Zuordnung der Wahllisten zu den Parteien
Gemäss Bundesgesetz über die politischen Rechte müssen Listen in den Proporzkantonen eine eigene Bezeichnung tragen, damit sie nicht mit anderen Wahlvorschlägen verwechselt werden können. Eine Partei oder Gruppierung kann mehrere Listen mit der gleichen Bezeichnung nur verbinden, sofern sich diese durch einen Zusatz zur Kennzeichnung ihrer Besonderheit – Geschlecht, Alter, Region oder Parteiflügel – unterscheiden (Art. 31 BPR). In diesen Fällen spricht man von «Teillisten».
Das BFS stützt sich bei der Zuordnung einer Wahlliste zu einer Partei auf die offizielle Zugehörigkeit der Organisation, die den Wahlvorschlag einreicht. Dies geschieht unabhängig von allfälligen Listenverbindungen. In den Majorzkantonen (UR, OW, NW, GL, AR, AI), die keine offiziellen Wahllisten haben, erfolgt die Zuteilung anhand der Zugehörigkeit der einzelnen kandidierenden Personen, unabhängig davon, ob sie von der Partei unterstützt werden oder nicht. 2019 war dies bei den Kandidaturen der CVP in Nid- und Obwalden der Fall: Obwohl die Kantonalparteien ihre kandidierenden Mitglieder (je eine Person pro Halbkanton) nicht offiziell portierten, wurden diese beim BFS aufgrund ihrer Zugehörigkeit der CVP zugeordnet.
Bei den meisten Wahllisten ist die Zuordnung problemlos, da die kantonalen Wahlvorschläge normalerweise den Namen ihrer Partei tragen, gegebenenfalls erweitert um ein geschlechts-, alters- oder regionenspezifisches Präfix. Teillisten werden oft von bestimmten Sektionen der Kantonalparteien erstellt, insbesondere von den Jungparteien oder den Frauen. In einigen Fällen erfordert die Zuteilung einer Liste zu einer nationalen Partei eine vertiefte Analyse. In den folgenden Abschnitten werden diese Sonderfälle anhand konkreter Beispiele der Wahlen 2019 erläutert. Die Zuordnung der Wahllisten wird abschliessend den nationalen Parteisekretariaten der grossen Parteien zur Stellungnahme vorgelegt (2019: FDP, CVP, SP, SVP, EVP, CSP, GLP, BDP, PdA, GPS, Sol., SD, EDU).
Mischlisten
Es kommt vor, dass mehrere Parteien eine gemeinsame, parteiübergreifende Liste einreichen. Ebenso gibt es den Fall, dass Mitglieder einer Partei auf der Liste einer anderen Partei kandidieren. In diesen Fällen spricht man von «Mischlisten». Beim BFS wird die gesamte Liste einer einzigen Partei (oder der Kategorie «Übrige») zugeordnet. Falls eine kandidierende Person einer anderen Partei gewählt wird, wird das Mandat jedoch entsprechend der Zugehörigkeit der Person zugeteilt (dieser Fall ist 2019 nicht eingetreten). Um festzustellen, welcher Partei eine Mischliste zugeteilt werden soll, ermittelt das BFS die Parteianteile auf der Liste und ordnet diese der Partei mit der Mehrheit der Kandidaturen zu.
2019 stellte sich im Kanton Zug eine christlichsoziale Kandidatin zusammen mit zwei Grünen auf der Mischliste «Alternative – die Grünen und CSP» zur Wahl. Diese Liste wurde somit der GPS zugeordnet. Auch im Tessin schlossen die Grünen ein Bündnis mit lokalen Linksgruppierungen und reichten zwei gemeinsame Listen ein. Die Liste «Verdi e Sinistra alternativa» wurde der GPS zugeteilt, weil sie mehrheitlich grüne Kandidierende enthielt, während die Liste «Verdi e Sinistra alternativa – Donne» unter «Übrige» klassiert wurde, weil der Anteil der Kandidatinnen des «Forum Alternativo», das keine nationale Partei ist, deutlich höher war als jener der Grünen (zwei Kandidatinnen). Ein ähnlicher Fall trat im Kanton Waadt auf, in dem die Liste «EP. Ensemble à Gauche» der Partei SolidaritéS zugeordnet wurde, weil diese darauf am stärksten vertreten war. Auch die Mischlisten «Ensemble à Gauche – SolidaritéS – DAL» und «Ensemble à Gauche – Egalité pour toutes* et tous*» im Kanton Genf wurden der SolidaritéS zugeteilt. Die Gruppe «Décroissance Alternative» war jeweils mit einer kandidierenden Person vertreten.
Listen ohne explizite Parteibezeichnung
Es kommt vor, dass Parteien Wahlvorschläge mit ihren Mitgliedern einreichen, ohne den Namen der Partei in der Listenbezeichnung explizit zu erwähnen. Diese Listen werden trotz der fehlenden Kennzeichnung der entsprechenden Partei zugeordnet. Im Kanton Schwyz haben beispielsweise die SP und die FDP vier bzw. zwei Listen ohne explizite Nennung der Partei eingereicht, auf denen jedoch mindestens die Hälfte der Kandidierenden Parteimitglieder waren. Das Gleiche tat die Partei SolidaritéS in Genf, die neben der eigenen Liste mit der expliziten Nennung des Parteinamens drei thematische Wahlvorschläge erstellte, auf denen eigene Parteimitglieder standen.
Kandidierende Personen einer Partei
auf unabhängigen Listen
Umgekehrt können Mitglieder einer Partei auf Listen aufgeführt sein, die explizit als parteiunabhängig gekennzeichnet sind. In solchen Fällen richtet sich die Zuteilung nach der Organisation, die die Liste erstellt, und nicht nach den kandidierenden Personen. Im Kanton Aargau fielen zwei Listen in diese Kategorie. Die unabhängige Liste «Luzi Stamm», die den bisherigen SVP-Nationalrat sowie unabhängige Personen enthielt, wurde unter «Übrige» klassiert, da sie nicht von der SVP stammte und als unabhängig gekennzeichnet war. Die Liste «TEAM65+ – Die Aargauer Seniorenliste» enthielt neben einer Mehrheit von unabhängigen Kandidatinnen und Kandidaten ebenfalls einen SVP-Nationalrat sowie mehrere Mitglieder von anderen bürgerlichen Parteien. Beide Listen wurden aufgrund ihrer explizit erwähnten Unabhängigkeit unter «Übrige» eingestuft.
Listen mit gleicher Bezeichnung
Manche Parteien wählen zwecks Unterlistenverbindung den gleichen Namen für einen Wahlvorschlag wie eine andere Partei. Gemäss BPR sind Unterlistenverbindungen nur gültig zwischen Listen gleicher Bezeichnung (Art. 31 Abs. 1bis BPR). Die EDU des Kantons Tessin wählte beispielsweise für ihre Liste die Kennzeichnung «UDC – UDF» und ging drei Unterlistenverbindungen mit der SVP ein. Im Wallis waren zwei Listen der FDP und der GLP unter dem Namen «Zukunft und Nachhaltigkeit» ebenfalls unterverbunden. Im Kanton Genf wurde eine Liste mit zwei Unabhängigen eingereicht, die im Einvernehmen mit der Genfer BDP die Kennzeichnung «PBD – Genève d’abord» trug, obwohl die beiden Kandidierenden nicht Mitglied der Partei sind. Die BDP Schweiz erachtete diese Liste jedoch nicht als eigenen Wahlvorschlag, weshalb sie unter «Übrige» klassiert wurde.
Zeitliche Entwicklung der Parteien
In dieser Publikation werden 18 bestehende bzw. 23 für den Zeitraum von 1971–2019 relevante Parteien unterschieden. Jene Gruppierungen und Parteien, die keiner dieser nationalen Parteien oder Parteigruppen zugeordnet werden können, sind unter der Rubrik «Übrige» aufgeführt.
FDP, LPS, FDP.Die Liberalen
Im Jahr 2009 fusionierten die FDP (Freisinnig-Demokratische Partei, gegründet 1894) und die LPS (Liberaldemokratische Partei, gegründet 1913) auf nationaler Ebene unter der Bezeichnung «FDP.Die Liberalen» (FDP). Davor waren erste Fusionen bereits 2006 im Kanton Freiburg sowie 2008 in den Kantonen Wallis und Neuchâtel erfolgt. In Genf und Waadt vereinigten sich FDP und LP erst 2010 bzw. 2012. Im Kanton Basel-Stadt fand hingegen keine Fusion statt. Da die LP-BS aber Mitglied der «FDP.Die Liberalen Schweiz» ist, werden die Listen der LP-BS auf nationaler Ebene der FDP zugeteilt. Zur Berechnung der Parteistärken auf kantonaler Ebene werden FDP und LP in den Kantonen Basel-Stadt und Waadt (bis 2011) jedoch weiterhin separat betrachtet (mit entsprechendem Hinweis).
Grüne, alternative Grüne und Grünliberale
Auch die verschiedenen grünen Gruppierungen müssen im Hinblick auf die Zuordnung genauer betrachtet werden. In der grünen Bewegung gab es – namentlich in den 1980er- und 1990er-Jahren – zwei Hauptströmungen: gemässigte Grüne (GPS) und alternative Grüne (FGA). Zuordnungskriterium zu einer dieser beiden Formationen ist der Status der Gruppierung zum jeweiligen Zeitpunkt der Nationalratswahlen: Grüne, die Mitglied bei einer der beiden Formationen waren oder offiziell den Beobachterstatus innehatten, werden zur jeweiligen Formation gezählt. Wechselte eine Gruppierung die Zugehörigkeit – in der Vergangenheit durchwegs von den alternativen Grünen zur GPS –, wurden die erhaltenen Stimmen vom Zeitpunkt des Übertritts an der neuen Formation zugerechnet. Grüne, die bei keiner dieser beiden Formationen Mitglied waren und auch keinen Beobachterstatus innehatten, gehörten zu den sogenannten Splittergruppen («Übrige»). Dies traf etwa auf die Freie Liste Bern (1983), die Grünen Solothurn (1987) und «Les VertEs» Freiburg (1991) zu.
Die meisten der kantonalen grün-alternativen Formationen sind der GPS beigetreten. Nach der Auflösung der feministischen Gruppierungen in Zürich und Basel-Stadt und nach dem Eintritt der Alternativen Zug in die GPS verblieben von den einstigen FGA (feministische und grün-alternativen Gruppierungen) bei den Nationalratswahlen 2007 nur noch die Alternativen Zürich. Bei den Wahlen 2011 reichten die alternativen Gruppierungen in Zürich und Schaffhausen erneut Listen mir der Kennzeichnung «Alternative Linke – La Gauche – La Sinistra» (AL) ein. Auch alternative Gruppierungen aus dem Wallis und Bern schlossen sich ihnen an. In den Statistiken zu den Nationalratswahlen 2015 und 2019 konnten nur noch die «Alternativen Listen – AL» in Zürich und Schaffhausen der Kategorie FGA zugeordnet werden.
Die Grünliberale Partei (GLP) trennte sich 2004 in Zürich von der GP-ZH und bildet seit 2007 eine gesamtschweizerische Partei. Sie beteiligte sich 2007 in den Kantonen Zürich und St. Gallen erstmals an den Nationalratswahlen. 2011 reichte die GLP in 14, 2015 in 17 und 2019 in 19 der 20 Proporzkantone Listen ein.
CVP, Christlichsoziale, CSP
Etwas komplizierter gestaltet sich die Zuordnung der verschiedenen kantonalen Wahllisten der Christlichsozialen. 1997 löste die Christlich-soziale Partei der Schweiz (CSP) die Unabhängige Christlichsoziale Partei (UCSP) ab. Daneben existieren in verschiedenen Kantonen einerseits Christlichsoziale, die auf nationaler Ebene in der CVP politisieren, regional jedoch auf Eigenständigkeit bedacht sind, und andererseits Christlichsoziale, die eine Strömung innerhalb der CVP bilden. Insgesamt können so drei Typen von Christlichsozialen unterschieden werden:
1 Christlichsoziale als Strömung innerhalb der CVP
(z. B. in St. Gallen)
2 Christlichsoziale Parteien, die regional eigenständig sind, sich auf nationaler Ebene jedoch der CVP zugehörig fühlen und deshalb ihre Wahllisten meistens mit der CVP verbinden (z. B. im Wallis 1983–1995 und 2003–2019)
3 Christlichsoziale, die als Mitglieder der CSP selbständig, d.h. unabhängig von der CVP, politisieren (z. B. in Freiburg)
Beim BFS werden im Allgemeinen alle Christlichsozialen, die sich nicht explizit von der CVP abgespalten haben (Typen 1 und 2), mit entsprechendem Hinweis zur CVP gezählt. Als eigene Partei (CSP) aufgeführt werden dagegen jene Christlichsozialen, die sich von der CVP organisatorisch und programmatisch gelöst haben (Typ 3). Dazu gehören die CSP-Jura (von 1971 bis 1978 noch im Kanton Bern), die CSP-Freiburg (bis 1981 als Parti indépendant chrétien-social, PICS, nach der Fusion mit der CSP-Sense 1981 als Christlich-soziale Partei, CSP), die CSP-Zürich, die CSP-Luzern und die CSP-Graubünden (letztere löste sich 2000 auf). Seit 2005 gehört auch die Walliser CSP des französischsprachigen Kantonsteils (Parti Chrétien Social du Valais romand) zur CSP. Bei den Nationalratswahlen 2019 trat die CSP in drei Kantonen (FR, VS, JU) mit einer eigenen Wahlliste an.
Mouvement Citoyens Romands
Herz des Mouvement Citoyens Romands (MCR) ist das Mouvement Citoyens Genevois (MCG), das 2005 von rechtsbürgerlichen Politikerinnen und Politikern gegründet wurde. Während das MCG bei den Nationalratswahlen 2007 lediglich eine Parteistärke von 2,5% erreichte, stieg es bei den kantonalen Wahlen 2009 mit 14,7% zur drittstärksten Partei des Kantons Genf auf. In der Folge versuchte das MCG als Mouvement Citoyens Romands in der ganzen französischsprachigen Schweiz aktiv zu werden. 2011 reichte es deshalb neben der Genfer Liste auch im Kanton Waadt einen Wahlvorschlag ein. An den Nationalratswahlen 2015 und 2019 beteiligte es sich jedoch wiederum lediglich in Genf mit einer Wahlliste.
Aufgelöste Parteien
Folgende Parteien existierten an den Nationalratswahlen 2019 im Vergleich zu früheren Wahlen nicht mehr: die Republikaner (Rep.), der Tessiner Partito socialista autonomo (PSA), die Progressiven Organisationen der Schweiz (POCH), der Landesring der Unabhängigen (LdU) sowie die feministischen Frauenlisten.
Die Schweizerische Republikanische Bewegung (Republikaner), 1971 als Abspaltung der Nationalen Aktion (heute SD) gegründet, erreichte 1971 mit 4,3% ihr bestes Ergebnis. Ab 1979 lag ihre gesamtschweizerische Parteistärke unter 1% und 1989 löste sie sich auf.
Der Tessiner Partito socialista autonomo (PSA) hatte sich 1970 als Partei der Neuen Linken von der Tessiner SP (Partito socialista ticinese) abgespalten. Im Nationalrat bildete der PSA zusammen mit POCH und PdA bis 1987 eine Fraktion. 1988 vereinigten sich der PSA und einige Mitglieder der Tessiner SP zum Partito socialista unitario (PSU). Nach deutlichen Wahlsiegen des PSU – und entsprechenden Verlusten der SP-Tessin – fusionierten PSU und SP 1992 zur Tessiner Sektion der SP Schweiz. Im Kanton Bern besteht der Parti socialiste autonome du Sud du Jura (PSA-SJ) nach wie vor. Die Linkspartei nahm im Jura-Konflikt eine ausgeprägt separatistische Position ein und schickte von 1979 bis 1983 einen Vertreter in den Nationalrat. Der PSA-SJ kandidierte bei nationalen und kantonalen Wahlen meistens mit anderen Parteien auf separatistischen Einheitslisten; seine Bedeutung ist vor allem regionalpolitischer Natur.
Die Progressiven Organisationen der Schweiz (POCH) formierten sich zu Beginn der 1970er-Jahre und waren die stärkste Partei der Neuen Linken. Ihr bestes Wahlergebnis erzielten sie 1983 (2,2%). In den 1980er-Jahren wandten sich die POCH vermehrt ökologischen und feministischen Themen zu und öffneten sich gegenüber den grün-alternativen Formationen (diese traten dann ihrerseits nach 1987 mehrheitlich der GPS bei). 1993 löste sich die letzte Sektion der POCH (BS) auf.
Der Landesring der Unabhängigen (LdU) wurde 1936 gegründet und war bis und mit 1983 – mit Ausnahme von 1947 – die fünftstärkste Partei der Schweiz sowie, nach dem Eintritt der SP in den Bundesrat, die stärkste Nicht-Bundesratspartei. Am grössten war die Parteistärke des LdU gegen Ende der 1960er-Jahre (1967: 9,1%; 1971: 7,6%). Mit dem Aufkommen der Neuen Linken in den 1970er-Jahren und der Grünen in den 1980er-Jahren büsste der LdU zusehends an politischer Attraktivität ein. In den 1990er-Jahren schmolz die Parteistärke von 2,8% (1991) auf 0,7% (1999). Wenige Wochen nach den Nationalratswahlen 1999 löste sich der LdU als schweizerische Organisation auf.
Die meisten der feministischen Frauenlisten entstanden zu Beginn der 1990er-Jahre in der deutschsprachigen Schweiz. Bei den Wahlen verbanden sie ihre Wahllisten häufig mit den linksalternativen Grünen. Gewisse Erfolge verbuchten sie bei den Wahlen in die kantonalen und städtischen Parlamente in Zürich, Luzern, Basel-Stadt und St. Gallen. Bei den Nationalratswahlen 1991 und 1995 eroberte die Zürcher FraP! (Frauen macht Politik!) jeweils ein Mandat im Nationalrat. Vor den Nationalratswahlen 2003 lösten sich die beiden stärksten feministischen Gruppierungen (in Zürich und Basel-Stadt) auf.
Die Liberale Partei der Schweiz (LPS) beschloss 2008 mit der FDP zu «FDP.Die Liberalen» zu fusionieren. Damit verschwand auf gesamtschweizerischer Ebene die konservative Schwester der FDP, die 1913 gegründet wurde und hauptsächlich in der Westschweiz präsent war (Romandie und Basel). Inzwischen ist die Fusion in allen Kantonen mit Ausnahme von Basel-Stadt erfolgt. Die Liberal-Demokratische Partei Basel ist aber Mitglied der FDP.Die Liberalen Schweiz und wird bei der Präsentation der Ergebnisse auf nationaler Ebene zur FDP gerechnet.
Zu erwähnen gilt es ausserdem die jurassische Unabhängigkeitsbewegung. Der Jurakonflikt beeinflusste zwischen 1971 und 2003 immer wieder das Parteiprogramm verschiedener Gruppierungen und war somit auch auf nationaler Ebene spürbar. Separatistische Kräfte waren namentlich die CVP-JU, die CSP sowie der Parti socialiste autonome du Sud du Jura (PSA-SJ), eine separatistische Abspaltung der SP-Bern, die vor allem in den 1980er-Jahren mit dem linken Tessiner PSA Beziehungen unterhalten hatte. Sofern diese Parteien mit eigenen Listen antraten, werden ihre Stimmen unter der Rubrik ihrer nationalen Formation aufgeführt. Separatistische Einheitslisten, meistens unter der Dominanz einer Partei (PSA-SJ oder CVP des Südjuras), werden dagegen als besondere Splittergruppen («Separ.») betrachtet. Dazu gehören «Unité jurassienne» (1975), «Entente jurassienne» (1979), «Parti socialiste autonome du Sud du Jura et Entente jurassienne» (1983), «Parti démocrate-chrétien du Jura-Sud et sympathisants» (1987), «Alliance jurassienne et Parti démocrate-chrétien du Jura-Sud» (1991) und «Alliance jurassienne et P.D.C du Jura-Sud» (1995). Obwohl einige davon auf regionaler Ebene bestehen blieben, beteiligten sich 1999 sowie zwischen 2007 und 2019 keine traditionellen separatistischen Gruppierungen an den Nationalratswahlen. 2003 trat die «Liste romande» an.
Berechnung der Parteistärke
Der Schwerpunkt der vorliegenden Publikation liegt auf der Entwicklung der nationalen und kantonalen Parteistärken von 1971 bis 2019. Die Parteistärke entspricht dem Anteil der Stimmen, die eine Partei erhalten hat, am Total aller gültigen Stimmen. Dieser Indikator darf nicht verwechselt werden mit der Sitzverteilung im Nationalrat: Während die Parteistärke im Rahmen der Wahlen gemessen wird, beschreibt die Sitzverteilung deren Ergebnis, d.h. die Zusammensetzung des Parlaments. Es wird davon ausgegangen, dass sämtliche an den Wahlen beteiligten Parteien eine bestimmte – selbst marginale – Wählerstärke aufweisen, die bei der Sitzverteilung nicht mehr ersichtlich ist.
Die Wählerstärke einer Partei wird anhand verschiedener Methoden bestimmt. Sie kann in einem ersten Schritt als Anteil der Stimmen für sämtliche Listen einer Partei (ausgenommen Listenverbindungen mit anderen Parteien) am Total aller abgegebenen gültigen Stimmen ausgedrückt werden.
Wählerstärke (Partei A) in % | = | Anteil erhaltene Stimmen (Partei A) | × | 100 |
Total abgegebene Stimmen |
Mit dieser Formel kann die Parteistärke innerhalb eines Wahlkreises (Kanton) berechnet werden, wobei jedoch nicht berücksichtigt wird, wie viele Stimmen eine Wählerin oder ein Wähler in einem Kanton abgeben kann. Damit die Kantone verglichen werden können, müssen deshalb in einem zweiten Schritt die auf kantonaler Ebene abgegebenen Stimmen in einen schweizweit vergleichbaren Wert umgewandelt werden. Dazu werden sogenannte fiktive Wählende herbeigezogen.
Die Zahl der fiktiven Wählenden wird ermittelt, indem die Anzahl der erhaltenen Stimmen einer Partei (ausgenommen Listenverbindungen mit anderen Parteien) durch die Anzahl der zu vergebenden Sitze des entsprechenden Wahlkreises (Kanton) geteilt wird. Bei dieser Berechnung wird jedoch nicht berücksichtigt, dass nicht alle Wählenden ihre Stimmkraft voll ausschöpfen: Rund 1% der Stimmen gehen auf Wahlzetteln ohne Listenbezeichnung («freie Listen») verloren, auf denen nicht sämtliche Zeilen ausgefüllt wurden. Die Zahl der fiktiven Wählenden wäre bei dieser Berechnung daher um rund 1% kleiner als die Zahl der gültigen Wahlzettel bzw. der Zahl der Personen, die sich effektiv an den Wahlen beteiligt und gültig gewählt haben.
Das BFS geht davon aus, dass die Zahl der fiktiven Wählenden mit der Zahl der abgegebenen gültigen Wahlzettel identisch ist. Es verteilt daher die «verlorenen Stimmen» – d.h. die leeren Linien auf den Wahlzetteln ohne Listenbezeichnung – gleichmässig auf alle Parteien, indem auf kantonaler Ebene anstelle des Divisors «Anzahl Sitze pro Kanton» ein Divisor «Total der abgegebenen Stimmen/Total der gültigen Wahlzettel» gebildet wird. Das Total der so berechneten fiktiven Wählenden ist identisch mit der Zahl der gültigen Wahlzettel. Mit diesen auf kantonaler Ebene berechneten fiktiven Wählenden wird die «Parteistärke» in einer Einheit ausgedrückt, die interkantonale und gesamtschweizerische Additionen ermöglicht.
Fiktive Wählende (Partei A) = Anzahl erhaltene Stimmen (Partei A) |
× |
Total gültige Wahlzettel (pro Kanton) |
× | 100 |
Total abgegebene Stimmen (pro Kanton) |
Mit den so berechneten fiktiven Wählenden können die Ergebnisse mehrerer Kantone addiert und folglich auch die Parteistärken auf nationaler Ebene ermittelt werden. Die Parteistärke auf der Basis von fiktiven Wählenden wird mit folgender Formel berechnet:
Wählerstärke der Partei A in % | = | (Fiktive Wählende (Partei A)) | × | 100 |
Total fiktive Wählende |
Die fiktiven Wählenden werden nach Aggregationsstufe (Gemeinde, Bezirk, Kanton) separat berücksichtigt. Aus mathematischen Gründen entspricht die Summe der fiktiven Wählenden aller Gemeinden oder Bezirke eines Kantons nicht exakt dem Total der auf kantonaler Ebene berechneten fiktiven Wählenden.
Wahlbeteiligung
Die Wahlbeteiligung wird vom BFS für alle Kantone gleich berechnet. Einige Kantone (GE, JU) zählen die eingereichten Stimmrechtsausweise, um die kantonale Wahlbeteiligung zu ermitteln. Dadurch weicht der vom Kanton angegebene Wert leicht vom Ergebnis des BFS ab. Die vom BFS berechnete Wahlbeteiligung ergibt sich aus der Zahl der eingereichten Wahlzettel geteilt durch die Zahl der Wahlberechtigten. Dabei werden auch die Wählenden berücksichtigt, die einen leeren oder ungültigen Wahlzettel in die Urne gelegt haben. Mit der starken Zunahme der brieflichen Wahl ab den 1990er-Jahren stieg auch die Zahl der ungültigen Stimmabgaben (z.B. fehlende Unterschrift auf dem Stimmrechtsausweis, fehlender Kontrollstempel). Die Ungültigkeitserklärung wird in den Kantonen aufgrund kantonaler Verfahrensbestimmungen nicht identisch gehandhabt.
Wahlbeteiligung in % | = | Eingereichte Wahlzettel | × | 100 |
Anzahl Wahlberechtigte |
Stille Wahlen
Das Bundesgesetz über die politischen Rechte sieht die Möglichkeit von stillen Wahlen vor, wenn nicht mehr Kandidierende aufgestellt als Sitze zu vergeben sind. Seit 1971 erfolgten in Zug (1971), Appenzell Ausserrhoden (1979, 1987), Obwalden (1999) und Nidwalden (2007) stille Wahlen. Da diese ohne Wählende stattfanden, weist das BFS den Parteien auch keine Wählenden zu. Diese Kantone fallen somit für die Berechnung der gesamtschweizerischen Parteistärke ausser Betracht.
Sprachregionen
Um die Parteistärken nach Sprachregionen zu bestimmen, stützt sich das BFS auf fiktive Wählende auf Ebene der Gemeinden. Letztere werden vom BFS einer der vier Sprachregionen zugeordnet. Die rätoromanischsprachigen Gemeinden zählen in der Wahlstatistik zur Deutschschweiz.
Einige Kantone berücksichtigen die Stimmen von Auslandschweizerinnen und -schweizern in deren Heimatort oder letzten Wohngemeinde während andere (Freiburg und Wallis) fiktive Gemeinden herbeiziehen. Die Gemeinden der Auslandschweizerinnen und -schweizer dieser beiden Kantone werden zur französischsprachigen Schweiz gezählt.
Rundungsdifferenzen
Beispiel: |
||
berechnet |
gerundet |
|
hinter dem Komma |
||
Partei A: |
38,13% |
38,1% |
Partei B: |
20,54% |
20,5% |
Partei C: |
20,10% |
20,1% |
Partei D: |
21,23 % |
21,2% |
Summe: |
100,00% |
99,9% |
Die Stimmenstärken der einzelnen Wahllisten werden auf eine Stelle nach dem Komma ausgewiesen. Da es sich dabei um gerundete Werte handelt, die vom BFS berechneten Parteistärken aber mit mehreren Stellen hinter dem Komma angegeben werden, können sich zwischen den Werten der addierten Teillisten und den in der Tabelle ausgewiesenen Parteistärken kleine Rundungsdifferenzen ergeben.