Bevölkerung nach Abzug der obligatorischen Ausgaben im Jahr 2020 besser als jene der Nachbarländer und der Mehrheit der anderen Länder der Europäischen Union (EU).

2020 beläuft sich das Medianeinkommen in der Schweiz, in Kaufkraftstandards (KKS) ausgedrückt, auf 26 163 (Grafik G8). Damit liegt der Median des verfügbaren Äquivalenzeinkommens der Schweiz im europäischen Vergleich auf dem dritten Platz hinter Luxemburg und Norwegen. Das mediane verfügbare Äquivalenzeinkommen in der Schweiz ist 2,1 Mal höher als in Portugal, 1,4 Mal höher als Frankreich, 1,2 Mal höher als in Deutschland und 1,1 Mal höher als in Österreich.


Einkommensungleichheit im europäischen Vergleich

Wird das Quintilverhältnis S80/S20 des verfügbaren Äquivalenzeinkommens in der Schweiz auf Basis der EU-SILC-Daten berechnet, beläuft sich dieses im Jahr 2020 auf 4,9. In Europa variiert dieser Indikator zwischen 3,0 (Slowakei) und 9,2 (Türkei). In den Nachbarländern der Schweiz beläuft sich das Verhältnis S80/S20 auf 4,1 in Österreich, 4,5 in Frankreich und 6,5 in Deutschland. Die grössten Ungleichheiten der Einkommens­verteilung weisen die Türkei, Bulgarien und Rumänien auf. In der Slowakei, Slowenien, Tschechien, Belgien und Finnland waren die Ungleichheiten am geringsten (Grafik G9).


Auch beim Gini-Index, welcher im Gegensatz zum Gini-Koeffizienten in Prozent angegeben ist, liegt die Schweiz gemäss den Resultaten von 2020 im europäischen Vergleich im Mittelfeld (nicht abgebildet). Der Gini-Index des verfügbaren Äquivalenz­einkommens beläuft sich auf 31,2. In den Nachbarländern ­variiert er zwischen 27,0 in Österreich, 29,3 in Frankreich und 34,4 in Deutschland.

Fazit: Ungleichheit weitgehend stabil

Quintilverhältnis, Lorenzkurve und Gini-Koeffizient lassen eine deutliche Ungleichheitsreduktion von den vorwiegend markt­abhängigen Primäreinkommen (Erwerbs- und Vermögenseinkommen) zu den verfügbaren Einkommen (Einkommen nach Berücksichtigung staatlicher Transferleistungen und -ausgaben) erkennen. Diese Reduktion fällt bei Personen in Erwerbshaushalten erwartungsgemäss geringer aus, da deren Primäreinkommen weniger ungleich verteilt sind als jene der Gesamtbevölkerung, welche auch Rentnerinnen und Rentner beinhaltet. In deren Haushalten kommt staatlichen Transferleistungen (insbesondere Renten der AHV/IV und der beruflichen Vorsorge) eine wesentlich grössere Bedeutung zu als den ­Erwerbseinkommen. Im Vergleich zu den Personen in Erwerbshaushalten ist bei ihnen der Anteil Personen ohne ­Erwerbseinkommen – und folglich mit geringem oder inexistentem Primäreinkommen – höher. Entsprechend wird die Ungleichverteilung der Primäreinkommen bei der gleichzeitigen Betrachtung von Personen in Erwerbs- und Rentenhaushalten grösser.

Insgesamt betrachtet blieb der Grad der Ungleichheit in den verschiedenen Einkommensstufen im Zeitraum von 1998 bis 2019 weitgehend stabil. Dies gilt sowohl für die gesamte in der Schweiz wohnhafte Bevölkerung als auch spezifisch für die in Erwerbshaushalten lebende Bevölkerung. Es zeigen sich dennoch Tendenzen einer Veränderung der Ungleichheit, die sich allerdings meist innerhalb der statistischen Schwankungsbreite Die Entwicklung der Ungleichheit zeigt nur für einzelne Jahre deutliche ­Unterschiede, die anhand der Vertrauensintervalle (vgl. Kasten «Genauigkeit der Ergebnisse») gekennzeichnet sind. Überschneiden sich diese für zwei aufeinanderfolgende Jahre, kann nicht mit hinreichender Sicherheit von einer Veränderung ausgegangen werden. bewegen. Diese Tendenzen fallen für die betrachteten Ungleichheitsmasse ähnlich aus. Anstiege der Ungleichheit in den Primäreinkommen konnten im Beobachtungszeitraum jeweils durch die staatliche Umverteilung, insbesondere die Sozialleistungen, weitgehend kompensiert werden.

Erwartungsgemäss liegt die Einkommensungleichheit nach staatlicher Umverteilung in der Schweiz denn auch unter dem europäischen Durchschnitt. Allerdings sind hier die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie noch nicht berücksichtigt, da sich die Einkommensangaben in SILC jeweils auf das Vorjahr der Erhebung beziehen.

Weiterführende Informationen des BFS

Statistikportal

www.statistik.ch → Statistiken finden → Wirtschaftliche und soziale Situation der Bevölkerung → Soziale Situation, Wohlbefinden und Armut → Ungleichheit der Einkommensverteilung

Publikationen

Einkommen, Armut und Lebensbedingungen 2020. Lebensbedingungen in der Schweiz unter den besten in Europa. Medienmitteilung vom 17.2.2022. BFS, Neuchâtel 2022.

Entwicklung und Ungleichheit von Einkommen und Konsumausgaben im Vergleich. Ergebnisse 2006 bis 2014. BFS, Neuchâtel 2017.

Einkommensungleichheit und staatliche Umverteilung. Zusammensetzung, Verteilung und Umverteilung der Einkommen der privaten Haushalte. BFS, Neuchâtel 2012.

Glossar

Äquivalenzeinkommen

Das (Primär-, Brutto- oder verfügbare) Äquivalenzeinkommen wird ausgehend vom (Primär-, Brutto- oder verfügbaren) Haushaltseinkommen berechnet. Dabei wird die Haushaltsgrösse über die Äquivalenzskala des Haushalts einberechnet. Um die Skaleneffekte zu berücksichtigen (eine vierköpfige Familie muss nicht vier Mal so viel ausgeben wie eine Einzelperson, um denselben Lebensstandard zu erreichen), werden die Personen im Haushalt gewichtet: die älteste Person mit 1,0, jede weitere Person ab 14 Jahren mit 0,5 und jedes Kind unter 14 Jahren mit 0,3. Die äquivalente Haushaltsgrösse entspricht der Summe der Personengewichte.

Bruttoeinkommen

Das Bruttohaushaltseinkommen fasst die Einkommen sämtlicher Mitglieder eines Privathaushalts zusammen. Dazu gehören die Bruttolöhne (vor den Sozialabzügen), die Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit, die Renten, die Einkommen aus Vermögen und Vermietung, die Überweisungen von anderen Haushalten, die Naturalleistungen aus dem eigenen Betrieb oder des Arbeitgebers usw.

Kaufkraftstandard (KKS)

Für europäische Vergleiche wird das verfügbare Äquivalenz­einkommen mittels Kaufkraftstandard (KKS) ausgedrückt. Der KKS ist eine künstliche Währungseinheit, die die von Land zu Land unterschiedlichen Preisniveaus bereinigt. Mit einem KKS kann in jedem Land die gleiche Menge an Waren und Dienstleistungen erworben werden, was den Vergleich wirtschaftlicher Indikatoren verschiedener Länder ermöglicht.

Median

Der Median oder Zentralwert teilt die nach Grösse geordneten Beobachtungswerte in zwei gleich grosse Hälften. Die eine Hälfte der Werte liegt über, die andere unter dem Median.

Primäreinkommen

Das Primäreinkommen wird in der Haushaltsbudgeterhebung als die Summe der Erwerbseinkommen sämtlicher Mitglieder eines Privathaushalts (inklusive Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitnehmer, aber ohne diejenigen der Arbeitgeber) und ­deren Einkommen aus Vermietung und Vermögen definiert. Oder anders ausgedrückt: Zur Berechnung des Primäreinkommens werden vom Bruttohaushaltseinkommen die Transferleistungen (Renten, Sozialleistungen und monetäre Überweisungen von anderen Haushalten) subtrahiert.

Verfügbares Einkommen

Das verfügbare Einkommen wird berechnet, indem man vom Bruttoeinkommen die obligatorischen Ausgaben abzieht. Dabei handelt es sich um Auslagen wie die Sozialversicherungsbeiträge (AHV/IV-Beiträge, berufliche Vorsorge usw.), die Steuern, die Krankenkassenprämien (Grundversicherung) und die monetären Transferzahlungen an andere Haushalte (z. B. Alimente).

Haushaltsbudgeterhebung (HABE)

Die Haushaltsbudgeterhebung (HABE) wird in der heutigen Form seit 1998 durchgeführt. Sie erhebt seit 2000 jährlich detaillierte Angaben zu den Einkommen und Ausgaben von rund 3000 Privathaushalten.

www.habe.bfs.admin.ch

Erhebung über die Einkommen und Lebensbedingungen (SILC)

Die Erhebung über die Einkommen und Lebensbedingungen (SILC) wird in über 30 Ländern Europas durchgeführt. In der Schweiz werden jährlich rund 7000 Haushalte mit ca. 15 000 Personen befragt. Ziel ist die Untersuchung der Armut, der sozialen Ausgrenzung und der Lebensbedingungen anhand europäisch vergleichbarer Indikatoren.

www.silc.bfs.admin.ch

Genauigkeit der Ergebnisse

Ergebnisse aus Stichprobenerhebungen sind immer mit ­einer Unsicherheit behaftet. Diese kann quantifiziert werden, indem ein Vertrauensintervall berechnet wird, das umso enger ist, je genauer die Ergebnisse sind. Der Unterschied zwischen zwei Schätzwerten gilt als statistisch signifikant, wenn sich deren Vertrauensintervalle nicht überschneiden.