
Strafurteilsstatistik 2017–2019: Anwendungsrate der obligatorischen Landesverweisung
1 Das Wichtigste in Kürze
Seit 2017 publiziert das Bundesamt für Statistik (BFS) Daten zu den Landesverweisungen gemäss Artikel 66a und 66a bis StGB. Mittlerweile stehen Daten für drei Verurteilungsjahre zur Verfügung, was eine Datenmenge ergibt, die vertiefte Analysen insbesondere zur Anwendungsrate der obligatorischen Landesverweisung erlaubt.
Anhand von bi- und multivariaten Analysen wurde mit den über die drei Jahre kumulierten Daten gezeigt, welche Umstände dazu führen, dass eine obligatorische Landesverweisung ausgesprochen wird oder nicht.
Insbesondere die Schwere der abgeurteilten Katalogstraftat hat einen Einfluss darauf, ob eine Landesverweisung ausgesprochen wird. Je schwerwiegender die Straftat, umso grösser das Risiko, zu einer Landesverweisung verurteilt zu werden. Vergleicht man die Verurteilungen aufgrund eines Vergehens (mit einer Höchststrafe von 3 Jahren Freiheitsstrafe) mit denjenigen aufgrund eines schweren Verbrechens (mit einer Höchststrafe von 5 Jahren Freiheitsstrafe und einer Mindeststrafe), dann erhöht sich, dass das Risiko um fast das Achzigfache, dass eine Landesverweisung ausgesprochen wird.
Der Aufenthaltsstatus spielt auch eine Rolle bei der Entscheidung, eine Landesverweisung auszusprechen oder auf diese zu verzichten. Das Risiko ist am grössten, wenn die verurteilte Person keinen B- oder C-Ausweis besitzt. Im Vergleich zu den Niedergelassenen (C-Ausweis) erhöht sich das Risiko bei dieser Gruppe um ein Vierzehnfaches.
Für Verurteilungen mit Strafen bis zu 6 Monaten treffen Staatsanwaltschaften ebenfalls Entscheide über die Landesverweisung, indem sie mittels Strafbefehl auf eine Landesverweisung verzichten. Der Einfluss dieser Praxis auf die Anwendungsrate wurde untersucht. Zu diesem Zweck wurden die kantonalen Daten der Anwendungsrate der obligatorischen Landesverweisung und der Anteil Verzichte auf eine Landesverweisung mittels Strafbefehle miteinander verglichen. Es zeigt sich, dass einige Kantone, bei denen überdurchschnittlich viele Landesverweisungen bei Verurteilungen zu einer Strafe von bis zu 6 Monaten ausgesprochen wurden, seltener mittels Strafbefehl auf eine Landesverweisung verzichteten. Dieser Zusammenhang muss aber als sehr schwach eingestuft werden, da einige Kantone von diesem Muster abweichen.
Bisher war es nicht möglich, für alle Katalogstraftaten von Artikel 66a eine Anwendungsrate zu berechnen. Einige Katalogstraftaten konnten bei der Berechnung nicht berücksichtigt werden. Betroffen waren eine Straftatkombination und Straftaten, die nur in sehr konkreten Kontexten zu einer Katalogstraftat werden und nicht als solche im Strafregister und in der Strafurteilsstatistik identifiziert werden konnten. Nachdem die Erfassung im Strafregister 2019 angepasst wurde, lassen sich mittels Spezialcodes jetzt auch diese Straftaten als Katalogstraftaten identifzieren und können somit in die Berechnung der Anwendungsrate einfliessen. Entsprechend konnte für das Jahr 2019 erstmals eine Anwendungsrate für alle Katalogstraftaten berechnet werden. Diese liegt mit 58% unter der nach bisheriger Methode ermittelten Anwendungsrate (2019: 66%), da die neu mitberücksichtigten Straftaten (hauptsächlich Diebstahl in Verbindung mit Hausfriedensbruch) eine unterdurchschnittliche Anwendungsrate aufweisen.
2 Ausgangslage
2.1 Gesetzliche Ausgangslage
Im Rahmen der Umsetzung der an den Urnen angenommenen «Ausschaffungsinitiative Text der Initiative unter: https://www.bk.admin.ch/ch/d/pore/vi/vis357t.html . » wurde 2016 der Artikel 66a ins Strafgesetzbuch (StGB) aufgenommen. Er regelt die obligatorische Landesverweisung. Danach verweist das Gericht eine ausländische Person, die aufgrund einer im dortigen Straftatenkatalog (siehe Anhang 1) aufgeführten Straftaten verurteilt wird, unabhängig von der Höhe der ausgesprochenen Strafe für 5 bis 15 Jahre des Landes. Der Straftatenkatalog enthält hauptsächlich schwerwiegende Straftaten, die vom StGB als Verbrechen Gemäss Artikel 10 StGB sind Verbrechen Taten, die mit Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren bedroht sind. qualifiziert werden. Es sind aber auch einige wenige minderschwere Straftaten, d.h. Vergehen Gemäss Artikel 10 StGB sind Vergehen Taten, die mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bedroht sind. , auf der Liste.
Der oben erwähnte Artikel des StGB räumt dem Gericht die Möglichkeit ein, ausnahmsweise von einer obligatorischen Landesverweisung abzusehen, wenn diese für die ausländische Person einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde. Dies gilt gemäss StGB insbesondere bei Ausländern, die in der Schweiz geboren oder aufgewachsen sind (Art. 66a Abs. 2 StGB). Diese Regelung wird allgemein als Härtefallklausel bezeichnet.
Neben der obligatorischen Landesverweisung sieht das StGB in Artikel 66a bis auch eine nicht obligatorische Landesverweisung für eine Dauer von 3 bis 15 Jahren vor. Diese kann ausgesprochen werden, wenn eine ausländische Person aufgrund eines Verbrechens oder Vergehens, das nicht im Straftatenkatalog von Artikel 66a StGB aufgeführt ist, zu einer Strafe verurteilt oder gegen ihn eine Massnahme nach den Artikeln 59–61 oder 64 StGB angeordnet wird.
Die Bestimmungen zur obligatorischen und nicht obligatorischen Landesverweisung sind seit dem 1. Oktober 2016 in Kraft und können nur auf Straftaten angewendet werden, die ab diesem Zeitpunkt begangen wurden..
2.2 Statistische Grundlagen zur Berechnung
einer Anwendungsrate der obligatorischen
Landesverweisung
Die Strafurteilsstatistik des BFS wird anhand der Einträge der rechtskräftigen Verurteilungen in VOSTRA erstellt. Monatlich übermittelt das Bundesamt für Justiz (BJ) dem BFS die von den Kantonen neu eingetragenen Urteile. Neben den Angaben zur Verurteilung (Straftat und Sanktion) enthält das Strafregister auch Angaben zur verurteilten Person wie z. B. Alter, Geschlecht und Herkunftsland.
Die Landesverweisung wird zusammen mit den anderen Sanktionen (Strafen und Massnahmen) in VOSTRA eingetragen und ist somit Bestandteil der Strafurteilsstatistik. Jährlich bereitet das BFS die erhaltenen Daten auf und publiziert so unter anderem eine Tabelle zu den jährlich ausgesprochenen Landesverweisungen Tabelle zum Herunterladen unter: www.bfs.admin.ch → Statistiken finden → Kriminalität und Strafrecht → Strafjustiz → Sanktionen und Untersuchungshaft → Erwachsene: Verurteilungen und Verurteilte mit Landesverweisung . . Diese Tabelle enthält sowohl Angaben zur Art und Dauer der Landesverweisung als auch zu den Merkmalen der verurteilten Person wie Geschlecht, Alter und Aufenthaltsstatus.
Im Fall eines Verzichtes auf eine Landesverweisung durch das Gericht oder die Staatsanwaltschaft, ist dies nicht direkt aus dem Strafregistereintrag ersichtlich Seit dem ersten Januar 2019 haben die kantonal zuständigen Stellen die Möglichkeit, die Anwendung der Härteklausel im Strafregister zu erfassen. Dies kann aber nur geschehen, wenn diese im Urteilsdispositiv explizit erwähnt wird. , da nur effektiv ausgesprochene Sanktionen eingetragen werden.
Diese Anwendungspraxis der obligatorischen Landesverweisung stösst hingegen in der Öffentlichkeit auf grosses Interesse. Besonders gewünscht werden Angaben, wie häufig eine obligatorische Landesverweisung bei einer Verurteilung aufgrund einer Katalogstraftat tatsächlich ausgesprochen bzw. wie häufig darauf verzichtet wurde. Da aus dem Strafregister und somit aus der Strafurteilsstatistik nicht ersichtlich ist, wann auf die Verhängung der eigentlich «obligatorisch» auszusprechenden Landesverweisung verzichtet wurde, hat das BFS im Jahr 2018 eine Berechnungsmethode für eine Anwendungsrate der obligatorischen Landesverweisung ausgearbeitet.
Dazu mussten in der Strafurteilsstatistik alle Verurteilungen identifiziert werden, die eigentlich eine obligatorische Landesverweisung enthalten müssten. In einem ersten Schritt galt es, alle Strafurteile von ausländischen Personen mit einer ab dem 1.10.2016 begangenen Katalogstraftat aus der Datensammlung herauszufiltern. Für die Datenjahre bis und mit 2018 war dies aber mit der damaligen Datenbank des schweizerischen zentralen Strafregisters (VOSTRA) nicht flächendeckend möglich. Im Strafregister werden Straftaten nur gemäss den Artikeln, Absätzen und Ziffern des jeweiligen Gesetzes registriert. Der Straftatenkatalog von Artikel 66a StGB bezieht sich aber auch auf die Straftatenkombination «Diebstahl in Zusammenhang mit Hausfriedensbruch». Das Strafregister und somit die Strafurteilsstatistik enthielten keinen spezifischen Code für diese Straftatenkombination. Es wurden beide Straftatbestände einzeln mit dem jeweiligem Begehungsdatum erfasst, ohne dass ein Zusammenhang zwischen den beiden Straftaten ersichtlich war. Aus diesem Grund wurde entschieden, diese Straftatenkombination bei der Berechnung der Anwendungsrate nicht zu berücksichtigen.
Zudem enthält der Straftatenkatalog von Artikel 66a StGB auch den einfachen Betrug (Buchstaben e und f), der nur in einem bestimmten Kontext zu einer Katalogstraftat wird. Nur wenn dieser im Rahmen von Sozialleistung oder einer öffentlich-rechtlichen Abgabe begangen wird, handelt es sich um eine Katalogstraftat. Da das Strafregister keine Informationen zum konkreten Kontext der Straftat enthält, wurde auch hier entschieden, den einfachen Betrug bei der Berechnung der Anwendungsrate nicht zu berücksichtigen.
Die so berechnete Anwendungsrate Verurteilungen aufgrund einer Katalogstraftat nach Artikel 66a StGB, die mit einer nicht obligatorischen Landesverweisung abgeurteilt wurden, wurden statistisch zu den Verurteilungen zu einer obligatorischen Landesverweisung gezählt. belief sich für die Jahre 2017, 2018 und 2019 auf durchschnittlich 69%. 2017: 69%; 2018: 71%; 2019: 66% Diese Anwendungsrate lässt sich nicht mit der Anwendungsrate der Härtefallklausel gleichstellen, da über den Grund des Verzichts auf die Landesverweisung keine Angaben gemacht werden können.
Die Details zur Berechnungsmethode sind der BFS-Publikation «Landesverweisungen in der Strafurteilsstatistik» vorgestellt. Landesverweisungen in der Strafurteilsstatistik, Neuchâtel. 2018 (www.bfs.admin.ch → Statistiken finden → Kriminalität und Strafrecht → Strafjustiz → Verurteilungen → Landesverweisungen in der Strafurteilsstatistik ).
Anfang 2019 hat das BJ mittels neuer Straftatencodes im Strafregister die Möglichkeit geschaffen, alle Katalogstraftaten so zu erfassen, dass sie in der Statistik eindeutig als solche identifiziert werden können. Damit wird es möglich, die Anwendungsrate der obligatorischen Landesverweisung umfassend abzubilden. Unter Punkt 6 werden die Details dieser neuen Erfassungsmöglichkeiten und die Ergebnisse dargestellt.
In den nachfolgenden Analysen wurden diese neuen Straftatencodes nicht berücksichtigt. Um eine für statistische Analysen genügend grosse Anzahl Fälle zu erhalten, mussten alle bisher zur Verfügung stehenden Jahre (2017–2019) verwendet werden. Da die Anwendungsrate auch von der abzuurteilenden Straftat abhängt, musste für die Vergleichbarkeit sichergestellt werden, dass der Straftatenkatalog für alle Jahre derselbe ist. Dies ist nur möglich, indem die Straftaten mit den neuen spezifischen Codes nicht berücksichtigt wurden.
3 Analyse der Anwendungsraten
Neben einer gesamthaft berechneten Anwendungsrate hat das BFS diese auch nach unterschiedlichen Merkmalen der Person oder der Verurteilung ausgewertet. Es zeigten sich je nach Geburtsort, Herkunftsland und Aufenthaltsstatus unterschiedliche Anwendungsraten. Aber auch die Straftat, die Art und die Dauer der parallel ausgesprochenen Strafe ergaben je nach Ausprägung nicht dieselben Anwendungsraten. Die differenzierten Auswertungen wurden in deskriptiven Tabellen im Internet publiziert www.bfs.admin.ch → Statistiken finden → Kriminalität und Strafrecht → Strafjustiz → Sanktionen und Untersuchungshaft . und liefern somit einen ersten Hinweis darauf, welche persönlichen Merkmale, begangenen Straftaten und ausgesprochenen Strafen das Risiko einer Landesverweisung für die verurteilte Person erhöhen oder verringern. Ziel der vorliegenden Publikation ist es, die Ergebnisse der deskriptiven Tabellen um bi- und multivariate Analysen zu ergänzen.
Dabei geht es darum, mit den in der Statistik zur Verfügung stehenden Daten diejenigen Faktoren zu identifizieren, die das Risiko einer Landesverweisung für die verurteilte Person beeinflussen und für jeden Faktor genau zu berechnen, wie gross dieser Einfluss ist.
Die Merkmale, die zu unterschiedlichen Anwendungsraten führen, erlauben eine Gruppierung, die als strukturierendes Element dieser Publikation dient.
– In einem ersten Teil wird auf die persönlichen Merkmale der Person eingegangen. Diese werden vom Gesetzgeber teilweise explizit als Umstände erwähnt, die zu einem Verzicht auf die Landesverweisung führen können. Bei der sogenannten Härtefallklausel geht es gemäss Artikel 66aAbs.2 StGB um den Umstand, dass die verurteilte Person in der Schweiz geboren und/oder hier aufgewachsen ist.
– In einem zweiten Teil werden die unterschiedlichen Anwendungsraten je nach Schwere der abgeurteilten Straftat untersucht. In diesem Zusammenhang wird auch der Einfluss der ausgesprochenen Strafe auf das Risiko einer Landesverweisung geprüft.
– In einem dritten Teil wird die Tatsache untersucht, dass Verfahren, bei denen gemäss Art. 66aStGB eine obligatorische Landesverweisung infrage kommt, auch mittels Strafbefehl – also von den Staatsanwaltschaften und nicht von einem Gericht – erledigt werden und inwieweit diese Praxis einen Einfluss auf die Höhe der Anwendungsrate hat.
3.1 Unterschiedliche Anwendungsrate:
Merkmale der verurteilten Person
Nach Artikel 66a StGB sind der Geburtsort Schweiz und das Aufwachsen in der Schweiz mögliche Gründe für einen Verzicht auf die Landesverweisung. In wie weit sich diese Regelung in den Zahlen der Strafurteilsstatistik niederschlägt, wird anhand des Geburtsortes und des Aufenthaltsstatus geprüft.
Da gemäss dem Freizügigkeitsabkommen Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (SR 0.142.112.681). (FZA) die Freizügigkeit nur eingeschränkt werden darf, wenn dies aus Gründen der öffentlichen Ordnung, der Sicherheit und der Gesundheit gerechtfertigt ist (Artikel 5 Absatz 1 Anhang I FZA), wurde auch untersucht, inwieweit ausländische Personen aus Ländern, die dem Abkommen angehören, weniger häufig des Landes verwiesen werden als solche aus anderen Ländern.
Die Strafurteilsstatistik enthält auch Angaben zum Alter und zum Geschlecht der Person. Da weder die unterschiedlichen Altersklassen noch die Geschlechter Unterschiede bei der Anwendungsrate zeigen Auswertungen zu diesen Variablen sind in der Tabelle unter folgendem Link zu finden: https: www.bfs.admin.ch → Statistiken finden → Kriminalität und Strafrecht → Strafjustiz → Sanktionen und Untersuchungshaft . , wird hier nicht mehr näher auf diese Merkmale eingegangen.
3.1.1 Geburtsort
Die Strafurteilsstatistik enthält Angaben zum Geburtsort der verurteilten Person Fehlende Werte wurden als Geburtsort Ausland interpretiert. . Aufgrund einer im Straftatenkatalog von Artikel 66a StGB aufgeführten Tat wurde nur eine kleine Minderheit aller ausländischen Verurteilten in der Schweiz geboren (5%). Diese weisen eine sehr niedrige Anwendungsrate der obligatorischen Landesverweisung (11%) auf. Für die verurteilten Personen mit Geburtsort Ausland liegt der Anteil Verurteilungen mit Landesverweisung bei 72% (T1).
Landesverweisung nach Geburtsort (2017, 2018, 2019)T1
Geburtsort | Landesverweisung | ||
---|---|---|---|
nein | ja | ||
Schweiz | N | 218 | 27 |
% | 88,98 | 11,02 | |
Ausland | N | 1 265 | 3 226 |
% | 28,17 | 71,83 | |
Total | N | 1 483 | 3 253 |
% | 31,31 | 68,69 |
Chi2=399,4627; p=
<,0001
Phi=0,2904; p=0,0132
Quellen: BFS – Strafurteilsstatistik (SUS)
© BFS 2020
Es besteht ein statistisch signifikanter Zusammenhang, der als moderat eingestuft werden kann Die Beurteilung der Stärke der Abhängigkeit orientiert sich an den Vorgaben von Cohen: Cohen, Jacob (1988). Statistical Power Analysis for the Behavioral Sciences. Routledge, S.284ff. . Die Tatsache, in der Schweiz geboren zu sein, senkt das Risiko einer Landesverweisung bei einer Verurteilung aufgrund einer Katalogstraftat massgeblich.
3.1.2 Aufenthaltsstatus
Ob eine Person in der Schweiz aufgewachsen ist, kann der Strafurteilstatistik nicht entnommen werden. Es ist nur möglich zu identifizieren, welchen Aufenthaltsstatus eine verurteilte Person hat, und dies lässt insbesondere bei den Niedergelassenen auf einen längerfristigen Verbleib in der Schweiz schliessen. Bei Personen, die eine Niederlassungsbewilligung (C-Ausweis) haben, liegt die Anwendungsrate der obligatorischen Landesverweisungen bei 19%. Für Personen mit einer Aufenthaltsbewilligung (B-Ausweis) liegt sie bei 35% und für alle anderen ausländischen Personen bei 87% (T2).
Anteil Landesverweisung nach Aufenthaltsstatus der verurteilten Person (2017, 2018, 2019)T2
Aufenthaltsstatus der verurteilten Person |
Landesverweisung | ||
---|---|---|---|
nein | ja | ||
Ausländer/innen mit C- Ausweis | N | 699 | 160 |
% | 81,37 | 18,63 | |
Ausländer/innen mit B - Ausweis | N | 351 | 186 |
% | 65,36 | 34,64 | |
Übrige Ausländer/innen | N | 433 | 2 907 |
% | 12,96 | 87,04 | |
Total | N | 1 483 | 3 253 |
% | 31,31 | 68,69 |
Chi2=1813,1978; p=
<,0001
Somers' D R|C=0,617; p=0,0131
Quellen: BFS – Strafurteilsstatistik (SUS)
© BFS 2020
Die Ergebnisse zeigen, dass das Risiko einer Landesverweisung für Personen, die sich längerfristig in der Schweiz aufhalten, niedriger ist. Am höchsten ist das Risiko für solche Personen, die nicht zur Wohnbevölkerung gehören. Dieser Zusammenhang ist statistisch signifikant und kann als stark eingestuft werden.
3.1.3 Herkunftsland
Ein weiteres Element, dass die Anwendung der obligatorischen Landesverweisung beeinflusst, ist die Tatsache, dass die verurteilte Person aus einem Land kommt, das Teil des Freizügigkeitsabkommens ist. Die Auswertungen gelten auch für die Personen aus der EU, da sich beide Staatengemeinschaften sich fast völlig überschneiden. Es ist noch nicht abschliessend geklärt, ob Personen aus einem dieser Länder zu einer Landesverweisung verurteilt werden können, auch wenn sie die Sicherheit der Schweiz nicht gefährden.
Schaut man sich die bisherige Praxis an, zeigt sich bei den Personen aus Ländern, die dem Freizügigkeitsabkommen angehören, eine Anwendungsrate, die mit 56% unter dem Durchschnitt (69%) liegt (T3).
Anteil Landesverweisung nach Herkunft der verurteilten Person (2017, 2018, 2019)T3
Verurteilte/r kommt aus einem Land, das Teil des Freizügigkeitsabkommens ist: | Landesverweisung | ||
---|---|---|---|
nein | ja | ||
Ja | N | 768 | 990 |
% | 43,69 | 56,31 | |
Nein | N | 715 | 2 263 |
% | 24,01 | 75,99 | |
Total | N | 1 483 | 3 253 |
% | 31,31 | 68,69 |
Chi2=198,9896; p=
<,0001
Phi=0,205; p=0,0147
Quellen: BFS – Strafurteilsstatistik (SUS)
© BFS 2020
Der Unterschied zwischen den Anwendungsraten der Landesverweisung fällt hier geringer aus, als bei anderen Variablen. Zudem spielt das Herkunftsland (Teil des Freizügigkeitsabkommen oder nicht) nur eine Rolle, wenn es sich um Personen handelt, die sich nicht längerfristig in der Schweiz aufhalten. Verfügt die verurteilte Person über einen B- oder C-Ausweis, dann hat das Herkunftsland (Teil des Freizügigkeitsabkommens oder nicht) keinen Einfluss auf die Anwendungsrate (T4).
Anteil Landesverweisung nach Herkunft der verurteilten Person und Aufenthaltsstatus (2017, 2018, 2019)T4
Verurteilte/r kommt aus einem Land, das Teil des Freizügigkeitsabkommens ist: | mit B- oder C- Ausweis1 | ohne B- oder C- Ausweis2 | |||
---|---|---|---|---|---|
Landesverweisung | Landesverweisung | ||||
nein | ja | nein | ja | ||
Ja | N | 558 | 175 | 210 | 815 |
% | 76,13 | 23,87 | 20,49 | 79,51 | |
Nein | N | 492 | 171 | 223 | 2 092 |
% | 74,21 | 25,79 | 9,63 | 90,37 | |
Total | N | 1 050 | 346 | 433 | 2 907 |
% | 75,21 | 24,79 | 12,96 | 87,04 |
1Kein statistische signifikanter Zusammenhang
2Chi2=74,1901; p=
<,0001
Phi=0,149; p=0,0187
Quellen: BFS – Strafurteilsstatistik (SUS)
© BFS 2020
Auch hier besteht ein statistisch signifikanter Zusammenhang, der als schwach eingestuft werden kann. Aus einem Land zu kommen, das dem Freizügigkeitsabkommen angehört, erhöht das Risiko, zu einer Landesverweisung verurteilt zu werden, wenn die verurteilte Person keinen B- oder C- Ausweis hat.
Abschliessend kann gesagt werden, dass die persönlichen Merkmale der verurteilen Person einen Einfluss auf das Risiko haben, zu einer Landesverweisung verurteilt zu werden. Besonders ausgeprägt ist der Einfluss des Geburtsortes und des Aufenthaltsstatus.
Alle drei bisher berücksichtigten Variablen sind voneinander abhängig. Fast alle Personen, die in der Schweiz geboren wurden, haben einen B- oder C- Ausweis. Auch Personen aus Ländern, die zum Freizügigkeitsabkommen gehören, haben vermehrt einen B- oder C-Ausweis. Es kann also gut sein, dass es hauptsächlich der Aufenthaltsstatus ist, der das Risiko einer Landesverweisung beeinflusst, oder, um es anders auszudrücken, dass in der Schweiz geborene Personen nur nicht ausgewiesen werden, weil sie einen C-Ausweis besitzen. Auch wenn eine statistische Abhängigkeit zwischen Geburtsort Schweiz und der Tatsache, zu einer Landesverweisung verurteilt zu werden, besteht, kann diese folglich auf die Drittvariable «Aufenthaltsstatus» zurückzuführen sein.
Anhand eines Regressionsmodells muss geprüft werden, welche Variablen den stärksten Einfluss haben. Dies muss nicht immer unbedingt diejenige sein, die bei den bivariaten Analysen, wie sie weiter oben präsentiert wurden, die stärkste Abhängigkeit zeigt. Die Berechnung des Modells wird erst vorgenommen, wenn auch die Merkmale der Verurteilung analysiert wurden.
3.2 Unterschiedliche Anwendungsrate: ausgesprochene Strafe, Schwere und Art der Straftat
3.2.1 Ausgesprochene Strafe
Aus Tabelle 4 ist ersichtlich, dass bei einer Verurteilung zu einer Geldstrafe sehr selten eine Landesverweisung ausgesprochen wird (4%). Viel höher liegt der Anteil bei den Freiheitsstrafen (84%). Bei letzteren zeigt sich zudem, dass mit steigender Dauer der Freiheitsstrafe auch der Anteil ausgesprochener Landesverweisungen zunimmt www.bfs.admin.ch → Statistiken finden → Kriminalität und Strafrecht → Strafjustiz → Sanktionen und Untersuchungshaft → Erwachsene: Verurteilungen aufgrund von Straftaten nach Art. 66a StGB, mit und ohne Landesverweisung, nach Sanktionsart, Straftat und Aufenthaltsstatus . . Dieser steigt von 34% bei den Urteilen mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 6 Monaten auf 87% bei Strafurteilen mit einer Freiheitsstrafe von über 6 Monaten (T5).
Anteil Landesverweisung nach Art und Dauer der Strafe (2017, 2018, 2019)T5
Landesverweisung | |||
---|---|---|---|
nein | ja | ||
Geldstrafe | N | 842 | 32 |
% | 96,34 | 3,66 | |
Freiheitsstrafe bis 6 Monate | N | 154 | 80 |
% | 65,81 | 34,19 | |
Freiheitsstrafe über 6 Monate | N | 481 | 3 139 |
% | 13,29 | 86,71 | |
Total | N | 1 477 | 3 251 |
% | 31,24 | 68,76 |
Chi2=2397,6622; p=
<,0001
Somers' D R|C=0,6529; p=0,0126
Quellen: BFS – Strafurteilsstatistik (SUS)
© BFS 2020
Es zeigt sich hier eine statistisch signifikante Abhängigkeit, die als stark eingestuft werden kann.
Die ausgesprochene Strafe steht hier aber stellvertretend für die Schwere der Straftat und die anderen Umstände, die die Strafart und das Strafmass bestimmen. Die Strafurteilsstatistik enthält nicht zu allen diesen Umständen Daten.
3.2.2 Schwere der Straftat
Da die ausgesprochene Strafe massgeblich von der Schwere der Straftat abhängt, wurde die Abhängigkeit der Anwendungsrate zur Schwere der abgeurteilten Straftat untersucht. Dazu wurde die Schwere der begangenen Straftat in einer Variablen kodiert. Es wurde zunächst zwischen Vergehen und Verbrechen unterschieden, anschliessend wurden innerhalb der Verbrechen anhand der abstrakten Strafandrohung im Strafgesetzbuch drei weitere Kategorien gebildet: die Verbrechen mit einer Höchststrafe von bis zu 5 Jahren, solche mit einer Höchststrafe von über 5 Jahren ohne Mindeststrafe und, als letzte Kategorie, solche, für die eine Höchststrafe von über 5 Jahren und eine Mindeststrafe vorgesehen ist. Diese Klassifizierung wurde nur für die Straftaten des Deliktskatalogs von Artikel 66a StGB vorgenommen. Bei der Beurteilung der Ergebnisse muss berücksichtigt werden, dass auch andere Straftaten im gleichen Urteil abgeurteilt werden können.
Bei Verurteilungen aufgrund eines Vergehens beträgt die Anwendungsrate 3%. Auch bei den Verbrechen mit einer Strafandrohung bis zu 5 Jahren liegt die Anwendungsrate mit knapp 21% weit unter dem Durchschnitt. Am höchsten ist sie bei den schwersten Straftaten (86%), d.h. bei den Verbrechen mit einer Mindeststrafe und einer Höchststrafe von über 5 Jahren (T6). Es zeigt sich also, dass mit zunehmender Schwere der zu beurteilenden Straftat die Bereitschaft steigt, eine Landesverweisung auszusprechen.
Anteil Landesverweisung nach Dauer angedrohten Freiheitsstrafe (2017, 2018, 2019)T6
Angedrohtes Strafmass | Landesverweisung | ||
---|---|---|---|
nein | ja | ||
maximal bis 3 Jahre (Vergehen) | N | 306 | 8 |
% | 97,45 | 2,55 | |
maximal bis 5 Jahre | N | 434 | 112 |
% | 79,49 | 20,51 | |
maximal über 5 Jahre ohne Mindeststrafe | N | 469 | 1 396 |
% | 25,15 | 74,85 | |
maximal über 5 Jahre mit Mindeststrafe | N | 274 | 1 737 |
% | 13,63 | 86,37 | |
Total | N | 1 483 | 3 253 |
% | 31,31 | 68,69 |
Chi2=1553,2552; p=
<,0001
Somers' D R|C=0,5581; p=0,0148
Quellen: BFS – Strafurteilsstatistik (SUS)
© BFS 2020
Die hier aufgezeigte Abhängigkeit zwischen Schwere der Straftat und Anordnung einer Landesverweisung ist aber nicht so stark wie diejenige, die weiter oben zwischen Art und Dauer der effektiv ausgesprochenen Strafe und Anordnung einer Landesverweisung berechnet wurde. Hier gilt es zu berücksichtigen, dass die Strafart und/oder das Strafmass neben der Schwere der Straftat auch von anderen Umständen, wie z. B. dem Aufenthaltsstatus, beeinflusst wird. In diesem Sinne werden Personen mit B- oder C- Ausweis sehr viel häufiger zu einer Geldstrafe verurteilt Details dazu unter: www.bfs.admin.ch → Statistiken finden → Kriminalität und Strafrecht → Strafjustiz → Sanktionen und Untersuchungshaft → Erwachsene: Verurteilungen für ein Vergehen oder Verbrechen nach Hauptstrafe, Geschlecht, Alter und Staatszugehörigkeit, nach Jahr . als die anderen ausländischen Verurteilten. Berücksichtigt man, dass eine fehlende längerfristige Aufenthaltserlaubnis das Risiko, zu einer Landesverweisung verurteilt zu werden, erhöhen, vereint die ausgesprochene Strafe sowohl den Einfluss der Schwere der Straftat als auch den des Aufenthaltsstatus.
Schliesslich weisen die Zahlen darauf hin dass sich sowohl die Art und Höhe der Strafe als auch der Entscheid, eine Landesverweisung auszusprechen, an denselben Kriterien orientieren, d.h. im Wesentlichen an der Schwere der Straftat, aber auch am Aufenthaltsstatus. Dies erklärt somit auch den starken statistischen Zusammenhang.
Im Rahmen der logistischen Regression wird aus diesem Grund die Variable «Schwere der Straftat» der Variable «Art und Dauer der Strafe» vorgezogen.
3.2.3 Art der Straftat
Es gibt zwei Straftaten, die nicht nur einen Grossteil der Verurteilungen betreffen, sondern auch sehr häufig mit einer Landesverweisung geahndet werden. Es handelt sich um den schweren Betäubungsmittelhandel und den qualifizierten Diebstahl, die in 65% aller hier berücksichtigten Verurteilungen abgeurteilt werden. In 86% der Verurteilungen mit einer solchen Straftat wird eine Landesverweisung ausgesprochen (T7).
Anteil Landesverweisung nach Straftat (2017, 2018, 2019)T7
Schwerer Betäubungsmittelhandel oder qualifizierter Diebstahl | Landesverweisung | ||
---|---|---|---|
nein | ja | ||
Ja | N | 418 | 2 676 |
% | 13,51 | 86,49 | |
Nein | N | 1 065 | 577 |
% | 64,86 | 35,14 | |
Total | N | 1 483 | 3 253 |
% | 31,31 | 68,69 |
Chi2=1315,1015; p=
<,0001
Phi=0,527; p=0,0131
Quellen: BFS – Strafurteilsstatistik (SUS)
© BFS 2020
Es zeigt sich ein statistisch signifikanter Zusammenhang, der als stark eingestuft werden kann. Weiterführende Analysen haben gezeigt, dass der Einfluss der Straftatenart an sich nicht so gross ist und hier auch zum Teil der Einfluss des Aufenthaltsstatus mit einfliesst. Bei den aufgrund dieser Straftaten verurteilten Personen handelt es sich hauptsächlich um Personen, die keinen B- oder C- Ausweis für die Schweiz besitzen Details dazu unter: www.bfs.admin.ch → Statistiken finden → Kriminalität und Strafrecht → Strafjustiz → Verurteilte Personen → Erwachsene und Jugendliche: Verurteilungen und Verurteilte für ein Vergehen oder Verbrechen nach den Artikeln des Strafgesetzbuches (StGB), nach Jahr (2008–2018) . www.bfs.admin.ch → Statistiken finden → Kriminalität und Strafrecht → Strafjustiz → Verurteilte Personen → Erwachsene und Jugendliche: Verurteilungen und Verurteilte aufgrund Art. 19 des Betäubungsmittelgesetzes (BetmG), nach Straftat und Verurteilungsjahr . und allgemein häufiger mit einer Landesverweisung belegt werden.
4 Multivariate Analysen: Regressionsmodell
Die bivariaten Analysen konnten mehrere Variablen identifiziert werden, die das Risiko einer Landesverweisung im Rahmen einer Verurteilung erhöhen oder verringern. Diese Variablen sind aber teilweise voneinander abhängig oder beziehen sich auf denselben Sachverhalt Mögliche Probleme von Multikollinearität konnten aber ausgeschlossen werden. . Aus diesem Grund wurde eine logistische Regression berechnet, die unter Berücksichtigung aller Variablen den Einfluss verschiedener Ausprägung auf das Risiko einer Landesverweisung vergleicht.
Dazu wurden alle Variablen, die im Rahmen der bivariaten Analysen einen statistisch signifikanten Einfluss aufweisen, in das Modell aufgenommen. Schrittweise werden diejenigen ausgeschlossen, die im Zusammenspiel mit den anderen Variablen ihren Einfluss auf das Risiko einer Landesverweisung verlieren. Im endgültigen Modell bleiben nur diejenigen übrig, die einen eigenen Einfluss auf das Risiko haben, zu einer Landesverweisung verurteilt zu werden.
Tabelle 8 listet die Einflussfaktoren auf, die statistische signifikant sind. In der Spalte «Odds Ratio» wird jeweils das Risiko, dass eine Landesverweisung ausgesprochen wird, von zwei Ausprägungen der untersuchten Variablen verglichen. In diesem Sinne zeigt die erste Zeile, dass bei einer Verurteilung aufgrund einer Straftat mit einer Strafandrohung von bis zu 5 Jahren das Risiko einer Verurteilung zu einer Landesverweisung 8,8-mal höher ist, als bei einer Verurteilung aufgrund einer Straftat mit einer maximalen Strafandrohung von 3 Jahren. Die Odds-Ratio beziffert nicht das Risiko einer Verurteilung zu einer Landesverweisung pro Ausprägung der Variablen (z. B. der im Ausland Geborenen). Sie vergleicht lediglich die Wahrscheinlichkeit einer Landesverweisung bei den Verurteilungen, die aufgrund eines Vergehens (Freiheitsstrafe bis 3 Jahre) ergangen sind, mit derjenigen bei Verurteilungen, die aufgrund eines Verbrechen mit einer Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren ergangen sind. Je seltener eine Landesverweisung bei der Referenzgruppe – hier die Verurteilungen aufgrund eines Vergehens – umso höher kann die Odds-Ratio in den Vergleichsgruppen ausfallen.
Es zeigt sich, dass insbesondere die Schwere der Straftat eine sehr grosse Rolle spielt. Wie bereits weiter oben ausgeführt, erhöht sich bei Straftaten mit einer maximalen Strafandrohung von 5 Jahren das Risiko einer Verurteilung zu einer Landesverweisung um das 8,8-fache im Vergleich zu einer Verurteilung aufgrund eines Vergehens (Strafandrohung bis 3 Jahre Freiheitsstrafe). Handelt es sich um ein besonders schweres Verbrechen mit einer Strafandrohung von über 5 Jahren und einer Mindeststrafe, erhöht sich das Risiko um das 79,7-fache im Vergleich zu einer Verurteilung aufgrund eines Vergehens.
Aber auch der Aufenthaltsstatus spielt eine wichtige Rolle. Zwar ist das Risiko für Personen mit B- Ausweis nur 2,3-mal so gross wie für Inhaber eines C- Ausweises, es ist aber 14,5-mal grösser für eine Person ohne B- oder C- Ausweis. Andere Variablen haben gemäss Modell einen eher geringeren Einfluss, wir z. B. auch die Tatsache, einen schweren Betäubungsmittelhandel oder einen qualifizierten Diebstahl begangen zu haben.
Logistisches Regressionsmodell zum Risiko einer Landesverweisung bei Verurteilung (2017, 2018, 2019)T8
Regressionskoeffizient | Standardfehler | Wald-Test | p-Wert | Odds ratio | Konfidenzintervall –95% | Ergebnis | ||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Höhe der maximalen Strafandrohung | ||||||||
bis 5 Jahre vs. bis 3 Jahre | 2,2 | 0,4 | 31,9 | <,0001 | 8,8 | 4,1 | 18,8 | Bei einer Verurteilung aufgrund einer Katalogstraftat (Art. 66a StGB) mit einer maximalen Strafdrohung von bis zu 5 Jahren ist das Risiko einer Landesverweisung 8.8 Mal höher als, wenn es sich um eine Katalogstraftat (Art. 66a StGB) mit einer maximalen Strafdrohung von bis zu 3 Jahren handelt. |
über 5 Jahre mit Mindeststrafe vs. bis 3 Jahre |
3,6 | 0,4 | 93,0 | <,0001 | 38,2 | 18,2 | 80,0 | Bei einer Verurteilung aufgrund einer Katalogstraftat (Art. 66a StGB) mit einer maximalen Strafdrohung von über 5 Jahren ohne Mindeststrafe ist das Risiko einer Landesverweisung 38,2 Mal höher als, wenn es sich um eine Katalogstraftat (Art. 66a StGB) mit einer maximalen Strafdrohung von bis zu 3 Jahren handelt. |
über 5 Jahre mit Mindeststrafe vs. bis 3 Jahre |
4,4 | 0,4 | 126,1 | <,0001 | 79,7 | 37,1 | 171,1 | Bei einer Verurteilung aufgrund einer Katalogstraftat (Art. 66a StGB) mit einer maximalen Strafdrohung von über 5 Jahren mit Mindeststrafe ist das Risiko einer Landesverweisung 79,7 Mal höher als, wenn es sich um eine Katalogstraftat (Art. 66a StGB) mit einer maximalen Strafdrohung von bis zu 3 Jahren handelt. |
Aufenthaltstatus | ||||||||
B-Ausweis vs C-Ausweis | 0,9 | 0,2 | 30,4 | <,0001 | 2,3 | 1,7 | 3,2 | Wird eine ausländische Person mit B-Ausweis aufgrund einer Katalogstraftat verurteilt, ist das Risiko einer Landesverweisung 2,3 Mal höher als bei einer ausländischen Person mit einem C-Ausweis. |
Andere Ausländer vs C-Ausweis | 2,7 | 0,1 | 444,4 | <,0001 | 14,5 | 11,3 | 18,6 | Wird eine ausländische Person ohne B- oder C-Ausweis aufgrund einer Katalogstraftat verurteilt, ist das Risiko einer Landesverweisung 14,5 Mal höher als bei einer ausländischen Person mit einem C-Ausweis. |
Geburtsort | ||||||||
Ausland vs Schweiz | 1,4 | 0,2 | 35,9 | <,0001 | 4,2 | 2,6 | 6,7 | Wird eine ausländische Person, die im Ausland geboren wurde, aufgrund einer Katalogstraftat verurteilt, ist das Risiko einer Landesverweisung 4,2 Mal höher als bei einer ausländischen Person, die in der Schweiz geboren wurde. |
Straftatentyp | ||||||||
Betmg – Handel (schwer) oder qualifizierter Diebstahl vs «andere Straftaten» | 0,7 | 0,1 | 38,2 | <,0001 | 2,1 | 1,6 | 2,6 | Bei einer Verurteilung aufgrund eines schweren Betäubungsmittelhandels oder eines quilifizierten Diebstahls ist das Risiko einer Landesverweisung 2,1 Mal höher als bei den restlichen Katalogstraftaten. |
Person aus Land mit Freizügigkeitabkommen | ||||||||
nein vs ja | 0,3 | 0,1 | 7,8 | 0,0053 | 1,3 | 1,1 | 1,6 | Wird eine ausländische Person mit einer Nationalität eines Landes, welches nicht Teil des Freizügigkeitsabkommens ist, ist das Risiko einer Landesverweisung 1.3 Mal höher als bei einer ausländischen Person mit einer Nationalität eines Landes, welches Teil des Freizügigkeitsabkommens ist. |
Konstante | -6,5 | 0,4 | 227,5 | <,0001 |
Quellen: BFS – Strafurteilsstatistik (SUS)
© BFS 2020
5 Der Einfluss der Strafbefehle
auf die Anwendungsrate
Die Tatsache, dass Verfahren, bei denen gemäss Art. 66a StGB eine obligatorische Landesverweisung infrage kommt, auch mittels Strafbefehl erledigt werden und die Verfahren nicht immer an die Gerichte weitergeleitet werden, wurde des Öfteren als Grund für die teilweise niedrigen Anwendungsraten in einigen Kantonen angeführt. Bei der Beurteilung dieser Aussage muss bedacht werden, dass es sich bei den meisten Straftaten von Artikel 66a StGB um derart schwere Straftatbestände handelt, dass eine Verurteilung mittels Strafbefehl aus rechtlichen Gründen gar nicht möglich ist. Gemäss Artikel 352 Absatz 1 der Strafprozessordnung (StPO) kann eine Staatsanwaltschaft nur per Strafbefehl entscheiden, wenn die zu erwartende Strafe höchstens 6 Monate beträgt. Bei der Untersuchung des Einflusses dieser Vorgehensweise dürfen somit nur Verurteilungen berücksichtigt werden, die eine Strafe mit einer Dauer von bis zu 6 Monaten aufweisen. Es handelt sich um 23% der Verurteilungen. Der mögliche Einfluss der Verwendung von Strafbefehlen auf die gesamte Anwendungsrate kann somit bereits aus diesem Grund als nicht sehr gross eingestuft werden.
Für die ganze Schweiz liegt die Anwendungsrate gemäss Tabelle 9 bei den Verurteilungen mit einer Strafe von bis 6 Monaten bei 9%. Für die restlichen Urteile beträgt die Anwendungsrate bei 86%.
Bei den mittels Strafbefehl geahndeten Sachverhalten handelt es sich eher um minderschwere Straftaten. Es stellt sich hier die Frage, ob es die entscheidenden Staatsanwaltschaften sind, die die Anwendungsrate so niedrig ausfallen lassen, oder ob, wie weiter oben, aufgeführt die verminderte Schwere der Straftaten der Grund dafür ist, dass eine Landesverweisung bei Verurteilungen bis zu 6 Monaten sehr selten ausgesprochen wird.
Erledigungsart nach Dauer der Strafe und AnwendungsrateT9
Total | nach Erledigungsart | |||||
---|---|---|---|---|---|---|
Gerichtsurteil | Strafbefehl | |||||
N | Anteil mit LV | N | Anteil mit LV | N | Anteil mit LV | |
Strafen zu bis 6 Monaten | 1 067 | 9% | 223 | 45% | 844 | 0% |
Strafen zu mehr als 6 Monaten | 3 661 | 86% | 3 661 | 86% | 0 | * |
Quellen: BFS – Strafurteilsstatistik (SUS)
© BFS 2020
Um dies zu berurteilen, muss neben der Anwendungsrate auch berechnet werden, wie hoch in diesem Bereich der Anteil Strafbefehle ist. Dazu wurde bei allen Verurteilungen zu einer Strafe bis 6 Monaten ohne Landesverweisung berechnet, wie viele dieser Entscheide mittels Strafbefehl ergingen. Insgesamt liegt dieser Anteil schweizweit bei 87%. Es ist also sehr verbreitet, dass auch die Staatsanwaltsschaft auf die Landesverweisung verzichtet.
Da im Bereich der Verurteilungen zu einer Strafe bis zu 6 Monaten sowohl bei der Anwendungsrate als auch beim Anteil der durch Strafbefehl gefällten Entscheide ohne Landesverweisung kantonale Unterschiede bestehen, bietet sich ein kantonaler Vergleich beider Grössen an. Ist die Anwendungsrate in denjenigen Kantonen am niedrigsten, die am häufigsten mit einem Strafbefehl auf die Landesverweisung verzichten, wäre dies ein Indiz dafür, dass diese Praxis einen Einfluss auf die Anwendungsrate der Landesverweisung hat. Eine grafische Darstellung veranschautlicht diesen Vergleich (G1).

In G1 werden die Kantone nach Anwendungsrate absteigend geordent dargestellt. Liegt diese Anwendungsrate über dem Durchschnitt von 9%, zeigt sich bei einigen Kantonen ein eher niedriger Anteil Verzichte auf Landesverweisung mittels Strafbefehl. Es scheint somit ein Zusammenhang zwischen der Anwendungsrate und der Erledigungsart zu bestehen. Dieser muss aber als sehr schwach eingestuft werden, denn es gibt effektiv Kantone mit niedrigerem Anteil an Strafbefehlen, deren Anwendungsrate auch niedrig ist. Anderseits gibt es wiederum Kantonen mit verhältnismässig hohen Anwendungsraten, die häufig via Strafbefehl auf eine Landesverweisung verzichten.
Es scheint sich zu bestätigen, dass es hauptsächlich die Schwere der begangenen Straftat und der Aufenthaltsstatus sind, die das Risiko einer Landesverweisung beeinflussen. Bei minderschweren Straftaten ist das Risiko einer Landesverweisung sehr niedrig. Dies gilt insbesondere bei Personen, die einen B- oder C- Ausweis haben.
6 Anwendungsrate für alle Katalogstraftaten
Um die Berechnung einer Anwendungsrate für alle Straftaten von Artikel 66a StGB zu ermöglichen, hat das BJ im Strafregister (VOSTRA) Anpassungen bei der Erfassung der abgeurteilten Straftaten vorgenommen.
Seit dem 1.1.2019 müssen im Strafregister bei Verurteilungen aufgrund eines Diebstahls in Verbindung mit Hausfriedensbruch, eines einfachen Betrugs (Art. 146 Abs. 1 StGB) im Rahmen von Sozialleistungen oder öffentlich-rechtlichen Abgaben oder eines Leistungs- und Abgabebetrugs (Art. 14 Verwaltungsstrafrecht) die Straftaten so erfasst werden, dass unterschieden werden kann, wann es sich um eine Katalogstraftat handelt und wann nicht. Zu diesem Zweck hat das BJ spezifische Straftatencodes in VOSTRA zur Verfügung gestellt, deren Verwendung durch die Kantone mit Erfassungshilfen Um die Erfassungsarbeit zu unterstützen, erscheint beispielsweise bei der Erfassung eines Hausfriedensbruchs in der Erfassungsmaske die Frage, ob diese Straftat im Zusammenhang mit einem Diebstahl begangen wurde und somit als Katalogstraftat registriert werden muss. Dasselbe geschieht bei den einfachen Betrugstatbeständen (Art. 146 Abs. 1StGB) und beim Leistungs- und Abgabebetrug (Art. 14 Verwaltungsstrafrecht), um Betrugsstraftaten im Rahmen von Sozialleistungen und öffentlich-rechtlichen Abgaben als Katalogstraftaten zu identifizieren. unterstützt werden. Die verwendeten Spezialcodes können beim BFS statistisch ausgewertet werden und machen es für die Verurteilungen des Jahres 2019 möglich, mit allen Katalogstraftaten von Artikel 66a StGB eine Anwendungsrate der obligatorischen Landesverweisung zu berechnen. Wie bei Definitionsänderungen und insbesondere auch bei kleinen Fallzahlen üblich, muss für die Einführung der neuen Straftatencodes ein Vorbehalt zur Datenqualität angebracht werden. Die Erfassung durch die Kantone bedingt eine einheitliche Anwendung. Statistisch kann nur ausgewertet werden, was im Strafregister korrekt und vollständig eingegeben wurde.
Da die spezifischen Straftatencodes nur für das Jahr 2019 vorliegen, kann diese neue Anwendungsrate nicht mit den für die Jahre 2017 und 2018 errechneten Anwendungsraten verglichen werden. Eine Darstellung der zeitlichen Entwicklung ist nur möglich, wenn jeweils dieselben Straftaten berücksichtigt werden. Aus diesem Grund publiziert das BFS neben der neuen aussagekräftigeren Anwendungsrate mit allen Katalogstraftaten für das Jahr 2019 weiterhin die Zeitreihe 2017–2019 mit der herkömmlichen Anwendungsrate. Für das Jahr 2019 stehen somit zwei Anwendungsraten zur Verfügung. Einmal werden alle Katalogstraftaten berücksichtigt und einmal wird für die zeitliche Entwicklung ab 2017 die Berechnung ohne den Diebstahl in Verbindung mit einem Hausfriedensbruch und ohne die speziellen Betrugsstraftaten durchgeführt.
Die Anwendungsrate mit allen Katalogstraftaten (T10) fällt mit 58% niedriger aus als die Anwendungsrate ohne den Diebstahl in Verbindung mit Hausfriedensbruch und den speziellen Betrugstatbeständen (66%). (T11)
Anwendungsrate der obligatorischen Landesverweisung nach Art. 66a StGB, nach Sanktion, 2019T10
Total | Anteil mit LV | |
---|---|---|
Total | 2 883 | 57,5 |
Freiheitsstrafe | 2 142 | 75,5 |
bis 6 Monate | 427 | 37,5 |
> 6 Monate - 1 Jahr | 333 | 79,9 |
> 1 Jahr bis 2 Jahre | 678 | 81,4 |
> 2 Jahre bis 3 Jahre | 451 | 89,8 |
> 3 Jahre bis 4 Jahre | 144 | 91,7 |
mehr als 4 Jahre | 109 | 93,6 |
Geldstrafe | 736 | 5,2 |
gemeinnützige Arbeit | 0 | * |
Busse | 2 | 0 |
nur Massnahme | 2 | 100 |
nur Landesverweisung | 1 | 100 |
Quellen: BFS – Strafurteilsstatistik (SUS)
© BFS 2020
Anwendungsrate der obligatorischen Landesverweisung nach Art. 66a StGB ohne Diebstahl in Verbindung mit Hausfriedensbruch und ohne einfachen Betrug im Bereich der Sozialhilfe oder einer öffentlich-rechtlichen Abgabe, nach Sanktion, 2019T11
Total | Anteil mit LV | |
---|---|---|
Total | 2 106 | 66,3 |
Freiheitsstrafe | 1 679 | 82,3 |
bis 6 Monate | 96 | 34,4 |
> 6 Monate bis 1 Jahr | 250 | 79,6 |
> 1 Jahr bis 2 Jahre | 639 | 81,2 |
> 2 Jahre bis 3 Jahre | 444 | 90,1 |
> 3 Jahre bis 4 Jahre | 141 | 91,5 |
mehr als 4 Jahre | 109 | 93,6 |
Geldstrafe | 423 | 3,1 |
gemeinnützige Arbeit | 0 | * |
Busse | 2 | 0 |
nur Massnahme | 2 | 100 |
Quellen: BFS – Strafurteilsstatistik (SUS)
© BFS 2020
Es handelt sich bei den neu mitberücksichtigten Straftaten um solche, die in den allermeisten Fällen mit einer Geldstrafe (40%) oder mit einer Freiheitsstrafe bis 6 Monate (43% der Verurteilungen) geahndet werden. Wie bereits weiter oben gezeigt, ist das Risiko einer Landesverweisung bei Geldstrafen besonders niedrig und auch bei Freiheitsstrafen bis 6 Monaten eher gering. Werden Verurteilungen mit diesen Straftaten bei der Berechnung der Anwendungsrate neu mitberücksichtigt, fällt diese entsprechend niedriger aus.
Anwendungsrate der obligatorischen Landesverweisung nach Art. 66a StGB, ausgesuchte Straftaten, 2019T12
Total | Anteil mit LV | |
---|---|---|
Total | 2 883 | 57,5 |
StGB 139 i.V.m. 186 | 918 | 50,3 |
StGB 146 gemäss StGB 66a | 108 | 5,6 |
Quellen: BFS – Strafurteilsstatistik (SUS)
© BFS 2020
Nach Straftat differenziert weist der Diebstahl in Verbindung mit einem Hausfriedensbruch eine Anwendungsrate von 50% aus und die einfachen Betrugsstraftaten im Bereich der Sozialhilfe oder einer öffentlich-rechtlichen Abgabe eine Anwendungsrate von 6% (T12). Bei beiden Straftaten liegt die Anwendungsrate unter dem Durchschnitt.
Anhang
Auszug aus dem Strafgesetzbuch
Art. 66a
Eingefügt durch Ziff. I 1 des BG vom 20. März 2015 (Umsetzung von Art. 121 Abs. 3–6 BV über die Ausschaffung krimineller Ausländerinnen und Ausländer), in Kraft seit 1. Okt. 2016 (AS 2016 2329; BBl 2013 5975).
1a. Landesverweisung. /
a. Obligatorische Landesverweisung
1a. Landesverweisung.
a. Obligatorische Landesverweisung
1 Das Gericht verweist den Ausländer, der wegen einer der folgenden strafbaren Handlungen verurteilt wird, unabhängig von der Höhe der Strafe für 5–15 Jahre aus der Schweiz:
a. vorsätzliche Tötung (Art. 111), Mord (Art. 112), Totschlag (Art. 113), Verleitung und Beihilfe zum Selbstmord (Art. 115), strafbarer Schwangerschaftsabbruch (Art. 118 Abs. 1 und 2);
b. schwere Körperverletzung (Art. 122), Verstümmelung weiblicher Genitalien (Art. 124 Abs. 1), Aussetzung (Art. 127), Gefährdung des Lebens (Art. 129), Angriff (Art. 134);
c. qualifizierte Veruntreuung (Art. 138 Ziff. 2), qualifizierter Diebstahl (Art. 139 Ziff. 2 und 3), Raub (Art. 140), gewerbsmässiger Betrug (Art. 146 Abs. 2), gewerbsmässiger betrügerischer Missbrauch einer Datenverarbeitungsanlage (Art. 147 Abs. 2), gewerbsmässiger Check- und Kreditkartenmissbrauch (Art. 148 Abs. 2), qualifizierte Erpressung (Art. 156 Ziff. 2–4), gewerbsmässiger Wucher (Art. 157 Ziff. 2), gewerbsmässige Hehlerei (Art. 160 Ziff. 2);
d. Diebstahl (Art. 139) in Verbindung mit Hausfriedensbruch (Art. 186);
e. Betrug (Art. 146 Abs. 1) im Bereich einer Sozialversicherung oder der Sozialhilfe, unrechtmässiger Bezug von Leistungen einer Sozialversicherung oder der Sozialhilfe (Art. 148a Abs. 1);
f. Betrug (Art. 146 Abs. 1), Leistungs- und Abgabebetrug (Art. 14 Abs. 1, 2 und 4 des BG vom 22. März 1974 SR 313.0 über das Verwaltungsstrafrecht) oder Steuerbetrug, Veruntreuung von Quellensteuern oder eine andere Straftat im Bereich der öffentlich-rechtlichen Abgaben, die mit einer Höchststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe oder mehr bedroht ist;
g. Zwangsheirat, erzwungene eingetragene Partnerschaft (Art. 181a), Menschenhandel (Art. 182), Freiheitsberaubung und Entführung (Art. 183), qualifizierte Freiheitsberaubung und Entführung (Art. 184), Geiselnahme (Art. 185);
h. Die Berichtigung der BVers vom 28. Nov. 2017, publiziert am 12. Dez. 2017 betrifft nur den französichen Text (AS 2017 7257). sexuelle Handlungen mit Kindern (Art. 187 Ziff. 1), sexuelle Nötigung (Art. 189), Vergewaltigung (Art. 190), Schändung (Art. 191), Förderung der Prostitution (Art. 195), Pornografie (Art. 197 Abs. 4 zweiter Satz);
i. Brandstiftung (Art. 221 Abs. 1 und 2), vorsätzliche Verursachung einer Explosion (Art. 223 Ziff. 1 Abs. 1), Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht (Art. 224 Abs. 1), vorsätzliche Gefährdung ohne verbrecherische Absicht (Art. 225 Abs. 1), Herstellen, Verbergen, Weiterschaffen von Sprengstoffen und giftigen Gasen (Art. 226), Gefährdung durch Kernenergie, Radioaktivität und ionisierende Strahlen (Art. 226bis), strafbare Vorbereitungshandlungen (Art. 226ter), vorsätzliches Verursachen einer Überschwemmung oder eines Einsturzes (Art. 227 Ziff. 1 Abs. 1), vorsätzliche Beschädigung von elektrischen Anlagen, Wasserbauten und Schutzvorrichtungen (Art. 228 Ziff. 1 Abs. 1);
j. vorsätzliche Gefährdung durch gentechnisch veränderte oder pathogene Organismen (Art. 230bis Abs. 1), vorsätzliches Verbreiten menschlicher Krankheiten (Art. 231 Ziff. 1), vorsätzliche Trinkwasserverunreinigung (Art. 234 Abs. 1);
k. qualifizierte Störung des öffentlichen Verkehrs (Art. 237 Ziff. 1 Abs. 2), vorsätzliche Störung des Eisenbahnverkehrs (Art. 238 Abs. 1);
l. strafbare Vorbereitungshandlungen (Art. 260bis Abs. 1 und 3), Beteiligung an oder Unterstützung einer kriminellen Organisation (Art. 260ter), Gefährdung der öffentlichen Sicherheit mit Waffen (Art. 260quater), Finanzierung des Terrorismus (Art. 260quinquies);
m. Völkermord (Art. 264), Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Art. 264a), schwere Verletzungen der Genfer Konventionen vom 12. August 1949 SR 0.518.12, 0.518.23, 0.518.42, 0.518.51 (Art. 264c), andere Kriegsverbrechen (Art. 264d–264h);
n. vorsätzliche Widerhandlung gegen Artikel 116 Absatz 3 oder Artikel 118 Absatz 3 des Ausländergesetzes vom 16. Dezember 2005 SR 142.20 ;
o. Widerhandlung gegen Artikel 19 Absatz 2 oder 20 Absatz 2 des Betäubungsmittelgesetzes vom 3. Oktober 1951 SR 812.121 (BetmG).
2 Das Gericht kann ausnahmsweise von einer Landesverweisung absehen, wenn diese für den Ausländer einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde und die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung gegenüber den privaten Interessen des Ausländers am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen. Dabei ist der besonderen Situation von Ausländern Rechnung zu tragen, die in der Schweiz geboren oder aufgewachsen sind.
3 Von einer Landesverweisung kann ferner abgesehen werden, wenn die Tat in entschuldbarer Notwehr (Art. 16 Abs. 1) oder in entschuldbarem Notstand (Art. 18 Abs. 1) begangen wurde.
Art. 66abis
Eingefügt durch Ziff. I 1 des BG vom 20. März 2015 (Umsetzung von Art. 121 Abs. 3–6 BV über die Ausschaffung krimineller Ausländerinnen und Ausländer), in Kraft seit 1. Okt. 2016 (AS 2016 2329; BBl 2013 5975).
1a. Landesverweisung. /
b. Nicht obligatorische Landesverweisung
b. Nicht obligatorische Landesverweisung
1 Das Gericht kann einen Ausländer für 3–15 Jahre des Landes verweisen, wenn er wegen eines Verbrechens oder Vergehens, das nicht von Artikel 66a erfasst wird, zu einer Strafe verurteilt oder gegen ihn eine Massnahme nach den Artikeln 59–61 oder 64 angeordnet wird.
Art. 66b
Eingefügt durch Ziff. I 1 des BG vom 20. März 2015 (Umsetzung von Art. 121 Abs. 3–6 BV über die Ausschaffung krimineller Ausländerinnen und Ausländer), in Kraft seit 1. Okt. 2016 (AS 2016 2329; BBl 2013 5975).
1a. Landesverweisung. /
c. Gemeinsame Bestimmungen.
Wiederholungsfall
c. Gemeinsame Bestimmungen. Wiederholungsfall
1 Begeht jemand, nachdem gegen ihn eine Landesverweisung angeordnet worden ist, eine neue Straftat, welche die Voraussetzungen für eine Landesverweisung nach Artikel 66a erfüllt, so ist die neue Landesverweisung auf 20 Jahre auszusprechen.
2 Die Landesverweisung kann auf Lebenszeit ausgesprochen werden, wenn der Verurteilte die neue Tat begeht, solange die für die frühere Tat ausgesprochene Landesverweisung noch wirksam ist.
Art. 66c
Eingefügt durch Ziff. I 1 des BG vom 20. März 2015 (Umsetzung von Art. 121 Abs. 3–6 BV über die Ausschaffung krimineller Ausländerinnen und Ausländer), in Kraft seit 1. Okt. 2016 (AS 2016 2329; BBl 2013 5975).
1a. Landesverweisung. /
d. Zeitpunkt des Vollzugs
d. Zeitpunkt des Vollzugs
1 Die Landesverweisung gilt ab Rechtskraft des Urteils.
2 Vor dem Vollzug der Landesverweisung sind die unbedingten Strafen oder Strafteile sowie die freiheitsentziehenden Massnahmen zu vollziehen.
3 Die Landesverweisung wird vollzogen, sobald die verurteilte Person bedingt oder endgültig aus dem Straf- oder Massnahmenvollzug entlassen oder die freiheitsentziehende Massnahme aufgehoben wird, ohne dass eine Reststrafe zu vollziehen ist oder eine andere solche Massnahme angeordnet wird.
4 Wird die mit einer Landesverweisung belegte Person für den Straf- und Massnahmenvollzug in ihr Heimatland überstellt, so gilt die Landesverweisung mit der Überstellung als vollzogen.
5 Die Dauer der Landesverweisung wird von dem Tag an berechnet, an dem die verurteilte Person die Schweiz verlassen hat.
Art. 66d
Eingefügt durch Ziff. I 1 des BG vom 20. März 2015 (Umsetzung von Art. 121 Abs. 3–6 BV über die Ausschaffung krimineller Ausländerinnen und Ausländer), in Kraft seit 1. Okt. 2016 (AS 2016 2329; BBl 2013 5975).
1a. Landesverweisung. /
e. Aufschub des Vollzugs der obligatorischen Landesverweisung
e. Aufschub des Vollzugs der obligatorischen Landesverweisung
1 Der Vollzug der obligatorischen Landesverweisung nach Artikel 66a kann nur aufgeschoben werden, wenn: Die Berichtigung vom 21. Juni 2017, veröffentlicht am 11. Juli 2017 betrifft nur den französischen Text (AS 2017 3695).
a. der Betroffene ein von der Schweiz anerkannter Flüchtling ist und durch die Landesverweisung sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Anschauungen gefährdet wäre; davon ausgenommen ist der Flüchtling, der sich gemäss Artikel 5 Absatz 2 des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 SR 142.31 nicht auf das Rückschiebungsverbot berufen kann;
b. andere zwingende Bestimmungen des Völkerrechts entgegenstehen.
2 Bei ihrem Entscheid hat die zuständige kantonale Behörde von der Vermutung auszugehen, dass die Ausweisung in einen Staat, den der Bundesrat nach Artikel 6a Absatz 2 des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 als sicher bezeichnet, nicht gegen Artikel 25 Absätze 2 und 3 der Bundesverfassung verstösst.