
Soziale Verlaufsmuster 2018
Personen in der Sozialhilfe, der Arbeitslosen- und der Invalidenversicherung
Arbeitslosigkeit, Invalidität und Armut im System der sozialen Sicherheit
Soziale Risiken wie Arbeitslosigkeit, Invalidität oder Krankheit werden in der Schweiz durch spezifische Sozialversicherungen aufgefangen. Bei fehlendem, ausgeschöpftem oder nicht ausreichendem Anspruch auf Sozialversicherungsleistungen sieht das System der sozialen Sicherheit in der Schweiz die Sozialhilfe als letztes Auffangnetz vor. Sie stellt Leistungen zur finanziellen Unterstützung von Einwohnerinnen und Einwohnern bereit, die nicht in der Lage sind, selbst für ihren Unterhalt aufzukommen.
Im Verlauf eines Lebens kann eine Person mehrere Leistungen aus dem System beziehen. Einige Sozialleistungen greifen dabei ineinander und werden nacheinander oder gleichzeitig beansprucht. Eine solche Kombination bilden die Arbeitslosenversicherung (ALV), die Invalidenversicherung (IV) und die Sozialhilfe. So geht das Risiko Invalidität während bestimmter Lebensphasen häufig auch mit Arbeitslosigkeit einher. Personen mit einer Teilrente der IV haben daher bei Arbeitslosigkeit zusätzlich Anspruch auf Leistungen der ALV. Bei ausgeschöpftem Anspruch auf ALV-Taggelder kann schliesslich bei prekären finanziellen Verhältnissen Sozialhilfe beantragt werden, um den weggefallenen Erwerbseinkommensanteil aufzufangen. Die Sozialhilfe kann auch unterstützen, um die teilweise mehrere Jahre dauernde Zeit zwischen IV-Anmeldung und IV-Rentenzusprache zu überbrücken. Aufgrund solcher Zusammenhänge ist davon auszugehen, dass Gesetzesänderungen bei den beiden Sozialversicherungen Einfluss auf die Sozialhilfe haben können. Um Wechselwirkungen und Zusammenhänge besser analysieren zu können, wurde aus den drei Leistungssystemen der Datensatz SHIVALV gebildet (vgl. Kasten). Mit diesem Datensatz sind Analysen zu den Personen und zu den Personenflüssen zwischen
Der SHIVALV-Datensatz
Die Statistik Soziale Verlaufsmuster ist aus dem SHIVALV-Monitoring des Bundesamts für Sozialversicherungen hervorgegangen. Berücksichtigt werden Leistungsbezüger der Arbeitslosenversicherung (ALV), der Invalidenversicherung (IV) und der Sozialhilfe, die im betrachteten Zeitraum Leistungen in Form von ALV-Taggeldern, IV-Renten oder Sozialhilfe erhalten haben. Die Einzelfalldaten der drei Sozialsysteme wurden zu einem Datensatz verknüpft. Einbezogen wird dabei nur die Sozialhilfe im engeren Sinne (wirtschaftliche Sozialhilfe); alle übrigen bedarfsabhängigen Leistungen von Kantonen und Gemeinden können derzeit nicht berücksichtigt werden.
Der Datensatz umfasst sämtliche Leistungsbezüger im Alter von 18–65 Jahren mit Wohnsitz in der Schweiz. Kinder von 0–17 Jahren, die ein Drittel der Sozialhilfebezüger ausmachen, werden nicht berücksichtigt. Die Bezugsquoten für das Gesamtsystem und für die einzelnen Leistungssysteme beziehen sich auf die ganzjährig kumulierte Anzahl Bezügerinnen und Bezüger und die ständige Wohnbevölkerung am jeweiligen Jahresende. Es handelt sich dabei nicht um Arbeitslosen-, IV-Berentungs- oder Sozialhilfequoten. Die hier publizierten Quoten weichen daher deutlich von den separat veröffentlichten Statistiken der einzelnen Leistungssysteme ab.
In den Analysen zu sozialen Verlaufsmustern werden nur Personen und Personenflüsse zwischen den drei Leistungssystemen untersucht; Finanzflüsse und damit verbundene Verrechnungen sowie finanziellen Rückvergütungen können mit der vorhandenen Datengrundlage nicht oder nur ungenügend dargestellt werden.
den drei Leistungssystemen möglich. Dabei können sowohl Angaben zum Bestand in einem bestimmten Jahr und zur Entwicklung über die Zeit gemacht werden, als auch Analysen zu den Verlaufsmustern sowie zu Ein-, Aus- und Übertritten der Personengruppen durchgeführt werden.
Bestandesindikatoren
Im Jahr 2018 bezogen 697 789 Personen Leistungen in Form von IV-Renten, ALV-Taggeldern oder Sozialhilfeleistungen. Die Gesamtbezugsquote SHIVALV beläuft sich damit für das Jahr 2018 auf 12,6% der 18- bis 65-jährigen ständigen Wohnbevölkerung der Schweiz. Sie liegt damit leicht tiefer als im Vorjahr, als sie 13,1% betrug.

285 730 Personen bezogen 2018 einzig Leistungen der Arbeitslosenversicherung. Sie entsprechen 40,9% aller Beziehenden des Gesamtsystems SHIVALV. Leicht kleiner ist die Gruppe der IV-Bezügerinnen und -Bezüger (31,6%) gefolgt von den Personen, die nur Leistungen der Sozialhilfe beziehen (22,6%).
Betrachtet man die Entwicklung der Gesamtbezugsquote SHIVALV seit 2010, so fällt auf, dass insbesondere die ALV-Quote konjunkturellen Schwankungen unterliegt, die sich auch im Verlauf der Gesamtquote wiederspiegelt. Die Bezugsquote der IV sank seit 2010 kontinuierlich, während die Sozialhilfequote ähnlich wie die ALV-Quote verläuft, jedoch weniger ausgeprägt.

Nur ein kleiner Teil erhielt 2018 Leistungen aus mehreren Leistungssystemen, nämlich 33 794 Personen oder 4,8% aller
Bezügerinnen und Bezüger in SHIVALV. Der kombinierte Leistungsbezug im Verlauf des Jahres 2018 kann entweder gleichzeitig (im gleichen Monat) oder in verschiedenen Monaten erfolgen. Die häufigste Kombination ist der Bezug von ALV-Taggeldern und Sozialhilfe. Innerhalb des Referenzjahres 2018 wurden beide Leistungen von insgesamt 21 293 Personen oder 3,1% aller Beziehenden in SHIVALV in Anspruch genommen. 8987 Bezügerinnen und Bezüger (1,3%) erhielten eine Rente der Invalidenversicherung und Sozialhilfe und weitere 3253 Personen erhielten 2018 sowohl ALV-Taggelder als auch eine IV-Rente (0,5%). Nur sehr wenige Personen bezogen Leistungen aus allen drei Sozialsystemen (261 beziehungsweise 0,04% aller SHIVALV-Beziehenden).
Die Bezugsquoten nach Geschlecht zeigen, dass in den Leis-tungssystemen IV und ALV anteilsmässig jeweils mehr Männer als Frauen betroffen sind. In der IV liegen die Quoten bei 4,5% bei den Männern und 4,0% bei den Frauen, in der ALV belaufen sie sich auf 6,0% bzw. 5,2%. In der Sozialhilfe hingegen liegen die Bezugsquoten beider Geschlechter bei je 3,4%. Dies ist auch auf die hohe Zahl an alleinerziehenden Frauen zurückzuführen.
Sowohl in der Sozialhilfe als auch bei den ALV-Taggeldbeziehenden ist der Anteil ausländischer Leistungsbeziehenden anteilsmässig höher als bei den Schweizerinnen und Schweizern. Dies wirkt sich auch auf die Gesamtquote aller drei Sozialsysteme aus. Diese lag 2018 bei Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit bei 16,9% und bei Schweizerinnen und Schweizern bei 10,9%.

Die Ergebnisse nach Altersklassen zeigen, dass die Gesamtbezugsquoten für ältere Personen überdurchschnittlich und für die jüngste Altersgruppe unterdurchschnittlich sind. Zurückzuführen ist dies auf einen starken Alterseffekt beim Leistungssystem IV. Dieser Effekt überwiegt die insgesamt gegenläufigen Tendenzen bei der Sozialhilfe und bei ALV-Leistungen, wo ältere Bezügerinnen und Bezüger im Alter von 55–64 Jahren die tiefsten Bezugsquoten aller Altersklassen aufweisen.
Indikatoren zum Verbleib
Im Jahr 2018 bezogen knapp drei Viertel (73,1%) aller Personen, die auch schon im Vorjahr eine Leistung bezogen hatten, eine Leistung aus dem Gesamtsystem SHIVALV. Die Verbleibquoten in jedem einzelnen Leistungssystem widerspiegeln die unterschiedlichen Risiken je nach Leistungssystem:

– In der IV beziehen jeweils mehr als 90% der Personen auch im Folgejahr eine IV-Rente. Austritte aus der IV sind zu einem überwiegenden Teil Abgänge in die AHV oder Todesfälle.
– In der Sozialhilfe erhalten jeweils drei Viertel aller Sozialhilfebeziehenden Leistungen in zwei aufeinanderfolgenden Jahren.
– Das System der ALV ist geprägt durch kurzen Leistungsbezug und die gesetzliche Begrenzung der Bezugsdauer. Die Verbleibquoten sind daher tiefer als in den anderen Systemen. Nur rund die Hälfte aller Personen, die im Vorjahr ALV-Taggelder bezogen haben, beziehen diese auch noch im Folgejahr. Die konjunkturelle Komponente mit sinkenden oder steigenden Arbeitslosenzahlen widerspiegelt sich deutlich in den Verbleibquoten.
Indikatoren zum Wechsel zwischen
den Sozialsystemen
Von besonderem Interesse sind Wechsel zwischen den drei betrachteten Sozialsystemen. Hierfür werden zunächst Neubezügerinnen und Neubezüger einer Leistung während eines bestimmten Jahres analysiert. Mehr als ein Drittel der Personen, die 2018 neu eine IV-Rente erhielten, bezog im Vorjahr Leistungen aus einem anderen Leistungssystem. 29,0% der Neu-IV-Bezügerinnen und -Bezüger erhielten vorher Sozialhilfe und 9,2% ALV-Taggelder (jeweils allein oder in Kombination mit der anderen Leistung). Ein Teil der Neu-IV-Beziehenden können die Sozialhilfeleistung oder das ALV-Taggeld auch weiterhin zusätzlich zu ihrer neuen Leistung (IV-Rente) beziehen. Ein gleichzeitiger Bezug von IV und Sozialhilfe erfolgt häufig, während ein Antrag auf Ergänzungsleistungen zur IV noch hängig ist. Der Anteil der IV-Neubezügerinnen und -bezüger, die im Vorjahr Sozialhilfe bezogen, stieg in den letzten Jahren kontinuierlich von 23,8% im Jahr 2011 auf 29,0% im Jahr 2018. Oft dient die Sozialhilfe hier als Überbrückung während des IV-Anmeldungsprozesses und wird mit der Rentenzusprache rückerstattet.

Mit der Sozialhilfe steht nach Ausschöpfung der maximalen Zahl ALV-Taggelder ein weiteres Leistungssystem zur Unterstützung beim Bestreiten des Lebensunterhalts zur Verfügung. 2018 erhielten 10 919 Personen mit ALV-Taggeldbezug im Vorjahr neu Sozialhilfeleistungen. Diese Zahl ist deutlich tiefer als im Jahr 2017 mit 12 456 Personen. Ein Teil der neuen Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger bezieht auch im laufenden Jahr (Referenzjahr) weiterhin parallel ALV-Taggelder, sodass nicht in allen Fällen von definitiven Übertritten gesprochen werden kann.
Die Anzahl Personen, die im 2018 neu ein ALV-Taggeld bezogen haben und vorher Sozialhilfeleistungen erhielten, beläuft sich auf 6153 Personen und ist damit fast gleich hoch wie im Vorjahr (6168). 1039 ALV-Beziehenden haben im Vorjahr eine IV-Rente erhalten.
