3 Die Parteienlandschaft in den Sprachregionen (1971–2019)

Es ist ein Kennzeichen der Schweizer Politik, dass die grossen, im Bundesrat vertretenen Parteien in allen drei Sprachregionen verankert sind. Gleichwohl gibt es Unterschiede im Verankerungsmuster der Parteien. Diese hängen mit der besonderen Geschichte und der unterschiedlichen regionalen politischen Kultur zusammen.

Die Parteien in den Sprachregionen

Die SVP ist in der Deutschschweiz besonders stark. Bei den Nationalratswahlen 2019 erreichte sie eine Parteistärke von 29,0% (–3,8 Prozentpunkte gegenüber 2015). In der französischsprachigen Schweiz kam sie dagegen nur auf 16,3% (–4,5 Punkte) und in der italienischsprachigen Schweiz auf 12,5% (+0,3).

Die SP erzielte ihre höchste Parteistärke mit 19,1% in der französischsprachigen Schweiz (–2,3 Punkte). In der deutschsprachigen Schweiz erreichte sie 16,3% (–2,0) und der italienischsprachigen Schweiz 14,2% (–1,8).

Die FDP hat ihre Hochburgen in der lateinischen Schweiz. In der italienischsprachigen Schweiz beträgt ihre Parteistärke 20,4% (–2,9 Punkte), in der französischsprachigen Schweiz 20,1% (–2,4). In der deutschsprachigen Schweiz hat sie – nach relativ geringen Verlusten (–0,9) – noch eine Parteistärke von 13,4%.

Auch die CVP weist ihre höchste Parteistärke – mit 18% – in der italienischsprachigen Schweiz auf, verlor dort aber auch mit –2,1 Punkten gegenüber 2015 am meisten. In der Deutschschweiz legte die CVP leicht zu (+0,7) und kommt nun auf eine Parteistärke von 11,2%. In der französischsprachigen Schweiz büsste die CVP 3,4 Prozentpunkte ein und verfügt noch über eine Parteistärke von 10,5%.

Die Grünen (GPS) sind in der französischsprachigen Schweiz mit 18,5% (+9,3 Prozentpunkte) klar am stärksten, in der Deutschschweiz und in der italienischsprachigen Schweiz kommen sie auf 11,8%. In den letzteren beiden Sprachregionen haben sich die Grünen im Vergleich zu den letzten Nationalratswahlen um 5,1 bzw. um 8,4 Prozentpunkte gesteigert.

Dagegen sind die Grünliberalen (GLP) vorwiegend eine Deutsch­schweizer Partei: Sie erzielten dort eine Parteistärke von 8,8% (+3,3 Punkte). In der französischsprachigen Schweiz kamen sie auf 5,7% (+3,2) und in der italienischsprachigen Schweiz auf 1,1% (+0,2).

Deutschsprachige Schweiz: Starke SVP

Insofern die deutschsprachige Schweiz die wählerstärkste Sprachregion ist, sind die in Kapitel 1 beschriebenen Entwicklungen der Parteienlandschaft wesentlich von ihr geprägt. So büssten bei den Nationalratswahlen 2019 SVP, FDP und SP an Parteistärke ein, während die Grünliberalen und vor allem die Grünen an Parteistärke zulegten.

In der Deutschschweiz setzte der Aufstieg der SVP bereits nach 1987 ein. Bis 2007 steigerte die SVP ihre Parteistärke kontinuierlich von 13,5% auf 32,4% (+18,8 Punkte). Bei den Nationalratswahlen 2011 verlor die SVP – aufgrund von Abspaltungen bzw. Ausschlüssen (BDP) von 2008 – 3,1 Punkte und ihre Parteistärke sank auf 29,3%. Bei den Nationalratswahlen 2015 steigerte sie sich um 3,6 Prozentpunkte auf 32,9%, dem bisherigen Höchststand. Bei den Wahlen 2019 gingen diese Gewinne wieder verloren (–3,8 Punkte auf 29,0%). Die SVP bleibt aber die mit Abstand stärkste Partei der Deutschschweiz.

Die kontinuierlichen Verluste von FDP und CVP setzten in der Deutschschweiz nach 1979 ein und betrugen insgesamt rund 10 Prozentpunkte. Hinsichtlich Parteistärke rutschte die FDP (bzw. FDP und LP) von 1979 bis 2011 von 23,8% auf 13,1% ab (–10,7 Punkte). Bei den Wahlen 2015 legte die FDP 1,1 Prozentpunkte zu (auf 14,2%), dieser Zuwachs wurde bei den jüngsten Wahlen jedoch fast wieder rückgängig gemacht (–0,9). Dagegen vermochte die CVP in der Deutschschweiz bei den jüngsten Nationalratswahlen nach jahrzehntelangen Verlusten ihre Parteistärke leicht zu steigern (+0,7 Punkte auf 11,2%). 1979 hatte die Parteistärke der CVP noch 21,0% betragen.

Die SP erreichte bei den jüngsten Wahlen nach Verlusten von 2 Prozentpunkten ihr schwächstes Ergebnis (16,3%). Im Vergleich zu den Nationalratswahlen 2003 (23,1%) war ihre Parteistärke um 6,8 Punkte gesunken. Einen vergleichbaren Tiefstand verzeichnete die SP bei den Nationalratswahlen 1987 und 1991 (mit 18,3% bzw. 18,5%).

Die Grünen (GPS) erzielten 2019 in der Deutschschweiz ihr bestes Wahlergebnis (11,8%). Dieses liegt 2,3 Prozentpunkte über dem bisherigen Höchststand von 2007 (9,4%).

Die Grünliberalen (GLP) legten bei den jüngsten Wahlen um 3,3 Prozentpunkte zu und erzielten mit 8,8% ihr bestes Wahlergebnis.

Französischsprachige Schweiz: Starke FDP und SP, erstarkte Grüne

Grosse Verliererinnen bei den Nationalratswahlen 2019 waren in der französischsprachigen Schweiz die vier Bundesratsparteien: Sie büssten zusammen 12,6 Prozentpunkte an Parteistärke ein.

Die grössten Verluste erlitt die SVP (–4,5 Punkte). Ihre Parteistärke von 16,3% ist die niedrigste seit 1999 (8,9%). Von 2003 bis 2015 bewegte sich ihre Parteistärke zwischen 19,1% und 20,9%.

Die CVP weist nach den Verlusten von 3,4 Punkten mit 10,5% 2019 ihre tiefste Parteistärke aus (10,5%). Die FDP wiederum büsste mit ihren Verlusten von 2,4 Punkten die Gewinne der letzten Wahlen wieder ein (20,1%). Sie bleibt aber die stärkste Partei der Romandie.

Die SP verzeichnete nach Verlusten von 2,3 Punkten mit 19,1% ihr schwächstes Ergebnis. Es liegt 7 Punkte unter den 26,1% von 1975. Sie bleibt aber hinter der FDP die zweitstärkste Partei der französischsprachigen Schweiz.

Die grossen Siegerinnen der Wahlen 2019 waren in der französischsprachigen Schweiz die Grünen (GPS) . Sie verdoppelten ihre Parteistärke von 9,2 auf ihr bisher bestes Ergebnis von 18,5%. Die Grünen sind somit drittstärkste Partei der französischsprachigen Schweiz.

Italienischsprachige Schweiz: Starke FDP und CVP, erstarkte Grüne, zurückgebundene Lega

In der italienischsprachigen Schweiz – zu der neben dem ­Tessin auch die beiden italienischsprachigen Bezirke Graubündens (Moësa, Bernina) gehören – verloren FDP, CVP und SP an Parteistärke. Die FDP erreichte nach Verlusten von 2,9 Punkten ihr schwächstes Ergebnis (20,4%). Gegenüber dem letzten Höchststand von 1983 (37,3%) ist ihre Parteistärke um 16,9 Prozentpunkte zurückgegangen. Die CVP erzielte bei den Wahlen 2019 mit Verlusten von 2,1 Punkten ebenfalls das schlechteste Ergebnis (18%). Gegenüber den Nationalratswahlen 1987 (38,1%) hat sich die Parteistärke der CVP mehr als halbiert (–20,1 Punkte). Trotz diesen Verlusten sind die FDP und die CVP die stärksten Parteien in der italienischen Schweiz.

Auch die SP erzielte nach Verlusten von 1,8 Punkten mit 14,2% ihr schwächstes Ergebnis – abgesehen von den späten 1970er und 1980er Jahren, als die SP durch den linken PSA (mit einer Parteistärke von rund 10%) konkurrenziert wurde.

Eine massive Steigerung ihrer Parteistärke erfuhren die ­ Grünen (GPS) , welche bisher meistens schwache Ergebnisse erzielt hatten. Bei den Nationalratswahlen 2019 steigerten sie sich um 8,4 Punkte auf 11,8%.

Die grössten Verluste an Parteistärke in der italienischsprachigen Schweiz verzeichnete bei den jüngsten Nationalratswahlen 2019 die «Lega dei ticinesi» . Sie büsste 4,6 Prozentpunkte ein (auf 16,3%), das war etwas mehr Parteistärke als die Lega 2015 zugelegt hatte (+4 Punkte). Die relativ starke Stellung der Lega hatte es im Tessin bisher verhindert, dass die SVP im selben Ausmass zulegen konnte wie in der Deutschschweiz (und in der Romandie). 2019 steigerte die SVP ihre Parteistärke um 0,3 Punkte auf 12,5%.