Längsschnittanalysen im Bildungsbereich
Längsschnittanalysen im Bildungsbereich

Längsschnittanalysen im Bildungsbereich

Bildungsverläufe im Pflegebereich

Zusammenfassung

Die vorliegende Publikation befasst sich mit den Verläufen der Pflegeausbildungen auf Sekundarstufe II und auf Tertiärstufe. Die Ergebnisse ermöglichen ein besseres Verständnis der Dynamiken im Pflegebereich und des daraus resultierenden Rekrutierungsbedarfs.

Die Publikation stützt sich auf die Daten des BFS-Programms «Längsschnittanalysen im Bildungsbereich» (LABB) und legt die Komplexität der Bildungsverläufe und die grossen Unterschiede zwischen den Sprachregionen dar. Sie zeigt unter anderem, dass in der Deutsch- und rätoromanischen Schweiz 41,7% der Fachfrauen und Fachmänner Gesundheit (FaGe) der Abschlusskohorte 2012 in den sechs darauffolgenden Jahren eine Tertiärausbildung in der Pflege begonnen haben. In der französischen Schweiz beträgt dieser Anteil lediglich 19,1%. Aufgrund der unterschiedlichen Bildungsübergänge und der abweichenden Struktur der Pflegeausbildungen variiert die Zusammensetzung der Eintritte je nach Sprachregion deutlich. In der Deutsch- und rätoromanischen Schweiz haben 59,6% der in die Pflegeausbildung eintretenden Personen zuvor eine FaGe-Ausbildung absolviert, während in der französischen Schweiz der grösste Anteil der eintretenden Personen (40,9%) zuvor eine Fachmittelschule (FMS) mit Richtung Gesundheit abgeschlossen hat. In der italienischen Schweiz zeigt sich eine ähnliche Zusammensetzung wie in der Deutsch- und rätoromanischen Schweiz, allerdings mit einem besonders hohen Anteil an Personen, die zuvor ein anderes eidgenössisches Fähigkeitszeugnis (EFZ) als jenes zur bzw. zum FaGe erlangt haben (22,7%).

Diese Ergebnisse bilden eine wichtige Orientierungshilfe im Hinblick auf die Sicherstellung von genügend Pflegepersonal auf den verschiedenen Qualifikationsstufen.

1 Einleitung

2019 beschäftigten die Schweizer Gesundheitseinrichtungen rund 186 000 Pflegepersonen. Angesichts der erwarteten demografischen und epidemiologischen Entwicklung ist von einem steigenden Bedarf an Pflegepersonal aller Bildungsstufen auszugehen (Merçay et al. 2016, Dolder und Grünig, 2016). Um die Bedürfnisse des Gesundheitssystems abdecken zu können, braucht es gut ausgebildetes Pflegepersonal mit einer angemessenen Verteilung auf die verschiedenen Qualifikationsstufen (Grademix).

Seit rund 15 Jahren wird die schweizerische Bildungssystematik im Pflegebereich schrittweise umgesetzt. Heute geht man davon aus, dass interessierten Personen auf allen Bildungsstufen berufliche Perspektiven und Bildungswege offenstehen (Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI, 2016).

Die Durchlässigkeit des Bildungssystems sorgt insbesondere in den Pflegebildungsgängen auf Tertiärstufe für Nachschub. Gemäss jüngsten Empfehlungen müsste die Quote der Übertritte in Pflegeausbildungen auf Tertiärstufe 60% betragen, um den künftigen Personalbedarf zu decken (Dolder & Grünig, 2016), während die verbleibenden 40% ihre auf Sekundarstufe II erlernte Tätigkeit idealerweise weiterhin ausüben müssten. Personen mit einem Abschluss auf Sekundarstufe II, wie die FaGe, die ihre Ausbildung auf Tertiärstufe fortsetzen, sind folglich vom verfügbaren Personal dieser Bildungsstufe abzuziehen.

Kennzeichnend für die Situation in der Schweiz sind ausserdem die regionalen Besonderheiten in Bezug auf die Struktur der Pflegeausbildungen. Auf Tertiärstufe überwiegen in der Deutsch- und rätoromanischen Schweiz die höheren Fachschulen (HF), in der französischen Schweiz hingegen wird die Pflegeausbildung hauptsächlich an Fachhochschulen (FH) absolviert. In der italienischen Schweiz ist die Situation mit der Deutschschweiz vergleichbar, jedoch spielen die FH eine wichtigere Rolle (siehe auch BFS 2018). Aufgrund der unterschiedlichen Zulassungswege für HF und FH sind diese regionalen Besonderheiten für die Bildungsverläufe entscheidend.

Die vorliegende Publikation beschreibt die Bildungsverläufe im Pflegebereich, das heisst sie beziffert die Anzahl der ausgebildeten Personen und ermittelt den Anteil der Personen, die eine höherstufige Ausbildung anschliessen. Damit liefert sie wichtige Informationen für die Steuerung der Ausbildung im Pflegebereich (für eine Übersicht über das gesamte Bildungssystem siehe BFS 2019). Ausserdem vertieft sie die Publikation BFS (2018) über die Bildungsverläufe von Absolventinnen und Absolventen der Sekundarstufe II im Allgemeinen.

2 Ausbildungsstruktur im Pflegebereich

Die aktuell im Pflegebereich angebotenen Ausbildungen reichen von der zweijährigen beruflichen Grundbildung bis hin zum Doktorat. Auf Tertiärstufe bestehen Ausbildungsangebote auf Ebene der höheren Berufsbildung (HF-Diplom, Eidg. Diplom oder Fachausweis) und der Hochschulen (Bachelor- oder Masterstudiengänge der FH). Angesichts der vielfältigen Bildungsverläufe wurde der Schwerpunkt dieser Publikation auf die Übergänge von der Sekundarstufe II in die Tertiärstufe gelegt.

Für die Analyse wurden folgende Pflegeausbildungen der Sekundarstufe II berücksichtigt: Assistent/in Gesundheit und Soziales (AGS) mit eidgenössischem Berufsattest (EBA), Fachfrau Gesundheit/Fachmann Gesundheit (FaGe) mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ) und Fachfrau Betreuung/Fachmann Betreuung (FaBe) mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ). Die FaBe-Ausbildung wird in der Regel dem «sozialen» Bereich zugeordnet, wegen ihrer Bedeutung für die Langzeitpflege wurde sie aber dennoch in die Analyse aufgenommen. Ebenfalls berücksichtigt wurden die für die Analyse relevanten Übergänge aus allgemeinbildenden Ausbildungen. Sie umfassen die gymnasiale Maturität und den Fachmittelschulausweis mit Richtung Gesundheit.

Auf Tertiärstufe liegt der Analyseschwerpunkt auf der Ausbildung «Pflege HF» sowie auf dem Bachelor of Science «Pflege FH». Die Masterabschlüsse wurden aus der Analyse ausgeschlossen, da sie grösstenteils von Personen erworben werden, die in der Schweiz bereits eine Pflegeausbildung abgeschlossen haben (2018 kamen neun der insgesamt 92 Mastereintretenden auf FH-Stufe direkt aus dem Ausland, was einem Anteil von 9% entspricht). Auf Tertiärstufe existiert seit einigen Jahren ausserdem der Fachausweis Fachfrau/Fachmann in Langzeitpflege und -betreuung, der aber für diese Analyse noch zu neu ist. Die in der Analyse berücksichtigten Ausbildungen und Übergänge sind in G1 zusammengefasst.

3 Ziele und Methode

3.1 Ziele

Die vorliegende Analyse beschreibt insbesondere die Bildungsverläufe im Pflegebereich von der Sekundarstufe II in die Tertiärstufe. Anhand dieser Übergänge, die durch die Bildungssystematik im Pflegebereich ermöglicht und gefördert werden, kann sowohl die vertikale (zwischen Bildungsstufen) als auch die horizontale Durchlässigkeit (innerhalb einer Bildungsstufe) im Bildungssystem beurteilt werden.

Die Zusammensetzung der auf Tertiärstufe eintretenden Personen wird nach dem vorangehenden Abschluss aufgeschlüsselt. Mit dieser zusätzlichen Perspektive kann nebst den Bildungsverläufen auch aufgezeigt werden, aus welchen Bildungsgängen die in die Tertiärstufe eintretenden Personen hauptsächlich stammen.

Die zukunftsgerichtete Perspektive (Bildungsverläufe) und die rückblickende Perspektive (Zusammensetzung der eintretenden Personen) sind jedoch nicht deckungsgleich. Zum einen ist das im Pflegebereich ausgebildete Personal zwischen 2012 und 2018 nahezu kontinuierlich angestiegen, zum andern hat auch die Quote der Übergänge von der Sekundarstufe II in die Tertiärstufe in diesem Zeitraum zugenommen (siehe auch BFS 2018).

3.2 Bevölkerung

Die verwendeten Daten stammen aus dem BFS-Programm «Längsschnittanalysen im Bildungsbereich». Anhand eines eindeutigen Identifikators kann der gesamte Bildungsverlauf einer Person mitverfolgt und in Längsschnittanalysen abgebildet werden. Aktuell sind Analysen von 2012 bis 2018 möglich. Gestützt auf Fragebogenerhebungen haben sich weitere Studien mit den Bildungsverläufen der FaGe befasst (Trede und Schweri, 2013; Trede et al., 2017; Trede et al., 2018). Die LABB-Daten sind umfassend und ermöglichen die Analyse einer grösseren Anzahl Bildungsverläufe. Ausserdem geben sie Auskunft über die tatsächlich erlangten Abschlüsse und nicht über die Karriereabsichten.

Die Analysen werden nach Sprachregion durchgeführt, die sich aus dem Wohnsitz der Studierenden ergibt.

3.3 Abschlüsse auf Sekundarstufe II und
Berechnung der Übergangsquoten

Der Fokus liegt auf den Bildungsverläufen der Absolventinnen und Absolventen nach einem ersten Abschluss auf Sekundarstufe II. In die Analyse eingeschlossen sind Erstabschlüsse des Typs EBA, EFZ, FMS und gymnasiale Maturität. Die Übergangsquoten werden über einen Zeitraum von sechs Jahren berechnet, beginnend mit dem Jahr 2012, das dem ersten Abschluss auf Sekundarstufe II entspricht.

Die Übergänge zu den Pflegeausbildungen (HF und FH) umfassen alle Personen, die diesen Bildungsweg eingeschlagen haben, ob als Erstausbildung auf Tertiärstufe oder im Rahmen eines Übertritts in einen anderen Bildungsgang dieser Stufe.

3.4 Eintritte auf Tertiärstufe und Ermittlung
des vorangehenden Abschlusses

Für die Tertiärstufe wird die Zusammensetzung der Eintritte für das Referenzjahr 2018 beschrieben und zwischen HF- und FH-Eintritten unterschieden. Die Eintritte beziehen sich hier auf alle Personen, die erstmals für eine der berücksichtigten Ausbildungen eingeschrieben waren, unabhängig davon, ob der Übertritt aus einem anderen Bildungsgang auf Tertiärstufe erfolgt ist. Die Zahl der Eintritte entspricht nicht zwingend der Anzahl Studierenden im ersten Jahr, da ein Teil der Eintretenden die Ausbildung möglicherweise direkt im zweiten Jahr begonnen hat (beispielsweise durch die Anrechnung von Bildungsleistungen, siehe auch BFS 2020).

Der vorangehende Abschluss der Eintretenden entspricht dem letzten auf Sekundarstufe II erlangen Abschluss. Hat eine Person mehrere Abschlüsse auf Sekundarstufe erlangt, so werden Abschlüsse im Pflegebereich priorisiert. Bei 17% der HF- und FH-Eintritte im Jahr 2018 konnte kein Abschluss auf Sekundarstufe II ermittelt werden. Dies kann bedeuten, dass der Abschluss auf Sekundarstufe II vor 2011 oder im Ausland erlangt wurde.

4 Übergänge innerhalb der Sekundarstufe II

4.1 Assistent/in Gesundheit und Soziales EBA

Die ersten Abschlüsse «Assistent/in Gesundheit und Soziales EBA» wurden 2012 erworben. Damit die Kohorte eine ausreichende Grösse aufweist, stützt sich die vorliegende Analyse auf die beschriebenen Bildungsübergänge der 670 Personen (87% davon Frauen), die ihren Abschluss 2014 erzielt haben. In diesem Jahr wurden in der Deutsch- und rätoromanischen Schweiz pro 100 000 Einwohnerinnen und Einwohner ab 15 Jahren Die Anzahl der Abschlüsse wird im Verhältnis zur ständigen Wohnbevölkerung ab 15 Jahren und nach Sprachregion dargestellt (BFS – SE /Auskunftsdienst Strukturerhebung). zehn Abschlüsse, in der französischen Schweiz acht Abschlüsse und in der italienischen Schweiz neun Abschlüsse registriert.

In der Deutsch- und rätoromanischen Schweiz sowie in der italienischen Schweiz setzt etwas mehr als die Hälfte der Personen ihre Ausbildung nach abgeschlossenem AGS (EBA) fort (52,0%, G2). Dabei wird vor allem ein Abschluss als FaGe angestrebt. Ausserdem haben sich 5,6% der Abschlusskohorte 2014 in der Deutsch- und rätoromanischen Schweiz für ein EFZ als FaBe entschieden.

In der französischen Schweiz wird in der Regel keine weitere Ausbildung abgeschlossen: Bei 89,8% der Personen wurde kein Übertritt in eine EFZ-Ausbildung verzeichnet. Die Übergänge zu einem EFZ erfolgen meist im Rahmen einer FaGe-Ausbildung (8,7%) oder – etwas weniger häufig – einer FaBe-Ausbildung (1,6%).

5 Übergänge von der Sekundarstufe II
in die Tertiärstufe

5.1 EFZ FaGe mit oder ohne BM1

In der Deutsch- und rätoromanischen Schweiz erwarben 2640 der Personen, die 2012 erstmals einen Abschluss auf Sekundarstufe II erlangt haben, ein EFZ als FaGe (mit oder ohne BM1), in der französischen Schweiz waren es 545 Personen und in der italienischen Schweiz 91 Personen. Dieser Bildungsgang hat somit in der Deutsch- und rätoromanischen Schweiz stärker an Bedeutung gewonnen; es wurden im Verhältnis zur Einwohnerzahl deutlich mehr Abschlüsse verzeichnet als in der französischen und italienischen Schweiz (Deutsch- und rätoromanische Schweiz: 55 Abschlüsse pro 100 000 Einwohner/innen ab 15 Jahren; italienische Schweiz: 35 Abschlüsse; französische Schweiz: 30 Abschlüsse). Der Frauenanteil der Abschlusskohorte 2012 lag bei 91%.

Von den insgesamt 3334 Bei 58 Personen wurde kein Wohnsitz in der Schweiz gefunden. Personen, die 2012 ein EFZ als FaGe erlangt haben, schlossen 12,7% eine Berufsmaturität ab, die unter anderem den Zugang zu einer FH ermöglicht. Die Berufsmaturität wurde entweder parallel zum EFZ (BM1: 7,3%) oder später (BM2: 5,4%) abgeschlossen. Der Übertritt nach dem EFZ in eine Pflegeausbildung auf Tertiärstufe (38% der Abschlüsse EFZ FaGe 2012) erfolgt grösstenteils in eine HF (HF: 32,6%, FH: 5,5%). Zum Vergleich: 23% aller Personen, die 2012 ein EFZ erlangt haben (mit oder ohne BM1), setzten ihre Ausbildung auf Tertiärstufe fort: 14% auf Stufe der höheren Berufsbildung (HBB) und 9% an einer Hochschule (BFS 2018).

In der Deutsch- und rätoromanischen Schweiz setzte die Hälfte der FaGe (mit oder ohne BM1) ihre Ausbildung innerhalb von sechs Jahren nach dem FaGe-Abschluss auf Tertiärstufe fort (52,3%, G3). Am häufigsten (39,1%) entschieden sich die FaGe-Absolventinnen und -Absolventen, die ihre Ausbildung auf Tertiärstufe fortsetzten, für den Bildungsgang «Pflege HF», während die Ausbildung «Pflege FH» nur von 2,6% gewählt wurde. Ausserdem erfolgte bei 10,7% zwar ein Übertritt in die Tertiärstufe, aber in einen anderen Bereich. Streng genommen gelten die Personen, die beim Übergang zwischen Sekundarstufe II und Tertiärstufe in einen anderen Bereich wechseln, als Verlust für den Pflegebereich, weshalb sie als negativer Bestand dargestellt werden. Es ist möglich, dass sie sich in einem anderen Zweig des Pflegebereichs weiterbilden oder eine ganz andere Richtung einschlagen.

In der französischen Schweiz wechselte lediglich etwas mehr als ein Viertel (27,2%) der FaGe, die ihre Ausbildung 2012 abgeschlossen haben, innerhalb der sechs Jahre nach ihrem FaGe-Abschluss in eine Ausbildung auf Tertiärstufe. 17,1% machten eine Pflegeausbildung auf Stufe FH und 8,1% verliessen den Pflegebereich zugunsten einer anderen Ausbildung auf Tertiärstufe.

In der italienischen Schweiz sind die Werte insgesamt tiefer, zeigen über den Beobachtungszeitraum von sechs Jahren aber höhere Übergangsquoten in Pflegeausbildungen auf Tertiärstufe, sowohl bei den HF (44,0%) als auch den FH (22,0%). Über diesen Zeitraum setzte lediglich ein Drittel (33,0%) die Ausbildung nicht auf Tertiärstufe fort.

Grundsätzlich besteht auch für Personen mit einer EFZ-Ausbildung als FaBe (2012: 2337 Abschlüsse) die Möglichkeit einer Pflegeausbildung auf Tertiärstufe. Über einen Zeitraum von sechs Jahren setzte jedoch die grosse Mehrheit der FaBe-Abschlusskohorte 2012 (76,7%) ihre Ausbildung nicht auf Tertiärstufe fort. Und von den 23,3%, die eine Ausbildung auf Tertiärstufe begonnen haben (insgesamt 56 Personen), entschieden sich lediglich 2,2% für den Bildungsgang «Pflege HF» und nur 0,2% für «Pflege FH».

5.2 Fachmittelschule (FMS) mit Richtung Gesundheit

2012 erlangten 3445 Personen einen FMS-Abschluss, 1133 davon mit Richtung Gesundheit (Frauenanteil 76%). Zwei Drittel dieser Kohorte (66,2%) erwarben danach eine Fachmaturität, die ihnen direkten Zugang zu den Pflegebildungsgängen auf Stufe HF und FH gibt. Für FMS-Absolventinnen und -Absolventen ist der Zugang zu den HF und FH aber auch ohne Fachmaturität möglich, beispielsweise, wenn sie einschlägige Berufserfahrung nachweisen können.

FMS werden in der französischen Schweiz generell häufiger besucht als in der Deutsch- und rätoromanischen und in der italienischen Schweiz. Dieser Unterschied ist auch in Bezug auf die Richtung Gesundheit der FMS zu beobachten. Entsprechend ist das Verhältnis der FMS-Abschlüsse mit Richtung Gesundheit zur Einwohnerzahl in der französischen Schweiz fast viermal höher (2012: 39 Abschlüsse pro 100 000 Einwohner/innen ab 15 Jahren) als in der Deutsch- und rätoromanischen (9,5 Abschlüsse) und in der italienischen Schweiz (11,6 Abschlüsse).

Insgesamt setzen mehr als acht von zehn FMS-Absolventinnen und Absolventen mit Richtung Gesundheit ihre Ausbildung auf Tertiärstufe fort (84,1%໿). In der französischen Schweiz entscheidet sich knapp die Hälfte (47,9%) der Personen mit einem FMS-Abschluss mit Richtung Gesundheit für den Bildungsgang «Pflege FH» und 32,7% absolvieren einen anderen Bildungsgang auf Tertiärstufe (G4). Zum Vergleich: In der Deutsch- und rätoromanischen Schweiz setzen FMS-Absolventinnen und -Absolventen ihre Ausbildung etwas häufiger auf Tertiärstufe fort (89,0%), allerdings entscheiden sich lediglich 25,2% für eine Pflegeausbildung auf Tertiärstufe.

Da es sich bei einem FMS-Abschluss nicht um eine Berufsausbildung handelt, kann es sein, dass sich Absolventinnen und Absolventen, die nicht in die Tertiärstufe wechseln, für eine berufliche Grundbildung oder eine gymnasiale Maturität entscheiden. Diese Personen werden als negativer Bestand dargestellt, da sie (noch) nicht direkt in die Pflegeausbildung wechseln.

5.3 Gymnasiale Maturität

Bei Personen mit einer gymnasialen Maturität ist der Übertritt in die Tertiärstufe die Regel. Die grosse Mehrheit der 17 826 Personen, die 2012 ihre gymnasiale Maturität erlangt haben, setzte ihre Ausbildung an einer UH fort (77%), 9% entschieden sich für eine FH und 8% für eine PH (siehe BFS 2018). 17,5% der Personen mit gymnasialer Maturität traten in eine FH ein, teilweise nach einem Ersteintritt in die Tertiärstufe über eine UH. Bei den HF beläuft sich dieser Anteil auf 1,7%. Genauer gesagt traten 1,3% der Absolventinnen und Absolventen einer gymnasialen Maturität in eine FH-Pflegeausbildung und 0,4% in eine HF-Pflegeausbildung ein.

Im Bildungsgang «Pflege HF» ist der Anteil der Studierenden mit gymnasialer Maturität relativ gering (2018: 1,7% der Eintritte). An den FH liegt ihr Anteil hingegen bei 21,2% der Eintritte (siehe unten).

6 Vorangehender Abschluss der Eintretenden
auf Tertiärstufe

6.1 Pflegeausbildung an einer höheren Fachschule HF

Bei der Zusammensetzung der Eintritte im Bildungsgang «Pflege HF» werden hauptsächlich die Situation in der Deutsch- und rätoromanischen Schweiz (2018: 2080 Eintritte) und in der italienischen Schweiz (145 Eintritte) berücksichtigt, da die französische Schweiz 2018 lediglich 21 Eintritte verzeichnete. In der Deutsch- und rätoromanischen Schweiz verfügten rund zwei Drittel der eintretenden Personen (64,4%) über einen FaGe-Abschluss (EFZ) und 14,8% über einen anderen EFZ-Abschluss (G5). In der italienischen Schweiz war der Anteil der Personen mit FaGe-Abschluss niedriger (44,8%), dafür verfügte ein höherer Anteil der Eintretenden über einen anderen EFZ-Abschluss (30,4%).

In insgesamt 16,8% der Fälle wurde kein vorangehender Abschluss ermittelt. Dieser Anteil entspricht den eintretenden Personen, die ihren Abschluss vor 2011 oder im Ausland erlangt haben.

6.2 Pflegeausbildung an einer Fachhochschule FH

Bei der Pflegeausbildung an den FH variiert die Zusammensetzung der 1272 Eintritte regional stark. In der französischen Schweiz (742 Eintritte) hat die Mehrheit der in den Bildungsgang «Pflege FH» eintretenden Personen (41,6%) zuvor eine FMS mit Richtung Gesundheit abgeschlossen, 18,8% verfügen über ein EFZ (10,7% davon als FaGe) und 22,8% über eine gymnasiale Maturität (G6). In der Deutsch- und rätoromanischen Schweiz (348 Eintritte) und in der italienischen Schweiz (110 Eintritte) haben weniger als ein Fünftel der eintretenden Personen zuvor eine FMS absolviert. Die meisten Eintretenden (30,8% bzw. 23,6%) haben eine Ausbildung als FaGe abgeschlossen. Auch die gymnasiale Maturität ist in der Deutsch- und rätoromanischen Schweiz ein häufigerer Zugangsweg (22,7%).

Im Vergleich zu den anderen Sprachregionen ist der Anteil der Eintritte, für die kein vorangehender Abschluss ermittelt werden konnte, in der französischen Schweiz etwas niedriger (12,4%) als in der Deutsch- und rätoromanischen (20,1%) oder der italienischen Schweiz (28,2%). Die sprachregional unterschiedlichen Ergebnisse hängen vermutlich damit zusammen, dass das Durchschnittsalter der Eintretenden in der französischen Schweiz niedriger ist als in den anderen Regionen (22,8 Jahre verglichen mit fast 24 Jahren in den anderen Regionen), d. h. dort die Wahrscheinlichkeit höher ist, dass der bisherige Abschluss mehr als fünf Jahre zurückliegt. Insgesamt hat etwas mehr als die Hälfte der Eintretenden, bei denen in den LABB kein bisheriger Abschluss ermittelt werden konnte, ihren bisherigen Abschluss im Ausland erlangt. Anhand der Daten des Schweizerischen Hochschulinformationssystems (SHIS) ist es jedoch möglich, im Ausland erlangte Abschlüsse oder andere Abschlüsse, die den Zugang zu den FH ermöglichen, zu identifizieren.

6.3 Gesamtübersicht über die Pflegeausbildungen

Ausgehend von den sprachregionalen Unterschieden in Bezug auf die Rolle der HF- und der FH-Pflegeausbildungen lassen sich die Daten der HF- und der FH-Eintretenden nach Sprachregion aufschlüsseln, um die wichtigsten Bildungsgänge zu ermitteln und zu beziffern. Auf gesamtschweizerischer Ebene verfügte rund jede zweite eintretende Person über ein EFZ als FaGe (46,1%, G7), gefolgt von EFZ anderer Bereiche (12,9%), FMS-Abschlüssen mit Richtung Gesundheit (12,7%) und der gymnasialen Maturität (8,7%).

Die Zusammensetzung der Eintretenden unterscheidet sich nach Sprachregion deutlich, was sowohl auf die unterschiedliche Struktur der Pflegeausbildungen als auch auf den vorangehenden Abschluss der Eintretenden des jeweiligen Bildungsgangs zurückzuführen ist. In der Deutsch- und rätoromanischen Schweiz haben die Eintretenden zuvor am häufigsten ein EFZ erlangt (73,4%), wobei allein die Personen mit FaGe-Abschluss einen Anteil von 59,6% ausmachen. In der französischen Schweiz haben die meisten Eintretenden zuvor eine allgemeinbildende Ausbildung der Sekundarstufe II abgeschlossen: 40,9% eine FMS mit Fachrichtung Gesundheit und 22,2% eine gymnasiale Maturität. In der italienischen Schweiz weisen die Neueintretenden der Pflegeausbildungen ein breiteres Profil auf, wobei die berufliche Grundbildung einen höheren Anteil ausmacht (35,7% verfügen über ein EFZ als FaGe und 22,6% über ein anderes EFZ).

Insgesamt sind 86% der Eintretenden Frauen (HF: 87%, FH: 83%).

7 Fazit und Ausblick

Mit dieser Publikation liegt erstmals eine detaillierte Beschreibung zu den Bildungsverläufen im Pflegebereich vor. Die Bildungsverläufe liefern wertvolle Informationen im Hinblick auf die Evaluation des künftigen Bedarfs an Pflegepersonal und des künftigen Nachwuchsbedarfs (laufende Arbeiten des Obsan, Publikation im September 2021 geplant). Angesichts der sprachregionalen Besonderheiten in Bezug auf die Struktur der Pflegeausbildung stellen sich für die Deutsch- und rätoromanische, die französische und die italienische Schweiz unterschiedliche Herausforderungen.

In der Deutsch- und rätoromanischen Schweiz sind die Übergangsquoten sowohl innerhalb der Sekundarstufe II (EBA zu EFZ) als auch von der Sekundarstufe II zur Tertiärstufe hoch, was von einer grossen vertikalen Durchlässigkeit des Bildungssystems zeugt. Zentrale Herausforderung wird daher die Sicherstellung von genügend Eintritten in die Pflegeausbildungen auf Sekundarstufe II sein, damit sowohl auf dieser Qualifikationsstufe als auch auf Tertiärstufe ausreichend Pflegepersonal zur Verfügung steht. Dazu braucht genügend betriebliche Ausbildungsplätze.

In der französischen Schweiz scheinen die verschiedenen Bildungsstufen im Pflegebereich vergleichsweise stärker voneinander abgegrenzt zu sein. Die tiefe Übergangsquote zwischen dem EFZ als FaGe und der Pflegeausbildung auf Tertiärstufe ist insbesondere auf die zusätzliche Voraussetzung der Berufsmaturität für den Zugang zu einer FH-Ausbildung zurückzuführen. Auch zwischen dem EBA-Abschluss als AGS und dem FaGe-Abschluss ist eine geringe Mobilität im Bildungsverlauf festzustellen. In der französischen Schweiz geht es im Hinblick auf die Konkurrenz zu den anderen Ausbildungsangeboten einerseits darum, das Interesse von genügend Absolventinnen und Absolventen aus allgemeinbildenden Ausbildungen zu wecken. Andererseits sollte die vertikale Mobilität zwischen den Bildungsstufen verbessert und die Qualifikation des Pflegepersonals gefördert werden.

In der italienischen Schweiz sind die Übergangsquoten innerhalb der Sekundarstufe II sowie zwischen der Sekundarstufe II und der Tertiärstufe eher hoch und deuten auf eine gute Mobilität in den Bildungsverläufen hin. Allerdings verfügt rund ein Viertel der Neueintretenden im Bildungsgang Pflege (HF und FH) über ein EFZ ausserhalb des Pflegebereichs. Somit besteht in der italienischen Schweiz zweifellos ein Potenzial für eine stärkere Förderung und einen vermehrten Ausbau der FaGe-Ausbildung, was dafür sorgen dürfte, dass das Profil der Neueinsteigenden in die Pflegeausbildungen auf Tertiärstufe besser zu den Anforderungen passt.

Eine weitere Möglichkeit, die Bestände auf den verschiedenen Bildungsstufen zu erhöhen, wäre die Förderung von Männern in Pflegeberufen.

In der vorliegenden Publikation beziehen sich die Analysen der Bildungsverläufe auf Absolventinnen und Absolventen der Sekundarstufe II, die ihren Abschluss 2012 erlangt haben. In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Absolventinnen und Absolventen im Pflegebereich stark gestiegen (z. B. 3334 FaGe-Abschlüsse im Jahr 2012 verglichen mit 4525 im Jahr 2019, was einer Zunahme um 36% innerhalb von sieben Jahren entspricht; Werte des BFS) und die Szenarien 2020–2029 für das Bildungssystem (BFS; siehe BFS 2021) rechnen damit, dass sich die Zunahme der Abschlüsse auf Sekundarstufe II in den kommenden Jahren fortsetzen wird (2019–2029: +29% bei den EFZ-Bildungsfeldern «Pflegepersonal» und «Gesundheit, ohne Humanmedizin und Pflegepersonal», d. h. +2100 Abschlüsse). Ausserdem nimmt die Tendenz der Absolventinnen und Absolventen der Sekundarstufe II, ihre Ausbildung fortzusetzen, insgesamt zu (siehe BFS 2018) und im Pflegebereich werden neue Bildungsgänge geschaffen, beispielsweise der Fachausweis Fachfrau/Fachmann in Langzeitpflege und -betreuung. Künftig wäre demnach ein Monitoring dieser Bildungsverläufe hilfreich, um die Sicherstellung von genügend Pflegepersonal auf den verschiedenen Qualifikationsstufen zu unterstützen. Wie die Nachfrage nach Absolventinnen und Absolventen der Tertiärstufe insgesamt hängt derzeit auch die Nachfrage im Pflegebereich stark von der internationalen Migration ab (BFS 2019). Sobald ausreichend lange Zeitreihen vorliegen, könnte die Analyse auf ein Monitoring aller Bildungsverläufe ab Ende der Sekundarstufe II bis zum Abschluss der Tertiärstufe oder zum Eintritt ins Erwerbsleben ausgeweitet werden.

Literaturhinweise

Dolder, P. und Grünig, A. (2016): Nationaler Versorgungsbericht für die Gesundheitsberufe 2016. Nachwuchsbedarf und Massnahmen zur Personalsicherung auf nationaler Ebene. Bern: GDK und OdASanté.

Merçay, C., Burla, L. und Widmer, M. (2016): Gesundheitspersonal in der Schweiz. Bestandesaufnahme und Prognosen bis 2030. (Obsan Bericht 71). Neuchâtel: Schweizerisches Gesundheitsobservatorium.

BFS (2018): Übergänge nach Abschluss der Sekundarstufe II und Integration in den Arbeitsmarkt, Neuchâtel.

BFS (2019): Demografische Entwicklung und Auswirkungen auf den gesamten Bildungsbereich. Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulats 12.3657 der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur NR vom 17. August 2012. Bundesamt für Statistik, Neuchâtel.

BFS (2020): Bildungsverläufe an den höheren Fachschulen. Bundesamt für Statistik, Neuchâtel.

BFS (2021): Szenarien 2020–2029 für das Bildungssystem. Bundesamt für Statistik, Neuchâtel.

Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SEFRI) (2016): Schlussbericht: «Masterplan Bildung Pflegeberufe» Bericht des Bundesrates.

Trede, I. und J. Schweri (2013): Laufbahnentscheidungen von Fachfrauen und Fachmännern Gesundheit. Zusammenfassende Erkenntnisse und Bewertung. 2013, Eidgenössisches Hochschulinstitut für Berufsbildung IFFP EHB IUFFP, OdASanté: Zollikofen, Bern.

Trede, I., Grønning, M., Pregaldini, D., Kriesi, I., Schweri, J. und Baumeler, C. (2017): Trendbericht 2. Fachfrau/Fachmann Gesundheit – Traumjob oder Zwischenstopp? Eidgenössisches Hochschul-institut für Berufsbildung IFFP EHB IUFFP, OdASanté: Zollikofen, Bern.

Trede, I. und Grønning, M. (2018): Berufsverläufe von Fachfrauen und -männern Gesundheit. Panorama 3/2018, 16–17.

Definitionen

Abschlüsse der Sekundarstufe II: Im Fokus der vorliegenden Publikation steht der erste Abschluss, den eine Person auf der Sekundarstufe II erlangt. Die Berufsmaturität, die nach der Lehre absolviert wird (BM2), sowie Fachmaturitäten werden deshalb nicht berücksichtigt. Bei der Berufsmaturität, die parallel zum EFZ absolviert wird (BM1), wird nur das EFZ berücksichtigt.

Eintretende Pflegebereich HF oder FH: Die vorliegende Publikation berücksichtigt alle Personen, die eine Pflegeausbildung an einer HF oder einer FH beginnen. Berücksichtigt werden somit auch Personen, die zuvor eine andere Ausbildung auf Tertiärstufe begonnen oder abgeschlossen haben. Diese Definition weicht von der normalerweise für Analysen des LABB-Programms verwendeten Definition ab, bei der es um die Ersteintritte in die Tertiärstufe geht. Grund dafür ist der spezifische Fokus der vorliegenden Studie auf die Ausbildungen im Pflegebereich.

Abkürzungen

EBA: Eidgenössisches Berufsattest

EFZ: Eidgenössisches Fähigkeitszeugnis

HF: Höhere Fachschulen

FH: Fachhochschulen

LABB: Längsschnittanalysen im Bildungsbereich www.labb.bfs.admin.ch

BM: Berufsmaturität

BM1: während der Lehre absolvierte Berufsmaturität

BM2: nach der Lehre absolvierte Berufsmaturität