IV Auswirkungen auf Bestände

Durch die Nutzung der verschiedenen Kapitalarten im Rahmen der wohlfahrtsschaffenden und unterstützenden Prozesse werden auch die Bestände selber verändert. Solche Veränderungen können entweder aus gezielten Investitionsentscheidungen resultieren oder als positive bzw. negative Nebeneffekte auftreten, d. h. durch die verschiedensten menschlichen und natürlichen Aktivitäten können das ökonomische, natürliche, Sozial- und Humankapital auf- oder abgebaut werden. Im vorliegenden Indikatorensystem stehen stellvertretend für diese Effekte auf die Bestände einerseits die Investitionen (siehe Themenbereich 12) und andererseits die Auswirkungen, die sich aus den verschiedenen Aktivitäten ergeben (siehe Themenbereich 13).

Positive und negative Folgen der Aktivitäten für Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt

Wirtschaftliche Investitionen ins Sachkapital sind ebenso wie Bildungsinvestitionen ins Humankapital Beispiele für beabsichtigte, positive Auswirkungen auf die Bestände. Dabei ist zu beachten, dass durch die gegenseitige Abhängigkeit von Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt eine Investition oftmals nicht nur einen dieser drei Bereiche betrifft und sich auf verschiedene Bestände gleichzeitig auswirken kann. So haben die Bildung und die Verwendung des Humankapitals positive Auswirkungen sowohl auf das Human- und Sozialkapital als auch auf das ökonomische Kapital (beispielsweise durch Forschungsaktivitäten oder Produktivitätssteigerungen). Mit dem Begriff «Grüne Wirtschaft» wird – um ein anderes Beispiel zu nennen – eine Wirtschaftsweise beschrieben, die auf einen schonenden und effizienten Umgang mit natürlichen Ressourcen ausgerichtet ist. Ein weiteres Beispiel ist die Freiwilligenarbeit. Solche Tätigkeiten weisen einen Selbstzweck auf, haben aber auch weitere positive Effekte, indem sie soziale Beziehungen stärken und so zum Aufbau des Sozialkapitals beitragen. Ein Beispiel für eine negative Auswirkung der Aktivitäten ist die Boden-, Wasser- und Luftverschmutzung, welche als Nebeneffekt menschlichen Handelns die natürlichen Ressourcen beeinträchtigt.

Auswirkungen der Aktivitäten und Erhalt der Wohlfahrt

Im Indikatorensystem sind die Auswirkungen der diversen Aktivitäten vor allem deshalb wichtig, weil der Erhalt und die Erweiterung der Bestände wesentliche Voraussetzungen für die langfristige Sicherung der Wohlfahrt sind. Dies zeigt sich u. a. auch in den aktuellen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Debatten. so etwa in der Legislaturplanung des Bundesrats, z. B. Botschaft vom 27. Januar 2016 zur Legislaturplanung 2015 – 2019, BBl 2016 1105. Themen, die in Zusammenhang mit Bildung, Forschung und Entwicklung sowie der Erhaltung natürlicher Ressourcen stehen, erhalten seit längerer Zeit grosse Aufmerksamkeit.

12 Investitionen

Investitionen dienen dazu, die Bestände zu erhalten, zu erweitern und zu erneuern. In diesem Indikatorensystem sind vor allem die Investitionen ins ökonomische Kapital und ins Humankapital von Bedeutung.

Investitionen ins ökonomische und ins Humankapital

Von Investitionen in das ökonomische Kapital spricht man, wenn Investitionsgüter erworben werden. Den weitaus grössten Teil dieser Investitionen machen die Anlageinvestitionen aus. Diese umfassen den Erwerb von Gütern wie beispielsweise Maschinen, Gebäude, Strassen. Ebenfalls zu den Anlageinvestitionen werden die Ausgaben für Forschung und Entwicklung gerechnet. Eurostat (2014): ESVG 2010. § 3.122ff Investitionen ins ökonomische Kapital können auch das natürliche Kapital betreffen, z. B. Ausgaben für Abfallentsorgung, Gewässerschutz, Lärmbekämpfung und Luftreinhaltung. Investitionen in neue Technologien können zudem dazu beitragen, dass weniger Material und Energie verbraucht werden und weniger Emissionen entstehen. UN et al. (2014a): SEEA 2012 – Central Framework. § 4.72

Als Investitionen ins Humankapital (nicht aber ins ökonomische Kapital) werden in diesem Indikatorensystem Ausgaben der öffentlichen Hand und der Unternehmen für die Bildung und Weiterbildung sowie für die Gesundheit betrachtet.

Nicht zu den Investitionen gezählt werden die Aus- und Weiterbildungsaktivitäten der Bevölkerung. Bei diesen werden nicht Investitionsgüter erworben, vielmehr handelt es sich um Tätigkeiten. Deshalb werden sie nicht hier behandelt, sondern unter dem Themenbereich Auswirkungen der Aktivitäten (siehe Themenbereich 13).

Beitrag der Investitionen zur Wohlfahrt

Investitionen ins Humankapital betreffen die Wohlfahrt direkt, denn Bildung und Gesundheit sind zentrale Lebensbereiche und gehören zu den zehn Dimensionen der Wohlfahrt (siehe Themenbereiche 21 und 22).

Investitionen ins ökonomische Kapital liefern vor allem einen indirekten Beitrag zur Wohlfahrt. Sie ermöglichen es, die Potentiale, die zur Schaffung von Wohlfahrt zur Verfügung stehen, zu erhalten. Dazu gehört auch die Bewahrung der Umwelt durch energie-, ressourcen- und emissionssparende Investitionen.

Investitionen haben einen «verschiebenden» Effekt auf die Wohlfahrt. Sie werden durch (nationale oder internationale) Ersparnisse finanziert. Sparen bedeutet wiederum, dass auf gegenwärtigen Konsum verzichtet werden muss. Für den Erhalt der Wohlfahrt muss also eine Balance zwischen Konsum einerseits und Sparen andererseits gefunden werden.

Einflussgrössen auf Investitionen

Investitionen sind auf die Zukunft bezogen, indem sie definitionsgemäss für mehr als ein Jahr im Produktionsprozess verwendet werden. Eurostat (2014): ESVG 2010. § 3.124 Für die Tätigung von Investitionen sind stabile gesellschaftliche und ökonomische Rahmenbedingungen (z. B. Vertrauen in die Institutionen, Rechtssicherheit, positive Konjunkturentwicklung) förderlich. Die Ausgaben der öffentlichen Hand für Bildung und Gesundheit hängen unter anderem von der Verschuldung von Bund, Kantonen und Gemeinden ab.

13 Auswirkungen der Aktivitäten

Die Auswirkungen der Aktivitäten beziehen sich auf die Folgen für die Bestände, die durch die Prozesse zur Schaffung von Wohlfahrt (siehe Hauptthema III) sowie durch die Nutzung der Güter (siehe Hauptthema VI) entstehen.

Beabsichtigte und unbeabsichtigte Veränderungen der Bestände

Die Auswirkungen der Aktivitäten auf das ökonomische Kapital umfassen denjenigen Auf- und Abbau des Real- und Finanzkapitals, der nicht durch Investitionen geschieht. Dieser wird unter dem Begriff «sonstige Vermögensänderungen» zusammengefasst. Dazu gehören beispielsweise die Zerstörung von Kapital sowie Umbewertungsgewinne und –verluste. Eurostat (2014): ESVG 2010. § 6.02ff Investitionen ins ökonomische Kapital werden speziell erfasst (siehe Themenbereich 12), da es sich dabei um den Erwerb von Investitionsgütern handelt und nicht um die Auswirkungen einer Aktivität.

Die verschiedenen Herstellungs- und Konsumtätigkeiten wirken sich auch auf das natürliche Kapital aus. So werden Energie, Material und Siedlungsfläche verbraucht und Treibhausgase und Abfälle produziert.

Die Auswirkungen auf das Humankapital beinhalten einerseits dessen beabsichtigten Aufbau durch Aus- und Weiterbildung. Andererseits kann das Humankapital auch durch positive Nebeneffekte bei dessen Nutzung sowohl am Arbeitsplatz als auch in der Freizeit (beispielsweise durch Lesen oder Lernen einer Fremdsprache) aufgebaut bzw. durch negative Nebeneffekte wie Erwerbslosigkeit, Krankheit und frühzeitige Schulabgänge abgebaut werden.

Das Sozialkapital kann durch unbezahlte Arbeit, aber auch verschiedene Freizeitaktivitäten (beispielsweise Freunde treffen) erhöht werden. Gleichzeitig ist zu beachten, dass verschiedene gesellschaftliche Entwicklungen wie beispielsweise eine Individualisierung der Gesellschaft zu Veränderungen in der Zusammensetzung des Sozialkapitals und gar zu seinem Abbau führen können. siehe z. B. Freitag, M. (2014): Das soziale Kapital der Schweiz. S. 246