Demos 2/2020
Demos 2/2020

Demos 2/2020

Erwerb des Schweizer Bürgerrechts

Vorwort

Die Einbürgerung beeinflusst die demografische Entwicklung, denn sie wirkt sich auf die Nationalitätenstruktur der Wohnbevölkerung der Schweiz aus. Da eingebürgerte Personen alle staatsbürgerlichen Rechte erhalten und die Gesellschaft so aktiv mitgestalten können, trägt sie zudem massgeblich zur Integration bei. Demos 2/2020 befasst sich genauer mit dem Erwerb des Schweizer Bürgerrechts und beleuchtet dabei verschiedene Aspekte.

Die Schweiz hat ein komplexes Einbürgerungssystem. Ob sich eine Person für den Schweizer Pass eignet, wird in einem Verfahren geprüft, in das alle drei Staatsebenen (Gemeinde, Kanton und Bund) involviert sind. Es gibt verschiedene Einbürgerungsarten, bei denen die Gesuchstellenden jeweils bestimmte Voraussetzungen erfüllen müssen. Welche sind das genau? Und lässt sich ein Profil der Bewerberinnen und Bewerber erstellen?

Auch wenn die Zahl der Einbürgerungen insgesamt steigt, erwirbt nur eine kleine Anzahl der Personen, die die Wohnsitz-
erfordernisse grundsätzlich erfüllen würden, das Schweizer Bürgerrecht. Wie häufig ist dieses Ereignis und wie entwickelt sich diese Zahl im Zeitverlauf?

Die Einbürgerung kann sowohl als Ausdruck einer Zugehörigkeit zu einem Staat als auch als Ausdruck einer Änderung des Rechtsstatus verstanden werden. Besteht diesbezüglich ein Zusammenhang zwischen dem Erwerb des Schweizer Passes und den Beziehungen zum Herkunftsland?

Wie steht es mit dem Kontakt zu nahen Verwandten im Ausland? Schwächt oder stärkt der Erwerb des Schweizer Bürgerrechts die transnationalen Beziehungen?

Ich wünsche Ihnen eine gute Lektüre!

Fabienne Rausa, BFS

Welche Ausländerinnen und Ausländer erfüllen die Voraussetzungen für eine Einbürgerung?

Die Einbürgerung eröffnet viele Möglichkeiten der aktiven politischen Beteiligung. Erst mit der Einbürgerung erfolgt eine formale rechtliche Gleichstellung mit Schweizer Staatsbürgerinnen und -bürgern, einschliesslich direkter und indirekter Formen demokratischer Mitbestimmung. Somit ist die Einbürgerung Ausdruck einer gelungenen staatsbürgerlichen Integration. Wer eingebürgert ist, verfügt über alle staatsbürgerlichen Rechte und politischen Partizipationsmöglichkeiten.

Die Einbürgerung zeugt von Integrationsbereitschaft, da sie eine gewisse Identifikation und Verbundenheit mit dem Aufnahmeland voraussetzt. Sie widerspiegelt aber auch die Einbürgerungspraxis des Aufnahmelandes. Obwohl das Recht auf eine Staatsangehörigkeit in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und in mehreren Menschenrechtsabkommen festgeschrieben ist, gilt die Staatsbürgerschaft in vielen Ländern noch immer als Privileg, das durch Geburt oder Einbürgerung erlangt wird
(von Rütte, 2020). Die Schweiz kennt keine automatische Einbürgerung. Wer sich um den Schweizer Pass bemüht, muss zahlreiche Voraussetzungen erfüllen und viele Hürden überwinden (siehe Kasten zum Bundesgesetz über das Schweizer Bürgerrecht). Das dreistufige Einbürgerungsverfahren (Bund, Kanton, Gemeinde) gestaltet sich komplex und lässt den Behörden viel Spielraum (Kristol, 2019).

In diesem Artikel wird zunächst die Zusammensetzung der ständigen ausländischen Wohnbevölkerung der Schweiz präsentiert. Anschliessend werden die verschiedenen Einbürgerungsarten sowie die seit 1953 erfolgten Änderungen des Bürgerrechtsgesetzes beschrieben. Zum Schluss liefert der Artikel Kennzahlen zu den Ausländerinnen und Ausländern, die die Voraussetzungen für eine Einbürgerung erfüllen.

Erwerb des Schweizer Bürgerrechts

In der Schweiz gilt das ius sanguinis oder Abstammungsprinzip, d.h. Kinder von Schweizerinnen und Schweizern erhalten die Schweizer Staatsangehörigkeit mit der Geburt, unabhängig von ihrem Geburtsort. Sie kann aber auch später durch die ordentliche oder die erleichterte Einbürgerung oder durch Adoption erworben werden (siehe Kasten zum Bundesgesetz über das Schweizer Bürgerrecht).

Wer gehört zur ständigen ausländischen
Wohnbevölkerung der Schweiz?

Gemäss Definition umfasst die ständige ausländische Wohnbevölkerung alle in der Schweiz lebenden Personen ohne Schweizer Pass. Dazu gehören alle ausländischen Staatsangehörigen mit einer Aufenthaltsbewilligung Wer während seines Aufenthaltes in der Schweiz arbeitet oder sich länger als drei Monate in der Schweiz aufhält, benötigt eine Bewilligung. Diese wird von den kantonalen Migrationsämtern erteilt. Es wird unterschieden zwischen Kurzaufenthalts- (weniger als ein Jahr, Ausweis L), Aufenthalts- (befristet, Ausweis B) und Niederlassungsbewilligung (unbefristet, Ausweis C) (SEM: www.sem.admin.ch/sem/de/home/themen/aufenthalt.html ). für mindestens zwölf Monate oder für eine Gesamtaufenthaltsdauer von mindestens zwölf Monaten (Ausweise B/C/L/F/N Im Asylbereich gibt es insbesondere den F-Ausweis für vorläufig aufgenommene Personen und den N-Ausweis für Asylsuchende. SEM: www.sem.admin.ch/sem/de/home/themen/aufenthalt/nicht_eu_efta.html). oder EDA-Ausweis, d.h. internationale Funktionär/innen, Diplomat/innen und deren Familienangehörige). Das Konzept der ständigen Wohnbevölkerung wird in der Statistik der Bevölkerung und der Haushalte (STATPOP) verwendet.

2018 lebten in der Schweiz mehr als 2 Millionen Ausländerinnen und Ausländer. Sie machten 25% der ständigen Wohnbevölkerung aus. 81% der ausländischen Staatsangehörigen wurden im Ausland geboren und gehören somit zur ersten Generation, das übrige Fünftel wurde in der Schweiz geboren und zählt zur zweiten Generation. Der Ausländeranteil ist das Ergebnis mehrerer Einwanderungswellen, einer restriktiven Einbürgerungspolitik sowie einer hohen Geburten- und einer tiefen Sterbeziffer bei der ausländischen Bevölkerung. Letztere lässt sich hauptsächlich durch Einbürgerungen und die Rückkehr ins Herkunftsland erklären.

Die meisten im Ausland geborenen Personen mit ausländischer Staatsbürgerschaft und ständigem Wohnsitz in der Schweiz stammen aus Europa (EU28/EFTA). 2018 bildeten sie mit 1 415 900 Personen bzw. 66% aller im Ausland geborenen Ausländerinnen und Ausländer ab 15 Jahren die grösste ausländische Gemeinschaft. Die übrigen 730 000 ausländischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger stammen aus:

– anderen europäischen Staaten ausserhalb der EU28/EFTA: 370 000 Personen (17%)

– anderen Staaten: 356 000 Personen (20%)

– 2400 Personen (0,1%) können keinem Land zugeordnet werden.

Änderungen des Bürgerrechtsgesetzes (BüG)
und Einbürgerungsarten

Im Bundesgesetz über das Schweizer Bürgerrecht sind der Erwerb und der Verlust des Schweizer Bürgerrechts geregelt. SR 141.0 Bundesgesetz über das Schweizer Bürgerrecht: www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20092990/index.html

Der Zusammenhang zwischen dem Bürgerrechtsgesetz und der Anzahl Einbürgerungen ist zwar offensichtlich, lässt sich aber nicht präzis messen. Die verschiedenen Gesetzesrevisionen wirken sich einerseits auf den Bestand der einbürgerungsberechtigten Personen und andererseits auf die Zahl der von diesen einbürgerungsberechtigten Personen gestellten Einbürgerungsgesuche aus und haben daher Einfluss auf die Einbürgerungsziffer. Vor allem aber können sie den zeitlichen Verlauf von Einbürgerungen beeinflussen (Wanner & D’Amato, 2003).

Das Bürgerrechtsgesetz wurde seit seiner Einführung mehrfach revidiert. Hier die wichtigsten Änderungen (Wanner & Steiner, 2012):

1876: Alle Personen mit festem Wohnsitz in der Schweiz können sich einbürgern lassen, es wird keine Mindestaufenthaltsdauer vorausgesetzt.

1903: Für die Einreichung eines Einbürgerungsgesuchs wird eine Aufenthaltsdauer von mindestens zwei Jahren eingeführt.

1920: Gesuchstellende müssen mindestens sechs Jahre mit einer gültigen Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung in der Schweiz gelebt haben. In der Schweiz geborene Ausländerinnen und Ausländer, die bis zum vollendeten 20. Lebensjahr mindestens zehn Jahre in der Schweiz gelebt haben, werden eingebürgert, sofern sie in den fünf Jahren vor Gesuchseinreichung mindestens während drei Jahren, davon zwei Jahre ununterbrochen, in der Schweiz gewohnt haben.

1952: Das Gesetz über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts (Bürgerrechtsgesetz BüG) wird eingeführt. Es unterscheidet drei Einbürgerungsarten: die ordentliche und die erleichterte Einbürgerung sowie die Wiedereinbürgerung. Erstere schreibt eine Aufenthaltsdauer von mindestens zwölf Jahren vor, davon drei Jahre in den letzten fünf Jahren vor Einreichung des Gesuchs. Die zwischen dem vollendeten 10. und 20. Altersjahr in der Schweiz verbrachte Zeit zählt für die Berechnung der Aufenthaltsdauer doppelt. Ausserdem wird ein Eignungstest eingeführt. Die erleichterte Einbürgerung hingegen gilt für Kinder von Schweizer Müttern, die ihr Bürgerrecht bei der Heirat verloren haben. Die Wiedereinbürgerung betrifft Frauen, die ihr Schweizer Bürgerrecht durch die Heirat mit einem Ausländer verloren haben. Ausländerinnen erhalten bei der Heirat mit einem Schweizer automatisch den Schweizer Pass.

1978: Die Schweizer Staatsangehörigkeit wird von der Mutter an die Kinder weitergegeben, wenn die Eltern zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes in der Schweiz wohnen.

1985: Kinder von Schweizer Müttern erhalten die Schweizer Staatsbürgerschaft automatisch. Weder Geburtsort noch Wohnsitz in der Schweiz sind massgebend.

1992: Doppelbürgerschaften werden zugelassen. Der automatische Erwerb des Schweizer Bürgerrechts durch Ausländerinnen bei der Heirat mit einem Schweizer wird aufgehoben. Stattdessen wird die erleichterte Einbürgerung für Frauen und Männer, die eine Schweizerin oder einen Schweizer heiraten, eingeführt. Die Regelung, nach der Schweizerinnen, die einen Ausländer heiraten, die Schweizer Staatsbürgerschaft verlieren, wird abgeschafft.

2006: Eine neue Verordnung über die Gebühren zum Bürgerrechtsgesetz wird eingeführt. Kinder von nicht verheirateten Eltern erhalten durch Abstammung die Schweizer Staatsbürgerschaft des Vaters.

Seit 1. Januar 2018: Für die ordentliche Einbürgerung werden eine Wohnsitzdauer von zehn Jahren (und nicht mehr zwölf) und eine Niederlassungsbewilligung (Ausweis C) vorausgesetzt (nähere Informationen siehe Kasten).

Wie erwähnt kann das Schweizer Bürgerrecht gemäss den im Bürgerrechtsgesetz festgelegten Kriterien durch Abstammung, Adoption Wird ein minderjähriges ausländisches Kind von einer Person mit Schweizer Bürgerrecht adoptiert, so erwirbt es das Kantons- und Gemeindebürgerrecht der adoptierenden Person und damit das Schweizer Bürgerrecht (BüG, Art. 4 Adoption: www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20092990/index.html#a4 oder Einbürgerung erlangt werden. Es werden zwei Einbürgerungsarten unterschieden: die ordentliche und die erleichterte Einbürgerung. Die ordentliche Einbürgerung betrifft den überwiegenden Teil der ausländischen Staatsangehörigen sowie der Ausländerinnen und Ausländer, die in einer eingetragenen Partnerschaft mit einer Schweizerin oder einem Schweizer leben. Wer mit einer Schweizerin oder mit einem Schweizer verheiratet ist oder einen Schweizer Elternteil hat, kann unter bestimmten Voraussetzungen ein Gesuch um erleichterte Einbürgerung stellen. Über eine erleichterte Einbürgerung entscheidet ausschliesslich der Bund.

Auszug aus dem Bundesgesetz über das Schweizer Bürgerrecht vom 20. Juni 2014 (Stand: 9. Juli 2019),
SR 141.0 Es sind nur die Voraussetzungen aufgeführt, die in die Berechnung des BFS-Integrationsindikators «Ausländerinnen und Ausländer, die die Einbürgerungsbe-dingungen erfüllen» einfliessen.

Art. 9 Formelle Voraussetzungen (ordentliche Einbürgerung)

1. Der Bund erteilt die Einbürgerungsbewilligung nur, wenn die Bewerberin oder der Bewerber:

a. bei der Gesuchstellung eine Niederlassungsbewilligung besitzt; und

b. bei der Gesuchstellung einen Aufenthalt von insgesamt zehn Jahren in der Schweiz nachweist, wovon drei in den letzten fünf Jahren vor Einreichung des Gesuchs.

2. Für die Berechnung der Aufenthaltsdauer nach Absatz 1 Buchstabe b wird die Zeit, während welcher die Bewerberin oder der Bewerber zwischen dem vollendeten 8. und 18. Lebensjahr in der Schweiz gelebt hat, doppelt gerechnet. Der tatsächliche Aufenthalt hat jedoch mindestens sechs Jahre zu betragen.

Art. 10 Voraussetzungen bei eingetragener Partnerschaft (ordentliche Einbürgerung)

1. Ist die Bewerberin oder der Bewerber eine eingetragene Partnerschaft mit einer Schweizer Bürgerin oder einem Schweizer Bürger eingegangen, so muss sie oder er bei der Gesuchstellung nachweisen, dass sie oder er:

a. sich insgesamt während fünf Jahren in der Schweiz aufgehalten hat, wovon ein Jahr unmittelbar vor der Gesuchstellung; und

b. seit drei Jahren mit dieser Person in einer eingetragenen Partnerschaft lebt.

Art. 21 Ehefrau eines Schweizers oder Ehemann einer Schweizerin (erleichterte Einbürgerung)

1. Wer eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt, kann nach der Eheschliessung mit einer Schweizerin oder einem Schweizer ein Gesuch um erleichterte Einbürgerung stellen, wenn sie oder er:

a. seit drei Jahren in ehelicher Gemeinschaft mit dem Ehemann oder der Ehefrau lebt; und

b. sich insgesamt fünf Jahre in der Schweiz aufgehalten hat, wovon ein Jahr unmittelbar vor Einreichung des Gesuchs.

Art. 23 Staatenloses Kind (erleichterte Einbürgerung)

Ein minderjähriges staatenloses Kind kann ein Gesuch um erleichterte Einbürgerung stellen, wenn es einen Aufenthalt von insgesamt fünf Jahren in der Schweiz nachweist, wovon ein Jahr unmittelbar vor der Gesuchstellung.

Art. 30 Einbezug der Kinder

In die Einbürgerung werden in der Regel die minderjährigen Kinder der Bewerberin oder des Bewerbers einbezogen, wenn sie mit dieser oder diesem zusammenleben.

Einbürgerungsberechtigte Ausländerinnen und Ausländer

Welche Bedeutung hat der Geburtsort?

Nicht jede Person ausländischer Staatsangehörigkeit, die zur ständigen Wohnbevölkerung der Schweiz zählt, kann sich einbürgern lassen. Wie erwähnt ist die Schweiz ein Land mit strengen Einbürgerungsbedingungen. Seit dem 1. Januar 2018 müssen Ausländerinnen und Ausländer zwar nicht mehr zwölf, sondern nur noch zehn Jahre in der Schweiz gewohnt haben, um einen Einbürgerungsantrag zu stellen, sie können aber nur ein Gesuch für eine ordentliche Einbürgerung einreichen, wenn sie über eine Niederlassungsbewilligung (Ausweis C) verfügen.

55% der in der Schweiz wohnhaften Ausländerinnen und Ausländer erfüllten 2018 die Wohnsitzerfordernisse des Bundes für die Einbürgerung. Die Voraussetzungen des Bundes bezüglich der Eignung (z.B. Sprachkompetenzen oder wirtschaftliche und soziale Integration) werden bei der Berechnung dieses Indikators nicht berücksichtigt. Ebenfalls nicht einbezogen werden die kantonalen und kommunalen Voraussetzungen für die ordentliche (jedoch nicht die erleichterte) Einbürgerung. Ihre Berücksichtigung wäre in diesem Fall kompliziert, da die Gemeinden und Kantone unterschiedliche Mindestwohnsitzfristen vorschreiben können. Die in der Schweiz geborenen Ausländerinnen und Ausländer wiesen einen um über 30 Prozentpunkte höheren Anteil auf als die im Ausland geborenen Ausländerinnen und Ausländer (80% gegenüber 49%; vgl. Grafik G1).

Die Einbürgerungsziffer entwickelt sich
je nach Geburtsort unterschiedlich

Im Zeitraum von 2011 bis 2017 hat der Anteil aller Ausländerinnen und Ausländer, die die Wohnsitzerfordernisse des Bundes für die Einbürgerung erfüllen, leicht abgenommen (–1,5 Prozentpunkte). Während der Anteil der im Ausland geborenen einbürgerungsberechtigten Ausländerinnen und Ausländer zwischen 2011 und 2017 zurückgegangen ist (–2,6 Prozentpunkte), ist derjenige der in der Schweiz geborenen Personen ausländischer Staatsangehörigkeit im gleichen Zeitraum gestiegen (+3,6 Prozentpunkte).

Zwischen 2017 und 2018 hat sich der Anteil der Ausländerinnen und Ausländer, die die Wohnsitzerfordernisse des Bundes für die Einbürgerung erfüllen, um 1,7 Prozentpunkte erhöht (siehe Grafik G2). Diese Zunahme ist auf die Anzahl der im Ausland geborenen einbürgerungsberechtigten Personen zurückzuführen (+2,5 Prozentpunkte). Umgekehrt hat sich der Anteil der in der Schweiz geborenen Ausländerinnen und Ausländer, die besagte Voraussetzungen erfüllen, verringert (–1,5 Prozentpunkte).

Wie es scheint, erfüllen seit der Inkraftsetzung des revidierten Bürgerrechtsgesetzes am 1. Januar 2018 mehr im Ausland geborene Ausländerinnen und Ausländer die Einbürgerungsbedingungen.

Alter und Staatsangehörigkeit spielen
eine wichtige Rolle

Im Zeitraum von 2011 bis 2018 erfüllten mehr Männer als Frauen die Wohnsitzerfordernisse des Bundes für die Einbürgerung
(Unterschied von 0,8 Prozentpunkten im Jahr 2018). Wird zusätzlich zum Geschlecht der Geburtsort berücksichtigt, variieren die Ergebnisse stärker. In der Schweiz geborene Ausländer erfüllen die Einbürgerungskriterien etwas häufiger als in der Schweiz geborene Ausländerinnen (+2 Prozentpunkte). Werden die im Ausland geborenen Ausländerinnen und Ausländer betrachtet, ist das Verhältnis umgekehrt (–0,1 Prozentpunkte).

Im Beobachtungszeitraum erhöhte sich der Anteil der im Ausland geborenen einbürgerungsberechtigten Ausländerinnen und Ausländer mit zunehmendem Alter. Während 2018 nur 3% der im Ausland geborenen Ausländerinnen und Ausländer unter zehn Jahren die Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllten, waren es bei den Personen ab 50 Jahren mehr als 75%. Bei den in der Schweiz geborenen Ausländerinnen und Ausländern sind diese Unterschiede weniger ausgeprägt (Personen unter 10 Jahren: 64%; Personen ab 50 Jahren: 95%). Demgegenüber zeigen sich bei den in der Schweiz geborenen Personen ausländischer Staatsangehörigkeit ab zehn Jahren in Bezug auf die Erfüllung der Einbürgerungskriterien nur geringfügige altersspezifische Unterschiede (Anteile zwischen 90% und 95%). Grund dafür ist die längere Anwesenheitsdauer in der Schweiz.

In der Schweiz oder im Ausland geborene Staatsangehörige der europäischen Länder ausserhalb der EU28/EFTA erfüllen die Einbürgerungsvoraussetzungen des Bundes 1,2 bis 1,9-mal häufiger als Personen aus den EU28- und EFTA-Staaten und aus dem aussereuropäischen Raum. Bei den im Ausland geborenen Ausländerinnen und Ausländern fallen die Unterschiede zwischen den Personen aus europäischen Ländern ausserhalb der EU28/EFTA und den anderen Nationalitätengruppen hingegen grösser aus als bei den in der Schweiz geborenen. Diese Unterschiede sind im Zeitverlauf relativ stabil.

Einbürgerungsberechtigte Personen sind räumlich ungleich verteilt

Beim Anteil der in der Schweiz geborenen Ausländerinnen und Ausländer, die die Einbürgerungsvoraussetzungen des Bundes erfüllen, zeigen sich kantonale Unterschiede. Den tiefsten Anteil verzeichnete im Jahr 2018 Graubünden mit 9,6 Prozentpunkten weniger als der Schweizer Durchschnitt, die höchsten Anteile (über 85%) registrierten die Kantone Glarus, Solothurn, Basel-Landschaft, Appenzell Ausserrhoden, St. Gallen, Aargau und Thurgau. Im Zeitraum von 2011 bis 2017 wies der Kanton Waadt diesbezüglich jedes Jahr den tiefsten Anteil aus. Die höchsten Werte waren in fast allen Jahren in den Kantonen Jura und Tessin auszumachen.

Bei den im Ausland geborenen Ausländerinnen und Ausländern wies 2018 der Kanton Uri den tiefsten Anteil an einbürgerungsberechtigten Personen auf (41%). Die höchsten Anteile waren in den Kantonen Solothurn, Basel-Landschaft, Appenzell Ausserrhoden, St. Gallen und Aargau zu beobachten (über 55%). Im Zeitraum 2011 bis 2017 notierte meist der Kanton Zug den kleinsten Anteil an im Ausland geborenen einbürgerungsberechtigten Personen. Umgekehrt verbuchte der Kanton Solothurn systematisch den höchsten Anteil.

Schlussfolgerungen

Trotz mehrerer Gesetzesänderungen im vergangenen Jahrhundert müssen für den Erwerb des Schweizer Bürgerrechts noch immer zahlreiche Voraussetzungen erfüllt werden. So wurde die Mindestaufenthaltsdauer zwar gesenkt, einige Kriterien wie der Besitz einer Niederlassungsbewilligung für die ordentliche Einbürgerung wurden hingegen verschärft.

Wie die Analyseergebnisse zeigen, weisen Personen, die die Einbürgerungsbedingungen erfüllen, ein besonderes Profil auf. Sie sind mehrheitlich in der Schweiz geboren und Männer sind leicht übervertreten. Ausserdem steigt die Anzahl der einbürgerungsberechtigten Ausländerinnen und Ausländer mit dem Alter stark an. Personen aus europäischen Ländern ausserhalb der EU28/EFTA erfüllen die Einbürgerungskriterien zudem häufiger als Angehörige anderer Nationalitätengruppen.

Florence Bartosik, BFS

Literatur

Kristol, Anne (2019): «Ist die Umsetzung des Einbürgerungsverfahrens diskriminierend?» Policy briefs «kurz und bündig #14», 1–4.

von Rütte, Barbara (2020): «Was bedeutet das Menschenrecht auf Staatsangehörigkeit für das Schweizer Bürgerrecht?» , Policy briefs «kurz und bündig #15», 1–4.

Wanner, Philippe und Gianni D’Amato (2003): «Einbürgerungen in der Schweiz» , Die Volkswirtschaft., 9, 56–60.

Wanner, Philippe und Ilka Steiner (2012): «Einbürgerungslandschaft Schweiz: Entwicklungen 1992–2010» , Eidgenössische Kommission für Migrationsfragen EKM.

Erwerb des Schweizer Bürgerrechts: Entwicklung und Überblick

Die Bevölkerung mit schweizerischer Staatsangehörigkeit wächst seit 1992 durchschnittlich um 0,5% pro Jahr, was in erster Linie auf Einbürgerungen zurückzuführen ist. Im vorliegenden Artikel wird diese Entwicklung genauer betrachtet. Wie häufig sind Einbürgerungen und welche soziodemografischen Merkmale zeichnen die Personen aus, die das Schweizer Bürgerrecht erwerben?

Die demografische Entwicklung der Bevölkerung mit Schweizer Staatsangehörigkeit wird von drei Komponenten beeinflusst: dem Geburtenüberschuss Differenz zwischen Geburten und Todesfällen , dem Wanderungssaldo Differenz zwischen Ein- und Auswanderung und dem Erwerb des Schweizer Bürgerrechts Das Schweizer Bürgerrecht kann auf verschiedene Arten erworben werden, die häufigsten sind die ordentliche Einbürgerung und die erleichterte Einbürgerung. (siehe Grafik G3). Der jährliche Geburtenüberschuss ist seit 1973 niedrig ( < 10 000 Personen), in einigen Jahren fiel er sogar negativ aus Ein negativer Geburtenüberschuss bedeutet, dass die Zahl der Todesfälle über derjenigen der Geburten liegt, wie das in der Schweiz von 1998 bis 2007 der Fall war. . Auch der Wanderungssaldo ist seit 1992 negativ, das heisst, es wandern mehr Schweizerinnen und Schweizer aus als wieder ein. Würde die Bevölkerung schweizerischer Nationalität nur von diesen beiden Komponenten bestimmt, würde sie zurückgehen und altern.

Die Bevölkerung mit Schweizer Staatsangehörigkeit ist seit 1992 um durchschnittlich 0,5% pro Jahr gewachsen. Zurückzuführen ist dieser Anstieg hauptsächlich auf Personen, die nicht nur die Einbürgerungsvoraussetzungen in Bezug auf Anwesenheitsdauer, Sprache, öffentliche Ordnung und Lebensgewohnheiten erfüllen, sondern auch den Schweizer Pass erwerben Nicht alle Personen, die die Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllen, beantragen den Schweizer Pass. . Ihre Anzahl ist von 11 100 im Jahr 1992 auf 42 500 im Jahr 2018 angestiegen. Die Hälfte entfällt auf Personen, die vor ihrer Einbürgerung die deutsche (6100), die italienische (5100), die kosovarische (3400), die portugiesische (3300) oder die französische (2900) Staatsbürgerschaft besassen. Dabei ist zu beachten, dass die Personen für den Erwerb des Schweizer Bürgerrechts seit 1992 nicht mehr auf ihre frühere Staatsangehörigkeit verzichten müssen Das Recht des Herkunftslands kann hingegen den automatischen Verlust der Staatsbürgerschaft bei einer Einbürgerung in einem anderen Staat vorsehen. , da Doppelbürgerschaften oder mehrfache Staatsangehörigkeiten erlaubt sind.

Mit einem quantitativen Ansatz allein lässt sich die Entwicklung der Einbürgerungen jedoch nicht abschliessend erklären. Wird die Zahl der Einbürgerungen in einem Kalenderjahr mit der Zahl der Personen, die zu Beginn des gleichen Kalenderjahrs über eine Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung verfügten, ins Verhältnis gesetzt, ergibt sich trotz der schwankenden absoluten Zahlen eine niedrige rohe Einbürgerungsziffer Es können auch standardisierte Einbürgerungsziffern berechnet werden, sie werden aber im BFS nicht verwendet. . Anhand dieser Ziffer können verschiedene Gruppen (nach Geschlecht, Alter, Staatsangehörigkeit usw. differenziert) miteinander verglichen werden. Sie bildet daher auch den roten Faden dieser Analyse. 1992 lag die rohe Einbürgerungsziffer in der Schweiz bei knapp 1%, derzeit bewegt sie sich in einer Grössenordnung von 2% (siehe Grafik G4).

Die Zahl der eingebürgerten Personen ist je nach früherer Staatsangehörigkeit unterschiedlich hoch. Ein Grossteil der Personen, die das Schweizer Bürgerrecht erwerben (75%–80%, je nach Jahr) stammt aus einem europäischen Land, gefolgt von Asien (rund 10%). Die restlichen Anteile verteilen sich auf Personen aus Amerika, Afrika und Ozeanien.

An der rohen Einbürgerungsziffer lässt sich erkennen, wie häufig Personen mit B- oder C-Ausweis aus den verschiedenen Herkunftsregionen das Schweizer Bürgerrecht erwerben. 2018 wurden 2% der Personen aus EU- oder den EFTA-Staaten eingebürgert, bei den Personen aus übrigem Europa (ausserhalb der EU/EFTA), Asien und Ozeanien waren es je 3% und bei den amerikanischen oder afrikanischen Staatsangehörigen weniger als 3,4%.

Welche Bedeutung hat der Geburtsort?

Auch in Bezug auf den Geburtsort und die Anwesenheitsdauer vor dem Erwerb des Schweizer Bürgerrechts zeigen sich bei der Zahl der Einbürgerungen Unterschiede. 1992 waren 27% der Eingebürgerten in der Schweiz geboren worden und 31% wohnten seit mindestens 20 Jahren in der Schweiz. Sie machten somit die Mehrheit der eingebürgerten Personen aus. Heute bilden die in der Schweiz geborenen Personen die grösste Gruppe (37%), gefolgt von den Ausländerinnen und Ausländern, die seit 10 bis 14 Jahren in der Schweiz leben (28%).

Wer von Geburt an in dem Land lebt, in dem er die Staatsbürgerschaft beantragt, ist mit den dort herrschenden Lebensgewohnheiten vertraut, kennt die Grundsätze, die Sicherheitsbestimmungen und die öffentliche Ordnung, spricht eine Landessprache und nimmt am Wirtschafts- und Sozialleben teil, was die Einbürgerung erleichtern kann. Im Ausland geborene Personen können sich diese Kenntnisse zu einem späteren Zeitpunkt aneignen. Wird die Zahl der Einbürgerungen mit der Zahl der Personen, die über eine Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung verfügen, ins Verhältnis gesetzt, zeigt sich, dass die rohe Einbürgerungsziffer bei in der Schweiz geborenen Personen durchschnittlich doppelt so hoch ist wie bei den im Ausland geborenen (2018: 4,0% gegenüber 1,7%; siehe Grafik G5).

Die meisten Personen, die 2018 die Schweizer Staatsbürgerschaft erhielten, stammten – in dieser Reihenfolge – aus Deutschland, Italien, Kosovo, Portugal oder Frankreich. Sie machten nahezu zwei Drittel der Europäerinnen und Europäer und die Hälfte aller Ausländerinnen und Ausländer aus, die im gleichen Kalenderjahr das Schweizer Bürgerrecht erwarben. 3% bis 5% der in der Schweiz geborenen Ausländerinnen und Ausländer aus den obengenannten Staaten liessen sich 2018 einbürgern. Das sind deutlich mehr als bei den im Ausland geborenen Personen aus Deutschland, Italien, Kosovo, Portugal oder Frankreich, die im Jahr 2018 den Schweizer Pass erhielten (1% bis 2%).

Aussereuropäische Staatsangehörige, die in der Schweiz geboren wurden und 2018 das Schweizer Bürgerrecht erwarben, stammen nach Kontinent betrachtet zur Hauptsache aus Sri Lanka (Asien), Brasilien (Amerika), Marokko (Afrika) und Australien (Ozeanien). Ihre rohen Einbürgerungsziffern liegen zwischen 2% und 8%.

Jugendliche und Frauen auf dem Vormarsch

Junge Ausländerinnen und Ausländer (15- bis 19 Jahre) lassen sich eher einbürgern als Personen über 20. Sie verzeichnen doppelt so hohe rohe Einbürgerungsziffern wie die älteren Altersgruppen (siehe Grafik G6). Diese vermehrte Einbürgerung in jungen Jahren könnte gesetzlich bedingt sein. Bis zum 31. Dezember 2017 zählten die zwischen der Vollendung des 10. und des 20. Lebensjahres in der Schweiz verbrachten Jahre doppelt. Seit 1. Januar 2018 gilt diese Doppelzählung für den Zeitraum vom 8. bis 18. Lebensjahr. Die erforderliche Mindestanwesenheitsdauer wird in diesen jungen Altersjahren schneller erreicht.

Frauen lassen sich generell häufiger einbürgern als Männer. Bis 1992 war die Übervertretung der Frauen vor allem darauf zurückzuführen, dass diese bei der Heirat mit einem Schweizer automatisch die Schweizer Staatsbürgerschaft erhielten. Mit dem 1992 in Kraft getretenen Bürgerrechtsgesetz wurde die erleichterte Einbürgerung geschlechterunabhängig für alle Personen, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen, eingeführt. Infolge dieser Änderungen erhielten bis 1997 mehr Männer die Schweizer Staatsbürgerschaft. Anschliessend kehrte sich dieser Trend erneut zugunsten der Frauen. Seit 2000 ist die rohe Einbürgerungsziffer der Frauen durchschnittlich 0,5 Prozentpunkte höher als die der Männer (siehe Grafik G7).

Die Analyse nach früherer Staatsangehörigkeit zeigt aber auch, dass die Frauen in Bezug auf die Einbürgerung in absoluten Zahlen nicht überall in der Mehrheit sind, insbesondere in den grössten Nationalitätengruppen, die 2018 den Schweizer Pass erhielten, d.h. den Personen aus Italien, Kosovo und Frankreich. Relativ gesehen, d.h. pro 100 Personen mit einem B- oder C-Ausweis, sind hingegen die eingebürgerten Frauen in der Mehrzahl. In sehr wenigen Ausnahmen zeigt sich ein umgekehrtes Bild. Bei  den Europäerinnen und Europäern aus Liechtenstein, Norwegen, Nordmazedonien und der Türkei weisen Männer eine höhere rohe Einbürgerungsziffer auf als Frauen. Bei den aussereuropäischen Staatsangehörigen, die 2018 das Schweizer Bürgerrecht erwarben, ist dies bei den Personen aus Irak und Tunesien der Fall. Dort ist sowohl die Zahl der Einbürgerungen als auch die rohe Einbürgerungsziffer bei den Männern höher als bei den Frauen.

2018 waren 22 200 der insgesamt 42 500 eingebürgerten Personen Frauen. Dieser vergleichsweise höhere Frauenanteil ist bei allen Einbürgerungsarten festzustellen, wobei er bei der erleichterten Einbürgerung höher ausfällt (2018: 56% Frauen) als bei der ordentlichen Einbürgerung (2018: 51% Frauen).

Wie wirkt sich der Zivilstand aus?

Wird die rohe Einbürgerungsziffer nach Zivilstand aufgeschlüsselt Es werden drei Gruppen unterschieden: Nicht verheiratete Personen, Personen mit einer Schweizer Ehepartnerin oder einem Schweizer Ehepartner sowie Personen mit einer ausländischen Ehepartnerin oder einem ausländischen Ehepartner. , ergeben sich weitere Unterschiede. Seit 1992 ist die rohe Einbürgerungsziffer bei Personen, die mit einer Schweizerin oder einem Schweizer verheiratet sind, höher als in den anderen Gruppen. Hier zeigt sich, wie wichtig gemischtnationale Eheschliessungen im Integrationsprozess von Personen aus anderen Kulturen und insbesondere für die Verbundenheit mit der Aufnahmegesellschaft sind. 2018 lag die entsprechende Einbürgerungsziffer bei 5,3%, gegenüber 2,1% bei nicht verheirateten Personen und 1,5% bei Personen, die mit einer Ausländerin oder einem Ausländer verheiratet sind (siehe Grafik G8).

Wird die rohe Einbürgerungsziffer zusätzlich nach individueller vorheriger Staatsangehörigkeit betrachtet, ergeben sich für Personen, die mit einer Schweizerin oder einem Schweizer verheiratet sind, generell höhere Werte als bei den anderen Staatsangehörigkeitskombinationen.

Kantonal unterschiedliche Einbürgerungsziffern

2018 lag die rohe Einbürgerungsziffer der im Ausland geborenen Personen in den meisten Kantonen zwischen 1% und 2%. Am tiefsten war sie in den Kantonen Glarus und Solothurn, am höchsten mit über 2% in den Kantonen Zürich, Waadt, Wallis und Genf. Bei den im Ausland geborenen Personen verzeichneten von 2011 bis 2018 Glarus und Appenzell Innerrhoden die tiefsten rohen Einbürgerungsziffern. Genf hingegen war im Beobachtungszeitraum in Bezug auf die im Ausland geborenen Personen meist der Kanton mit der höchsten Ziffer.

Bei der in der Schweiz geborenen Bevölkerung weichen die Ergebnisse stärker voneinander ab. In den Kantonen Zürich, Luzern, Waadt, Wallis und Genf liessen sich zwischen 4% und 7% dieser Bevölkerungsgruppe einbürgern. Demgegenüber liegen die Werte in den Kantonen Schwyz und Glarus bei weniger als 2%. Im Vergleich dazu beträgt der gesamtschweizerische Durchschnitt 4%. Im Zeitraum von 2011 bis 2018 wies der Kanton Glarus bei den in der Schweiz geborenen Personen am häufigsten den niedrigsten Wert auf. Im gleichen Zeitraum verzeichnete der Kanton Waadt mit mehr als 5% meistens die höchsten Werte.

Schlussfolgerung

Die meisten Personen, die das Schweizer Bürgerrecht erwerben, stammen aus einem EU- oder EFTA-Staat, obwohl ihre rohe Einbürgerungsziffer tiefer liegt als bei den Personen aus den anderen europäischen und den aussereuropäischen Ländern. Wie ist das zu verstehen? Bezogen auf alle ausländischen Staatsangehörigen mit einem B-oder C-Ausweis lassen sich Personen aus EU/EFTA-Ländern weniger häufig einbürgern als andere Staatsangehörige.

Auch der Geburtsort spielt eine wichtige Rolle beim Erwerb des Schweizer Bürgerrechts. Derzeit ist die rohe Einbürgerungsziffer bei den in der Schweiz geborenen Personen doppelt so hoch wie bei den im Ausland geborenen. Ebenso verzeichnen junge Menschen gegenüber älteren, Frauen gegenüber Männern und Personen mit einer Schweizer Ehepartnerin oder einem Schweizer Ehepartner gegenüber den anderen Zivilstandsgruppen höhere rohe Einbürgerungsziffern. Pro 100 Personen, die 2018 eine Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung besassen, liessen sich in keiner der untersuchten Gruppen mehr als sechs Personen einbürgern. Dies ist nur ein sehr kleiner Teil der in der Schweiz lebenden Ausländerinnen und Ausländer, die 2018 die Wohnsitzerfordernisse des Bundes für die Einbürgerung erfüllten (55% der ausländischen Wohnbevölkerung; siehe Artikel «Welche Ausländerinnen und Ausländer erfüllen die Voraussetzungen für eine Einbürgerung?» in dieser Ausgabe).

Fabienne Rausa, BFS

Transnationale Praktiken der Personen mit Migrationshintergrund: Verbindung mit dem Herkunftsland und Rolle der Staatsangehörigkeit

Unter Transnationalismus wird die (geistige oder reale) Verbindung verstanden, die Migrantinnen und Migranten mit ihrem Herkunftsland und der Aufnahmegesellschaft herstellen. Quelle: Fibbi Rosita, D’Amato Gianni, 2008 Sie bildet den sogenannten transnationalen Raum. In diesem Artikel wird dieser Raum näher durchleuchtet. Unterscheidet sich seine Grösse und seine Struktur je nach Herkunftsland der Personen mit Migrationshintergrund und wird er von der Einbürgerungserfahrung beeinflusst? Schwächt oder stärkt der Erwerb des Schweizer Bürgerrechts die transnationalen Beziehungen? Und pflegen eingebürgerte Personen im Gegensatz zu Ausländerinnen und Ausländern besondere transnationale Beziehungen?

Der transnationale Raum ist von komplexen Beziehungen zwischen dem «Hier» (Schweiz) und dem «Dort» (Herkunftsland) geprägt. Er wird von den Migrantinnen und Migranten und ihren Nachkommen im Lauf der Zeit geschaffen. Die Verbindungen werden über verschiedene Kanäle hergestellt und gepflegt: über Kontakte per Telefon und via Internet, Besuche, Geldüberweisungen sowie über den Hausbau oder Wohneigentum im Ausland. Familienmitglieder im Herkunftsland sind in den meisten Fällen eine wesentliche Voraussetzung für die Beziehungen zum Herkunftsland und somit auch für das Bestehen transnationaler Praktiken.

In der Schweiz wohnhafte Ausländerinnen und Ausländer, aber auch eingebürgerte Personen bauen am ehesten einen transnationalen Raum auf. Die Einbürgerung, die hier als Erwerb des Schweizer Bürgerrechts verstanden wird, kann sowohl als Ausdruck einer Zugehörigkeit zu einem Staat als auch als Ausdruck einer Statusänderung verstanden werden. Wenn nicht zwischen zwei Staatsangehörigkeiten gewählt werden muss, ist die Doppelbürgerschaft Ausdruck einer doppelten Angehörigkeit: derjenigen zum Aufnahme- und derjenigen zum Herkunftsland. Dabei handelt es sich um einen anerkannten «transnationalen Zustand».

Die Themen «Transnationalismus» und «Einbürgerung» werfen zwei miteinander verknüpfte Fragen auf: Werden die transnationalen Praktiken von der Staatsangehörigkeit bestimmt? Und besteht zwischen der Staatsangehörigkeit von Personen mit Migrationshintergrund und ihren Praktiken ein Zusammenhang?

Dieser Artikel befasst sich mit dem Zusammenhang zwischen Staatsangehörigkeit, Einbürgerungserfahrung und transnationalen Praktiken. Mit Fokus auf die Situation in der Schweiz wird untersucht, ob sich die Praktiken je nach Staatsangehörigkeit der Personen mit Migrationshintergrund Der Migrationsstatus der Personen wird anhand der Staatsangehörigkeit der Zielperson und ihrem Geburtsort bestimmt. Der Geburtsort der Eltern kann aufgrund des Aufbaus des Fragebogens zum Modul «Migration» nicht zur Bestimmung des Migrationsstatus herangezogen werden. unterscheiden. Ausserdem werden die komplexen Verbindungen zwischen dem Aufnahme- und dem Herkunftsland anhand mehrerer Indikatoren, die auf den Daten des Moduls «Migration» der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE; siehe Kasten «Quelle und Daten») beruhen, analysiert.

Der erste Teil des Artikels beschreibt die transnationalen Praktiken von drei Bevölkerungsgruppen mit Migrationshintergrund: gebürtige Schweizerinnen und Schweizer Zu den gebürtigen Schweizerinnen und Schweizern mit Migrationshintergrund zählen zum Beispiel im Ausland geborene Schweizerinnen und Schweizer oder in der Schweiz geborene Personen, deren beide Eltern im Ausland geboren wurden. , eingebürgerte Schweizerinnen und Schweizer sowie Ausländerinnen und Ausländer. Im zweiten Teil wird der Einfluss verschiedener Faktoren auf die Häufigkeit der transnationalen Praktiken betrachtet. Hierzu gehören die Staatsangehörigkeit und die Einbürgerungserfahrung, deren Gewicht im Verhältnis zum Gewicht der anderen Faktoren ermittelt wird.

Quelle und Daten: Modul «Migration»
der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE)

Das SAKE-Modul «Migration» liefert Daten zum Kontext und zur Geschichte der Bevölkerung mit Migrationshintergrund. Es behandelt verschiedene Aspekte in Zusammenhang mit der Situation der eingewanderten Personen und ihrer Nachkommen wie Transnationalismus, Einbürgerung, Staatsbürgerschaft, Gründe der Migration und Rückkehrabsichten. Die erhobenen Merkmale beziehen sich nicht nur auf die eingewanderte Person, sondern auch auf allfällige Partnerinnen bzw. Partner und Kinder.

Die Fragen des Moduls werden alle drei bis fünf Jahre in die SAKE integriert. Die Verknüpfung mit den Standarddaten der SAKE erlaubt Aussagen zum Zugang der Bevölkerung mit Migrationshintergrund zum Arbeitsmarkt und Bildungssystem bzw. zu ihrer strukturellen Integration in die schweizerische Gesellschaft.

Transnationale Praktiken eingebürgerter Personen: deskriptive Analyse

Transnationalismus kann unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet werden. Statistisch bieten sich dazu mehrere Indikatoren an. In diesem Artikel werden die transnationalen Praktiken anhand der Kontakte zwischen den in der Schweiz wohnhaften Personen mit Migrationshintergrund und ihren nahen Verwandten (Ehe)partner/in, Geschwister, Vater, Mutter, Grosseltern, Kinder. In den meisten Fällen handelt es sich bei den im Herkunftsland gebliebenen nahen Verwandten um Geschwister, Eltern oder Grosseltern. im Herkunftsland untersucht. Bei den Kontakten kann es sich um Fernkontakte oder um persönliche Kontakte handeln. Dabei werden mehrere Arten unterschieden: Kontakt per Telefon oder Internet (Fernkontakt), Geldüberweisung "Remittances" (Fernkontakt), Besuche bei nahen Verwandten (persönlich), Reisen ins Herkunftsland (persönlich). Das Konzept des Transnationalismus lässt sich mithilfe eines Sammelindikators erfassen, der die verschiedenen Informationen zu den einzelnen Kontaktarten kombiniert und die Reisen ins Herkunftsland ausschliesst Diese werden über die Besuche bei nahen Verwandten erfasst. . Das Wohneigentum im Ausland wird dabei nicht berücksichtigt (vgl. Kasten «Wohneigentum im Ausland»).

Wohneigentum im Ausland

Eine Wohnung oder ein Haus im Ausland kann auch ein Verbindungspunkt mit dem Herkunftsland sein. 2017 gaben 2% der Bevölkerung mit Migrationshintergrund zwischen 15 und 74 Jahren an, eine Wohnung oder ein Haus ausserhalb der Schweiz zu besitzen und darin mehrere Monate pro Jahr zu verbringen. Aufgrund des geringen Anteils an Personen mit einem solchen Wohneigentum im Ausland wird dieses Kriterium nicht in den Sammelindikator zur Messung der transnationalen Praktiken aufgenommen.

Die häufigste Kontaktart ist der Fernkontakt per Telefon oder Internet. Sie wird von nahezu 90% der Personen mit Migrationshintergrund, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit, gepflegt. Dahinter folgen Besuche bei nahen Verwandten und Reisen in das Herkunftsland, die von drei Vierteln (75%) der Personen mit Migrationshintergrund getätigt werden. Ihre Häufigkeit hängt von bestimmten Faktoren wie der räumlichen Distanz und den Reisekosten ab. Von den drei betrachteten transnationalen Praktiken am wenigsten verbreitet bzw. in der Erhebung am wenigsten erwähnt ist die Geldüberweisung. Sie betrifft 20% der Personen mit Migrationshintergrund.

Der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund, die über die analysierten Kontaktarten mit ihrem Herkunftsland in Verbindung bleiben, variiert je nach Staatsangehörigkeit bzw. je nachdem, ob es sich um gebürtige oder eingebürgerte Schweizerinnen und Schweizer oder Ausländerinnen und Ausländer handelt. 81% der in der Schweiz wohnhaften Ausländerinnen und Ausländer reisen häufig in ihr Herkunftsland (siehe Grafik G9). Bei den Schweizerinnen und Schweizern mit Migrationshintergrund ist dieser Anteil tiefer. Er beträgt 70% bei den eingebürgerten und 54% bei den gebürtigen Schweizerinnen und Schweizern. Dieser Unterschied ist statistisch signifikant.

Analog zu den Reisen ins Herkunftsland stehen auch die Kontakte mit den nahen Verwandten im Ausland sowie deren Häufigkeit in Zusammenhang mit der Staatsangehörigkeit (siehe Grafik G10). 93% der Ausländerinnen und Ausländer pflegen häufigen Fernkontakt. Bei den Personen mit Schweizer Pass sind es deutlich weniger: 87% bei den eingebürgerten, 73% bei den gebürtigen Schweizerinnen und Schweizern. Die in Prozentpunkten ausgedrückten Unterschiede zwischen ausländischen Staatsangehörigen, eingebürgerten sowie gebürtigen Schweizerinnen und Schweizern sind statistisch signifikant und deuten darauf hin, dass der Rechtsstatus und die Einbürgerungserfahrung eine Rolle spielen. Ähnliche Trends und Unterschiede sind bei den Besuchen bei nahen Verwandten festzustellen. 81% der Ausländerinnen und Ausländer besuchen ihre Familie häufig. Bei den eingebürgerten Schweizerinnen und Schweizern sinkt dieser Anteil auf 69%, bei den gebürtigen Schweizerinnen und Schweizern sogar auf 59%. Bezüglich Geldüberweisungen unterscheiden sich die Anteile nach Staatsangehörigkeit nicht. Dennoch überweisen Ausländerinnen und Ausländerinnen tendenziell häufiger Geld an nahe Verwandte als eingebürgerte und gebürtige Schweizerinnen und Schweizer.

Der Sammelindikator zur Messung der transnationalen Praktiken über den Kontakt mit dem Herkunftsland zeigt ähnliche Trends wie die einzelnen Kontaktarten Kontakt per Telefon oder Internet, Geldüberweisungen, Besuch bei nahen Verwandten; Reisen ins Herkunftsland wurden nicht berücksichtigt. (siehe Grafik G11). 97% der Ausländerinnen und Ausländer pflegen mindestens eine Art von Kontakt, gegenüber 92% der eingebürgerten Schweizerinnen und Schweizer und 81% der gebürtigen Schweizerinnen und Schweizer. Werden im Sammelindikator mindestens zwei Kontaktarten berücksichtigt, vergrössern sich die Unterschiede nach Staatsangehörigkeit. Während 78% der Ausländerinnen und Ausländer mindestens zwei Arten von Kontakt haben, sind es bei den eingebürgerten Schweizerinnen und Schweizern 65% und bei den gebürtigen Schweizerinnen und Schweizern mit Migrationshintergrund 50%. Bei den verschiedenen, mit dem Indikator gemessenen Anteilen liegen die eingebürgerten Personen praktisch immer zwischen den gebürtigen Schweizerinnen und Schweizern und den Ausländerinnen und Ausländern.

Die transnationalen Praktiken werden sowohl von der Einbürgerungserfahrung als auch von der Staatsangehörigkeit bzw. vom Rechtsstatus beeinflusst. Obwohl die eingebürgerten Personen hinsichtlich der Praktiken in der Regel zwischen den beiden anderen Gruppen liegen, tendieren sie in einigen Fällen eher in Richtung der Ausländerinnen und Ausländer. Dies zeigt der Sammelindikator beim Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund mit mindestens einer Art von Kontakt oder einer Form des häufigen Austauschs mit nahen Verwandten im Ausland. In diesem Fall ist der Unterschied in Prozentpunkten zwischen Eingebürgerten und Ausländerinnen und Ausländern nur gering und kleiner als gegenüber den gebürtigen Schweizerinnen und Schweizern.

Angesichts dieser konsistenten Ergebnisse sind die transnationalen Praktiken der Eingebürgerten als spezifisch zu betrachten. Es kann davon ausgegangen werden, dass mit der Einbürgerung eine allmähliche Ablösung vom Herkunftsland stattfindet. Zudem kann postuliert werden, dass der Erwerb der Staatsbürgerschaft des Wohnlandes den transnationalen Raum einschränkt oder verkleinert und dadurch die Verbindungen mit dem Herkunftsland seltener werden.

Faktoren, die das Fortbestehen der transnationalen Praktiken beeinflussen: analytischer Ansatz

Welche Rolle die Staatsangehörigkeit bei transnationalen Praktiken spielt, wurde in der deskriptiven Analyse der Migrationsdaten dargelegt (siehe Kapitel «Transnationale Praktiken eingebürgerter Personen: deskriptive Analyse»). Nachfolgend wird die Bedeutung der Staatsangehörigkeit unter dem Gesichtspunkt weiterer Merkmale betrachtet (siehe Kasten «Methode»). Da die Entstehung eines transnationalen Raums von vielen Faktoren beeinflusst werden kann, muss der Fokus auf diejenigen gelegt werden, mit denen sich das soziodemografische und sozioökonomische
Profil der Personen erstellen lässt. Hierzu gehören neben
den demografischen Standardvariablen wie Geschlecht oder
Alter auch ökonomische Variablen wie Einkommen, Erwerbs-status und Bildungsniveau.

Methode: Logistische Regression

Die logistische Regression, auch Logit-Modell genannt, ist ein mathematisch-statistisches Verfahren zur Schätzung der gleichzeitigen Auswirkungen verschiedener Merkmale auf ein bestimmtes Phänomen.

Mithilfe dieser Methode wurden die gleichzeitigen Auswirkungen von neun soziodemografischen und regionalen Merkmalen auf die Wahrscheinlichkeit, transnationale Praktiken zu pflegen, geschätzt. Berücksichtigt wurden die folgenden Merkmale: Geschlecht, Alter, Staatsangehörigkeit einschliesslich Einbürgerungserfahrung, Bildungsniveau, Arbeitsmarktstatus, Wirtschaftssektor, Einkommen, Urbanisierungsgrad der Wohngemeinde, Sprache der Wohngemeinde (Schätzer [Proxy]: gesprochene Sprache).

In Übereinstimmung mit den Ergebnissen der deskriptiven Analyse lassen sich die häufigen transnationalen Praktiken in Form von Kontakten mit nahen Verwandten am ehesten mit der Staatsangehörigkeit erklären (siehe Tabelle T1 im Anhang). Am höchsten ist die Wahrscheinlichkeit, häufig transnationale Praktiken zu pflegen, bei Ausländerinnen und Ausländern mit Migrationshintergrund. Sie weisen gegenüber gebürtigen Schweizerinnen und Schweizern (Referenzkategorie) eine 4,3-mal höhere Wahrscheinlichkeit auf, solche Praktiken zu entwickeln und so die Verbindung mit ihren nahen Verwandten im Ausland aufrechtzuerhalten. Auch bei den eingebürgerten Schweizerinnen und Schweizern ist die Wahrscheinlichkeit transnationaler Praktiken höher als bei der Referenzkategorie, allerdings in geringerem Ausmass (2,0-mal). Die Staatsangehörigkeit hat im Modell sehr viel Gewicht und erklärt weitgehend, welchen Stellenwert der Aufbau und Erhalt eines transnationalen Raums mittels Pflege von Kontakten hat.

Weitere Merkmale und Faktoren können kombiniert transnationale Praktiken erklären. Hierzu zählen Merkmale, die in Zusammenhang mit dem sozioökonomischen Status der Personen stehen und deren Beziehung zum Transnationalismus erklären. Sie haben allerdings einige geringere Erklärungskraft. Neben der Staatsangehörigkeit spielen das Einkommen und das Bildungsniveau eine Rolle. Bei Personen mit einem hohen sozialen Status ist die Wahrscheinlichkeit grösser, dass sie häufigen Kontakt zu den nahen Verwandten im Herkunftsland pflegen. Deutlich wird dieser Trend vor allem beim Bildungsniveau und beim Einkommen. Bei Personen mit Tertiärausbildung besteht eine 1,5-mal höhere Wahrscheinlichkeit, dass sie die Verbindung aufrechterhalten, als bei Personen mit einem Abschluss der Sekundarstufe II (Referenzkategorie). Ebenso haben die Personen im 5. Einkommensquintil Das 5. Quintil entspricht den 20% der Bevölkerung mit dem höchsten Einkommen. (höchste Einkommensklasse) eine 1,3-mal höhere Wahrscheinlichkeit, häufige Kontakte zu pflegen als solche im 3. Quintil (Referenzkategorie), wobei das Einkommen die Ausübung transnationaler Praktiken in Form von Kontakten stärker beeinflusst als das Bildungsniveau. Eine Erklärung für die Bedeutung des Einkommens können die Kosten sein, die beim Besuch oder für die finanzielle Unterstützung von nahen Verwandten im Ausland anfallen. Während Kontakte per Telefon oder Internet nicht von solchen finanziellen Betrachtungen abhängig sind, erfordern die beiden anderen Arten von Kontakt unter Umständen erhebliche Mittel. Je nach räumlicher Distanz zwischen dem Aufnahmeland und dem Herkunftsland wird mehr Geld für transnationale Praktiken wie Besuche benötigt.

Die demografischen Schlüsselmerkmale Geschlecht und Alter haben zwar einen signifikanten, aber geringen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit häufiger transnationaler Praktiken. Bei Männern ist diese Wahrscheinlichkeit gegenüber Frauen allerdings negativ (0,8), d.h. sie halten die Verbindung weniger häufig aufrecht. Im Verhältnis zur Altersgruppe der 40- bis 64-Jährigen weisen die jüngeren und älteren Gruppen positive Wahrscheinlichkeiten auf: Bei den 15- bis 24-Jährigen besteht eine um 1,8-mal höhere, bei den Personen ab 65 Jahren eine um 1,1-mal höhere Wahrscheinlichkeit, dass sie die Verbindung mit den nahen Verwandten im Ausland pflegen. Bei den älteren Personen könnte die Tatsache eine Rolle spielen, dass sie mehr Zeit zur Verfügung haben, bei den jüngeren, dass sie sich mit Technologien besser auskennen.

Im Gegensatz zu den genannten Faktoren scheinen die regionalen Merkmale wie der Urbanisierungsgrad und die Sprache der Wohngemeinde keine Erklärungsfaktoren für den Aufbau und den Erhalt häufiger transnationaler Praktiken zu sein. Der Wohnort in der Schweiz scheint somit keinen Einfluss auf die Bildung eines transnationalen Raums zu haben.

Wie die Analyse zeigt, lassen sich häufige transnationale Praktiken in Form von Fernkontakten mit den nahen Verwandten im Herkunftsland, Besuchen dieser Verwandten und Geldüberweisungen am ehesten mit der Staatsangehörigkeit erklären, obschon auch sozioökonomische Faktoren eine Rolle spielen.

Schlussfolgerungen und Ausblick

Die transnationalen Praktiken von Personen mit Migrationshintergrund und das Bestehen eines transnationalen Raums werden von zahlreichen Faktoren beeinflusst. Nahe Verwandte im Herkunftsland sind eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Verbindung zwischen dem «Hier» und «Dort» aufrechterhalten wird.

Die Staatsangehörigkeit bzw. die Einbürgerungserfahrung scheinen den Aufbau und Erhalt dieser Praktiken mitzubestimmen. Ausländerinnen und Ausländer weisen im Vergleich zu den Schweizerinnen und Schweizer insofern spezifische Praktiken auf, als sie die Verbindung unabhängig von der Art des Kontakts oder des Austauschs häufiger aufrechterhalten. Zwischen der Staatsangehörigkeit der Personen mit Migrationshintergrund und ihren Kontakten zum Herkunftsland besteht folglich ein Zusammenhang.

Auch die Einbürgerung wirkt sich grundsätzlich auf die transnationalen Praktiken aus. Bei den meisten Indikatoren unterscheiden sich die Praktiken der eingebürgerten Schweizerinnen und Schweizer von denjenigen der gebürtigen Schweizerinnen und Schweizer und jenen der Ausländerinnen und Ausländer. Eingebürgerte pflegen weniger häufiger den Kontakt mit den nahen Verwandten im Herkunftsland als Ausländerinnen und Ausländer, aber häufiger als gebürtige Schweizerinnen und Schweizer mit Migrationshintergrund. In diesem Sinn prägt der Rechtsstatus oder die Zugehörigkeit zum «Hier» oder «Dort» den Transnationalismus bzw. die Grösse des transnationalen Raums mit. Daneben könnte auch die Anwesenheitsdauer im Aufnahmeland eine Rolle spielen. Mit der Zeit schwächt sich die Verbindung mit dem Herkunftsland ab. Für eine Einbürgerung muss die Person eine bestimmte Zeit in der Schweiz gewohnt haben, in der sich der transnationale Raum verkleinern kann.

Der Erhalt der Verbindung mit dem Herkunftsland lässt sich mit der Staatsangehörigkeit und der Einbürgerung jedoch nicht abschliessend erklären. Weitere Elemente wie die Kosten, das verfügbare Einkommen, das Bildungsniveau, die verfügbare Zeit, der Zugang zur Technologie, aber auch die räumliche Distanz zwischen dem Aufnahme- und dem Herkunftsland können die Häufigkeit der transnationalen Praktiken massgeblich beeinflussen.

Marion Aeberli, BFS

Literatur

Aeberli Marion, D’Amato Gianni (2020): «Der Weg zur Inklusion: Institutioneller Rahmen und Einstellungen zum Bürgerrecht» , Bericht Panorama Gesellschaft Schweiz.

Fibbi Rosita, D’Amato Gianni (2008): «Transnationalisme des migrants en Europe: une preuve par les faits» , Revue européenne des migrations internationales, 2008/2 (Band 4), S. 7–22, erhältlich in Französisch.

Bundesamt für Statistik (2019), «Transnationalismus und Staatsbürgerschaft: Unterschiede nach Generationen» , BFS Aktuell.

Logistische Regression der Kontakte mit nahen Verwandten im Ausland, 2017T1

Erklärte Variable1 = Kontakt mit nahen Verwandten im Ausland / 0 = kein Kontakt/unbekannt
Geschätzte Quotenverhältnisse Schätzung Vertrauensintervall: 95% P-Wert
Geschlecht
Referenzkategorie: Frauen
Männer 0,80 0,69 0,91
Alter
Referenzkategorie: 40–64 Jahre
15–24 Jahre 1,77 1,36 2,31 <,0001
25–39 Jahre 1,04 0,89 1,22 0,615
65 Jahre und älter 1,13 0,88 1,46 0,335
Staatsangehörigkeit
Referenzkategorie: gebürtige Schweizer/innen
eingebürgerte Schweizer/innen 2,05 1,64 2,56 <,0001
Ausländer/innen 4,30 3,48 5,32 <,0001
Bildungsniveau
Referenzkategorie: Sekundarstufe II
obligatorische Schule 0,91 0,77 1,08 0,302
Tertiärstufe 1,49 1,26 1,75 <,0001
Arbeitsmarktstatus
Referenzkategorie: erwerbstätig
in Ausbildung 0,69 0,47 1,01 0,055
erwerbslos gemäss ILO 0,45 0,03 5,93 0,540
nicht erwerbstätig 0,48 0,04 6,39 0,581
Wirtschaftssektor
Referenzkategorie: Tertiärsektor
Primärsektor 1,62 0,78 3,35 0,198
Sekundärsektor 1,35 1,09 1,67 0,007
Einkommen
Referenzkategorie: 3. Quintil
1. Quintil* 0,45 0,36 0,57 <,0001
2. Quintil 0,74 0,59 0,94 0,013
4. Quintil 1,00 0,78 1,28 0,976
5. Quintil** 1,28 0,99 1,65 0,063
Einkommen Freiheitsgrad Wald Chi² Pr > Chi²
Variable 1 Staatsangehörigkeit 3 219,36 <,0001
Variable 2 Einkommen 5 80,18 <,0001
Variable 3 Bildungsniveau 2 30,85 <,0001
Variable 4 Alter 3 18,30 0,00
Variable 5 Geschlecht 1 10,83 0,00
Variable 6 Wirtschaftssektor 3 8,66 0,03
Variable 7 Arbeitsmarktstatus 3 4,42 0,22
Nullhypothesentest am ganzen Modell Freiheitsgrad F-Wert Pr > F
Likelihood-Verhältnis 20 3653,48 <,0001
Score-Test 20 22,09 <,0001
Wald-Test 20 20,17 <,0001

Der Signifikanzgrad wird anhand des p-Werts ermittelt. Liegt dieser unter 5% (0,05), ist er signifikant genug.
Wird die Kontaktwahrscheinlichkeit einer Gruppe im Vergleich zu einer Referenzgruppe betrachtet, gilt:
- Ein Quotenverhältnis von annähernd 1,0 bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit in beiden Gruppen gleich hoch ist.
- Ein Quotenverhältnis unter 1,0 bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit in der untersuchten Gruppe kleiner ist als in der Referenzgruppe.
- Ein Quotenverhältnis über 1,0 bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit in der untersuchten Gruppe höher ist als in der Referenzgruppe.
* Das 1. Quintil entspricht den 20% der Bevölkerung mit dem tiefsten Einkommen (d.h. dem Fünftel der Bevölkerung am unteren Ende der Skala).
** Das 5. Quintil entspricht den 20 % der Bevölkerung mit dem höchsten Einkommen (d.h. dem Fünftel der Bevölkerung am oberen Ende der Skala).)

Quelle: BFS – Schweizerische Arbeitskräfteerhebung (SAKE), Modul Migration

© BFS 2020

Weiterführende Informationen

Seit 1998 enthält die Schweizerische Arbeitskräfteerhebung (SAKE) punktuell Module zum Thema «Migration», die sich mit der Situation der Migrantinnen und Migranten sowie von deren Nachkommen befassen. Der Aspekt der Staatsbürgerschaft wird anhand der Einbürgerungsanträge und -absichten der eingewanderten Personen und der in dieser Richtung unternommenen Schritte untersucht.

Bei der Frage, wer in der Schweiz ordentlich eingebürgert werden soll, haben die Kantone und Gemeinden ein gewichtiges Wort mitzureden. Die Eidgenössische Migrationskommission (EKM) und die Universität Genf (UNIGE) stellen neu interaktive Grafiken, Karten und Tabellen bereit, die Auskunft über die lokale Einbürgerungspraxis geben.