Reproduktive Gesundheit
Reproduktive Gesundheit

Reproduktive Gesundheit

Medizinisch unterstützte Fortpflanzung im Jahr 2019

Im Jahr 2019 liessen sich in der Schweiz 5993 Paare mit Kinderwunsch im Rahmen der medizinisch unterstützten Fortpflanzung mit In-vitro-Methoden behandeln. In Folge dieser Behandlungen im Jahr 2019 kamen in den Jahren 2019 und 2020 insgesamt 2204 lebendgeborene Kinder zur Welt. Die Zahl der Mehrlingsgeburten nach medizinisch unterstützter Fortpflanzung ist seit 2017 deutlich zurück­gegangen.

Dieser Bericht zur medizinisch unterstützten Fortpflanzung im Jahr 2019 umfasst Daten der 30 Zentren für Fortpflanzungsmedizin in der Schweiz. Die dargestellten Daten betreffen ­Methoden der In-vitro-Fertilisation, also Methoden, bei denen die Befruchtung ausserhalb des menschlichen Körpers stattfindet. Die 2080 Geburten nach den Behandlungen des Jahres 2019 erfolgen aufgrund der Dauer einer Schwangerschaft sowohl im Jahr 2019 als auch im Jahr 2020. Die Zahl der Geburten beinhaltet Lebendgeburten (Einlings- und Mehrlingsgeburten) sowie Totgeburten.

Transfer von einem Embryo (SET)

In der Schweiz ist seit dem 1. September 2017, nach Inkrafttreten der Revision des Fortpflanzungsmedizingesetzes (FMedG), ein klarer Anstieg der Transfers von nur einem Embryo zu beobachten (G1). Wurden im Jahr 2016 pro Transferzyklus noch in 66% der Fälle zwei oder drei Embryos in die Gebärmutter transferiert, sank diese Zahl im Jahr 2019 auf 21%.

Der Trend zum Transfer einzelner Embryos (SET, auf Englisch für Single Embryo Transfer) ist auch in anderen europäischen Ländern sowie in Australien und Asien zu beobachten.

Reduktion der Mehrlingsgeburten

Mehrlingsgeburten erhöhen die Risiken für Komplikationen während der Schwangerschaft und Geburt. Insbesondere das Risiko einer Frühgeburt ist bei Mehrlingsschwangerschaften erhöht. Die Zunahme der Einlingsgeburten nach medizinisch unterstützter Fortpflanzung ist daher eine bedeutende Entwicklung für die Gesundheit der Neugeborenen (G2).

In der Folge des zunehmenden Transfers von nur einem ­Embryo reduzierte sich der Anteil der Mehrlingsgeburten markant. Wurden nach Behandlungen im Jahr 2016 noch in 16% der Fälle Mehrlinge geboren, sank dieser Anteil im Jahr 2019 auf 6% der Geburten.

Alter der Frauen und Männer

Bei der Behandlung waren im Jahr 2019 43% der Frauen zwischen 35 und 39 Jahre alt und 21% waren zwischen 40 und 44 Jahre alt (G3). Das Durchschnittsalter der behandelten Frauen lag bei 36,6 Jahren. Im Jahr 2009 lag das Durchschnittsalter der Frauen bei 36,0 Jahren. Das Durchschnittsalter der Männer lag bei 39,6 Jahren und blieb in den letzten Jahren fast unverändert.

Die Zahl der behandelten Paare hat in den letzten Jahren leicht abgenommen. Gleichzeitig hat der Anteil der Frauen stetig zugenommen, die nach der Behandlung Kinder bekamen (G4).

Zunahme der Lebendgeburten

Verglichen mit 2009 ist der Anteil der Schwangerschaften im Verhältnis zur Zahl der behandelten Frauen im Jahr 2019 von 36% auf 47% gestiegen. Die Zahl der Lebendgeborenen ist im Verhältnis zur Anzahl behandelter Frauen des Kalenderjahres von 30% im Jahr 2009 auf 37% im Jahr 2019 angestiegen (G4). Insgesamt hat damit der Anteil erfolgreicher Behandlungen deutlich zugenommen.

Art der Behandlung

Bei der intracytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) wird mit Hilfe einer Pipette ein einzelnes Spermatozoid in eine Eizelle injiziert. Der Anteil von ICSI in der medizinisch unterstützten Fortpflanzung mit In-vitro-Methoden liegt bei 84%. Die konventionelle In-vitro-Fertilisation (IVF) wurde 2019 in 15% der Zyklen durch­geführt. In 1% der Zyklen war die Art der Behandlung nicht ­näher bezeichnet (G5).

Erfolgsrate der Kryozyklen

Nach der Entnahme der Eizellen und Befruchtung durch IVF oder ICSI besteht die Möglichkeit, den entwickelten Embryo nach 5–6 Tagen in die Gebärmutter zu transferieren. Dies wird als Frischzyklus bezeichnet. In einem Kryozyklus werden dagegen die lebensfähigen Embryos zunächst eingefroren, um sie zu einem späteren Zeitpunkt in den Uterus transferieren zu können (siehe Glossar). Wenn der Embryo-Transfer beim ersten Mal nicht erfolgreich war, kann ein weiterer Transfer durchgeführt werden; dies erfolgt dann in der Regel nach einem Kryozyklus.

Im Jahr 2019 wurden 4124 Embryos nach einem Frischzyklus in den Uterus transferiert, 5517 nach einem Kryozyklus. Es zeigt sich ein kleiner Unterschied, wenn man die Lebendgeburten nach dem Transfer von Embryos nach Kryozyklen und Frischzyklen vergleicht. Bei den nach einem Frischyklus transferierten ­Embryos kam es in 21,2% der Fälle zu einer Lebendgeburt, während pro transferiertem Embryo nach einem Kryozyklus in 24,1% der Fälle eine Lebendgeburt erfolgte.

Verwendung überzähliger Embryos

Sowohl bei der natürlichen als auch bei der künstlichen Befruchtung entwickelt sich nur etwa eine von sechs befruchteten Eizellen weiter. Daher kann es auch bei der medizinisch unterstützten Befruchtung zu einer vorzeitigen Beendigung der Entwicklung des Embryos kommen. Seit Inkrafttreten der Revision des FMedG am 1. September 2017 können pro Behandlungszyklus bis zu 12 Embryos aus befruchteten Eizellen weiterentwickelt werden. Da hierdurch die Chancen steigen, einen lebensfähigen Embryo zu erzeugen, erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft.

Im Jahr 2019 wurden 29,6% der Embryos in einen Uterus transferiert. Weitere 33,9% wurden zur Aufbewahrung und für ­einen zukünftigen Transfer eingefroren und 36,5% wurden im Labor vernichtet. In der Mehrzahl dieser Fälle (89,5%) war ein Entwicklungsstopp der Grund für die Vernichtung von ­Embryos. Weitaus seltener wurden Embryos aufgrund eines schlechten Entwicklungspotentials (2,7%), nach Abbruch der Behandlung durch das Paar (2,1% ) oder aufgrund einer genetischen Anomalie (3,4%) vernichtet. Im Jahr 2019 wurde kein überzähliger Embryo für die Gewinnung embryonaler Stammzellen zur Verfügung gestellt.

Gründe für die Behandlung

Von den 5993 Paaren, die im Jahr 2019 in einer Behandlung zur medizinisch unterstützten Fortpflanzung waren, wurden die Gründe der Behandlung bei denjenigen 2872 Paaren erhoben, die im Jahr 2019 zum ersten Mal behandelt wurden (G6).

In 34% dieser Fälle erfolgte die Behandlung wegen männlicher Sterilität, in 26% der Fälle wegen weiblicher Sterilität und in 12% der Fälle wegen Sterilität beider Partner. In 15% der Fälle konnte bei keinem der Partner eine medizinische Ursache für die Sterilität gefunden werden. In 1% der Fälle wurde eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung durchgeführt, um das Risiko der Übertragung einer schwerwiegenden genetischen Erkrankung zu verringern (G6).

Bei 119 Paaren wurde eine Samenspende zur medizinisch unterstützten Fortpflanzung mit In-vitro-Methoden verwendet. In der Folge kam es zu 168 Embryotransfers und zur Geburt von 50 Kindern.

Präimplantationsdiagnostik

Eine Präimplantationsdiagnostik (auf englisch mit der Abkürzung PGT bezeichnet, für Preimplantation Genetic Testing) ist seit der Revision des FMedG im September 2017 erlaubt. Im Jahr 2019 haben 352 Paare eine Präimplantationsdiagnostik durchführen lassen. Dies waren 137 Paare mehr als im Vorjahr. Von den 201 Embryotransfers im Jahr 2019 nach PGT kam es in 32% der Fälle zu einer Geburt. In der Regel fand der Transfer in diesen Fällen nach einem Kryozyklus statt. Insgesamt wurden nach PGT 65 Geburten gezählt, entsprechend 3% der ins­gesamt 2080 Geburten (lebend geborene Einlinge und Mehrlinge, aber auch Totgeburten), die nach medizinisch unterstützter Fortpflanzung des Jahres 2019 erfolgten. Von diesen erfolgten 48 ­Geburten nach PGT-A (Screening für Aneuploidien) und neun ­Geburten nach nach einer PGT-M (eine PGT für Monogen- oder Einzelgendefekte) oder PGT-SR (eine PGT für chromosmale, strukturelle Umbildungen). Bei acht Geburten wurden mehrere Arten der PGT durchgeführt (siehe Glossar).

Weitere Tabellen Siehe

www.bfs.admin.ch → Statistiken finden → 14 – Gesundheit → Gesundheitszustand → Reproduktive Gesundheit → Medizinisch unterstützte Fortpflanzung

Datenquelle

Das Bundesamt für Statistik (BFS) publiziert seit 2002 Berichte über die medizinisch unterstützte Fortpflanzung in der Schweiz (StatLPMA). Berücksichtigt werden dabei die Daten aller aktiven Zentren für Fortpflanzungsmedizin welche Methoden der extra-uterinen ­Befruchtung (IVF und ICSI) anwenden. Diese Statistik erfasst die Anzahl der Behandlungen mit In-vitro-Methoden der medizinisch unterstützten Fortpflanzung sowie die Zahl der daraus resultierenden überzähligen Embryos und seit 2017 Informationen zur Präimplantations­diagnostik (PGT). Zudem informiert sie über das Ergebnis der Behandlungen und den Ausgang der Schwangerschaften. Die künstliche Befruchtung durch Insemination, welche sowohl unter medizinischer Betreuung als auch im pri­vaten Rahmen erfolgen kann, ist in dieser Statistik nicht enthalten. Die Statistik berichtet über die Daten welche die Kinderwunschzentren an das Register der FIVNAT-CH (Fécondation In Vitro National) der SGRM (Schweizerische Gesellschaft für Reproduktionsmedizin) liefern. Die Erhebung erfolgt jährlich.

Glossar

Medizinisch unterstützte Fortpflanzung

Medizinisch unterstützte Methoden zur Behandlung verschiedener Formen der Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit oder Sterilität. Die Diagnose der Sterilität muss von einer Fachperson gestellt werden. Zu den Behandlungsmethoden gehören Methoden der hormonellen Stimulierung des Eisprungs, die künstliche Insemination, sowie die Methoden der In-vitro-Fertilisation (IVF und ICSI).

In-vitro-Fertilisation (IVF)

Bei dieser Methode findet die Befruchtung ausserhalb des ­Körpers der Frau statt. Zu diesem Begriff gehören sowohl die konventionelle IVF wie auch die ICSI. Bei beiden Verfahren werden Eizellen (Oocyten) in der Regel nach hormoneller Stimulationsbehandlung während eines kurzen Eingriffs (Punktion) aus den Eierstöcken der Frau entnommen. Der Zeitpunkt der Entnahme der Eizellen wird als neuer Frischzyklus bezeichnet.

Frischzyklus im Deklarationsjahr

Frischzykus im Jahr der Eizellpunktion.

IVF

Auch konventionelle IVF genannt. Hier wird die reife Eizelle mit ­einer genügend grossen Anzahl von Spermien zusammen­gebracht und in einer geeigneten Nährlösung inkubiert, so dass eine Befruchtung stattfinden kann.

Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI)

Bei der intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) wird eine einzelne Samenzelle unter dem Mikroskop mit einer Mikroinjektion in eine reife Eizelle injiziert. Diese Methode wird empfohlen, wenn die Spermienqualität beeinträchtigt ist.

Eizelle (Oozyt)

Weibliche Keimzelle welche in den Eierstöcken reift.

Fertilisierte Eizellen (Zygoten)

Eine Zygote ist eine befruchtete Eizelle (Oozyt) nach der Verschmelzung des weiblichen und männlichen Genoms und vor der ersten Zellteilung.

Embryo

Organismus, der sich nach der ersten Teilung aus fertilisierten Oozyten (Zygoten) entwickelt. Bis zum Ende der Organentwicklung spricht man von einem Embryo.

Bei den In-vitro-Methoden wird die Entwicklung der Zygoten und Embryos während einer gewissen Zeit (5–6 Tage) nach der Befruchtung im Labor beobachtet. Dies erlaubt Rückschlüsse auf die Entwicklungsfähigkeit der Embryos. Nach dieser Zeit ist ein Embryo im sogenannten Blastozystenstadium. In diesem Stadium wird der Embryo in die Gebärmutter transferiert oder zur Aufbewahrung kryokonserviert.

Kryokonservierung

Seit Inkrafttreten der Revision des Fortpflanzungsmedizin­gesetzes (FMedG) ist die Kryokonservierung von Embryos erlaubt. Als Kryokonservierung wird der Vorgang des Einfrierens der Eizellen oder Embryos und deren Aufbewahrung im gefrorenen Zustand bei sehr tiefen Temperaturen bezeichnet.

Da zur Vermeidung von Mehrlingsschwangerschaften heute meist nur noch ein Embryo in die Gebärmutter transferiert wird, können weitere entwickelte Embryos zur Aufbewahrung eingefroren werden. Die Kryokonservierung ist in der Schweiz für maximal 10 Jahre erlaubt.

Kryozyklus im Deklarationsjahr

Kryozyklus im Jahr des Auftauens oder des Erwärmens.

Transferierte Embryos

In den Uterus transferierte Embryos (aus Frischzyklen, kryo­konservierten Zygoten oder aufgetauten Embryos).

Überzählige Embryos

Nach der Entwicklung von frischen oder gefrorenen/aufgetauten ­Zygoten erhaltene und nicht in den Uterus transferierte Embryos.

Präimplantationsdiagnostik

Hier wird oft die im Englischen gebräuchliche Abkürzung PGT für Preimplantation Genetic Testing verwendet. Es handelt sich um Tests zur DNA-Analyse von Oozyten (Polkörper) oder Embryos (Zellteilungsstadium oder Blastozyste).

Darin enthalten:

– PGT für Aneuploidie (PGT-A), vormals PGS

– PGT für Monogen-/Einzelgendefekte (PGT-M)

– PGT für chromosomale, strukturelle Umbildungen (PGT-SR).

Bei der PGT bei Embryos im Blastozystenstadium wird eine Biopsie des Blastozysten durchgeführt. Daraufhin wird der Blastozyst bis zum Erhalt der Resultate und dem optimalen Zeitpunkt eines Transfers kryokonserviert.

Preimplantation Genetic Diagnosis (PGD)

Bis vor kurzem wurden für die Präimplantationsdiagnostik die Begriffe PGD (PGT-M und PGT-SR) sowie PGS (PGT-A-Screen­ing) verwendet. In den meisten Quellen wurden diese Begriffe ­in­zwischen durch PGT ersetzt.

FIVNAT

Die FIVNAT-CH (Fécondation In Vitro National) der SGRM (Schweizerische Gesellschaft für Reproduktionsmedizin) betreibt ein Register der IVF Zentren für Reproduktionsmedizin in der Schweiz.

Literatur und Webseiten

Zegers-Hochschild F, Adamson GD, Dyer S, Racowsky C, de ­Mouzon J, Sokol R, Rienzi L, Sunde A, Schmidt L, Cooke ID, ­Simpson JL, van der Poel S. The International Glossary on ­Infertility and Fertility Care, 2017. Hum Reprod. 2017 Sep 1; 32(9): 1786-1801. doi: 10.1093/humrep/dex234. PMID: 29117321; ­PMCID: PMC5850297.

FIVNAT-CH Register: http://www.fivnat-registry.ch /; Stand am 10.03.2021.

Unispital Basel Frauenklinik: https://www.unispital-basel.ch/ueber-uns/bereiche/spezialkliniken-und-augenklinik/kliniken/frauenklinik/reproduktionsmedizin-und-gynaekologische-endokrinologie-rme/patienten-besucher/kinderwunsch/ ; Stand am 10.03.2021.

Universitätsspital Zürich USZ, Klinik für Reproduktions Endokrinologie: http://www.repro-endo.usz.ch/fachwissen/kinderwunsch-sterilitaet/Seiten/default.aspx ; Stand am 10.03.2021.

Bundesamt für Gesundheit, BAG: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/zahlen-und-statistiken/zahlen-fakten-zu-fortpflanzungsmedizin/medizinische-praxis-im-bereich-fortpflanzung.html ; Stand am 10.03.2021.

PID-Schweiz, Verbund universitärer IVF Zentren: https://pid-schweiz.ch/ Stand am 10.03.2021.