2 Lernende mit besonderem ­Bildungsbedarf

Seit Ende der 1990er Jahre wurde die Organisation der Sonderpädagogik innerhalb der obligatorischen Schule neu ausgerichtet. Anstelle von separativen Lösungen wurde der Fokus vermehrt darauf gelegt, Lernende mit besonderem Bildungsbedarf in die Regelklassen zu integrieren, wo sie entsprechende sonderpädagogische Unterstützung erhalten. Diese Entwicklung wurde zudem in der Schweizer und in der internationalen Gesetzgebung festgehalten. Bundesverfassung (Art. 8 Abs. 2 und 19), Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG, Art. 20 Abs. 1 und 2), Interkantonale Vereinbarung über die Zusammenarbeit im Bereich der Sonderpädagogik (Art. 1 Bst. b und Art. 2 Bst. b), Übereinkommen der UNO über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (BRK)

Bisher wurden diese Entwicklungen in den vom BFS veröffentlichten Zahlen nicht berücksichtigt, da die bisherige Kategorie «besonderer Lehrplan» lediglich die separativen Schulungsformen, d. h. ausschliesslich die aggregierten Bestände der Sonderklassen (Einführungsklassen, Klassen für Fremdsprachige und andere Sonderklassen) sowie die Sonderschulklassen umfasste. Aus diesem Grund wurden in Regelklassen unterrichtete Lernende mit besonderem Bildungsbedarf statistisch nicht erfasst. Um diese Lücke zu schliessen, hat das BFS in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) das Erhebungskonzept überarbeitet. Seit dem Schuljahr 2017/18 ist es nun möglich, nicht nur die separativen Schulungsformen detailliert auszuweisen, sondern auch die Lernenden der obligatorischen Schule mit verstärkten sonderpädagogischen Massnahmen Zur Definition der verstärkten sonderpädagogischen Massnahmen siehe Kasten im Kapitel 2.2.1. und/oder angepasstem Lehrplan darzustellen, und zwar unabhängig von der Art der besuchten Klasse oder Schule. Die neue Erhebung zeigt zudem, dass eine separative ­Lösung nicht zwangsläufig mit verstärkten sonder­pädagogischen Massnahmen oder einer Anpassung des Lehrplans verknüpft ist. Beispielsweise nehmen in den Sonderschulen sämtliche Lernenden verstärkte Massnahmen in Anspruch, in den Sonderklassen der Regelschulen hingegen nur eine Minderheit. Darüber hinaus liefert die neue Erhebung in Bezug auf die separativen sonderpädagogischen Angebote genauere Daten zur Bildungsstufe der Lernenden innerhalb der obligatorischen Schule sowie zur Art der besuchten Sonderklasse. Auf Ebene der Regelschulen wird zwischen Einführungsklassen, Klassen für Fremdsprachige und anderen Sonderklassen unterschieden. Für nähere Informationen siehe Kapitel «Definitionen».

2017/18 besuchten rund 940 000 Lernende die obligatorische Schule, davon 1,5% eine Sonderklasse (Einführungsklasse, Klasse für Fremdsprachige oder andere Sonderklasse) und 1,8% eine Sonderschulklasse. Der Anteil der Lernenden der obligatorischen Schule mit verstärkten sonderpädagogischen Massnahmen belief sich auf 4,5% und jener der Schülerinnen und Schüler mit einer Lehrplananpassung auf 4,3%.

Im Folgenden wird die Sonderpädagogik nach zwei verschiedenen Ansätzen beleuchtet. Zunächst wird aufgezeigt, wie der Unterricht unter Berücksichtigung der verschiedenen Klassen­typen an den Regel- bzw. Sonderschulen aufgebaut ist. Anschliessend werden die Lernenden beschrieben, die Unterstützung in Form von verstärkten sonderpädagogischen Massnahmen und/oder einer Lehrplananpassung erhalten. Kapitel 2 wird durch eine Reihe von Tabellen ergänzt, die auf dem Statistik­portal publiziert sind (www.education-stat.admin.ch → Personen in Ausbildung → Obligatorische Schule).

2.1 Organisatorischer Aspekt

Beim ersten Ansatz liegt der Fokus auf dem Aufbau des Unterrichts. Er gibt Aufschluss über die Anzahl Lernende an Sonderschulen sowie an Regelschulen. Bei Letzteren wird zudem unterschieden zwischen den Lernenden, die eine Einführungsklasse, eine Klasse für Fremdsprachige oder eine andere Sonderklasse besuchen, und jenen, die in einer Regelklasse unterrichtet werden.

In Grafik G1 wird der Anteil der an einer Sonderschule unterrichteten Lernenden der obligatorischen Schule einerseits nach Wohnkanton und andererseits nach Schulstandort (Schulkanton) aufgeschlüsselt. Es gilt zu beachten, dass der Anteil der Lernenden in Sonderschulen lediglich einen Teil der Sonderpädagogik zeigt. Für ein vollständiges Bild müssen auch die verstärkten sonderpädagogischen Massnahmen sowie die Anpassungen des Lehrplans einbezogen werden (siehe Kapitel 2.2).

In der Schweiz besuchen durchschnittlich 1,8% der Lernenden, d. h. nahezu 17 000 Personen, eine Sonderschule. Dieser Anteil variiert jedoch stark nach Kanton. Nach Wohnkanton betrachtet schwankt er zwischen 0,8% (309 Personen) im Wallis und 2,7% (228 Personen) in Schaffhausen. Wird nach Schulkanton unterschieden, ist die Sonderschulquote im Kanton Appenzell Innerrhoden – dem einzigen Kanton ohne eigene Sonderschule – mit 0% am tiefsten, während Appenzell Ausserrhoden mit 2,9% (173 Personen) den grössten Anteil aufweist.

Die grafische Gegenüberstellung der Standorte der Sonderschulen und der Wohnkantone der Lernenden veranschaulicht sowohl das Angebot als auch den Bedarf der einzelnen Kantone an Sonderschulen. Dabei ist festzustellen, dass nicht alle Kantone über geeignete Strukturen verfügen, um Lernende mit besonderem Bildungsbedarf in ihrem Wohnkanton zu unterrichten. ­Manche Schülerinnen und Schüler müssen ausserkantonal platziert werden, beispielsweise jene aus dem Kanton Appenzell Innerrhoden, in dem es keine Sonderschule gibt. In anderen Kantonen, darunter Zug und Appenzell Ausserrhoden, ist hingegen der Anteil Sonderschullernende mit Wohnsitz im gleichen Kanton (ZG 1,7%, AR 1,9%) geringer als jener der Schülerinnen und Schüler, die dort eine Sonderschule besuchen (ZG 2,8%, AR 2,9%). Das Sonderschulangebot dieser Kantone übersteigt somit ihren Bedarf. In elf Kantonen ist das Verhältnis von Angebot und Bedarf jedoch relativ ausgewogen.

Im Folgenden werden die in Grafik G2 präsentierten Merkmale der einzelnen Unterrichtsarten erläutert. In Sonderschulklassen wird ein angepasster Unterricht für Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen verschiedener Art, grossen Lernschwierigkeiten oder starken Verhaltensauffälligkeiten geboten. Die Überweisung in eine Sonderschule untersteht einem kantonalen Bewilligungsverfahren. Regelschulen sind Bildungsinstitutionen der obligatorischen Schule, in der die Lernenden in Regelklassen, Einführungsklassen, Klassen für Fremdsprachige oder andere Sonderklassen eingestuft werden. In den Regelklassen finden sich hauptsächlich Lernende, die ohne besondere Unterstützung nach Regellehrplan unterrichtet werden. Sie können aber auch von Lernenden mit sonderpädagogischen Massnahmen Erfasst werden lediglich verstärkte sonderpädagogische Massnahmen. ­Einfache (niederschwellige) Massnahmen werden nicht berücksichtigt. und/oder angepasstem Lehrplan besucht werden. Die anderen Sonderklassen sind hingegen auf Schülerinnen und Schüler mit besonderem Förderbedarf, meist aufgrund von leichten Lern- oder Verhaltensschwierigkeiten, ausgerichtet. Die Kantone verwenden dafür unterschiedliche Bezeichnungen, u.a. den Begriff «Kleinklasse». Die anderen Sonderklassen sind eine Unterrichtsart zwischen der Regel- und der Sonderschule. Einführungsklassen gibt es beim Übergang von der Primarstufe 1–2 Kindergarten, Eingangsstufe 1. und 2. Jahr zur Primarstufe 3–8. Sie dienen der Einschulung von Lernenden mit unzureichenden Voraussetzungen für den Regellehrplan. In der Einführungsklasse wird der Stoff der 3. Primarschulklasse in zwei Jahren vermittelt. Am Ende der Einführungsklasse erfolgt der Übertritt in die 4. Regelklasse der Primarstufe. Das Vorbereitungsjahr gehört in die gleiche Kategorie wie die Einführungsklassen. Schliesslich gibt es Klassen für Fremdsprachige, in denen den Lernenden ausreichende Sprachkenntnisse vermittelt werden, damit sie dem Unterricht in einer Regelklasse folgen können.

Regelklassen sind die mit Abstand am häufigsten besuchte Unterrichtsart der obligatorischen Schule. Auf sie entfallen 96,7% der Schülerinnen und Schüler. Dahinter folgen die Sonderschulklassen (1,8%), die anderen Sonderklassen (0,8%) sowie die Einführungsklassen und die Klassen für Fremdsprachige (je 0,3%).

Grafik G3 gibt einen Überblick über die Verteilung der Geschlechter sowie der schweizerischen und ausländischen Lernenden nach Unterrichtsart.


Über alle Stufen der obligatorischen Schule hinweg betrachtet machen die Mädchen knapp die Hälfte und die Kinder und Jugendlichen ausländischer Staatsangehörigkeit rund einen Viertel aus. Dieselbe Verteilung lässt sich bei den Regelklassen beobachten, was unmittelbar damit zusammenhängt, dass Letztere den Grossteil der Lernendenbestände ausmachen.

Beim Geschlechtervergleich in den Regelschulen ist festzustellen, dass Knaben sowohl in den Einführungsklassen (61%) als auch in den Klassen für Fremdsprachige (55%) und den anderen Sonderklassen (63%) stärker vertreten sind als Mädchen. Noch höher ist ihr Anteil in den Sonderschulen (69%), in denen nahezu 11 700 Knaben unterrichtet werden.

Die Kinder und Jugendlichen ausländischer Staatsangehörigkeit machen 27% der in Regelklassen unterrichteten Lernenden aus. Demgegenüber beträgt ihr Anteil in den Einführungsklassen 48% und in den anderen Sonderklassen 54%. In den Klassen für Fremdsprachige sind sie mit 93% deutlich in der Mehrheit, während der Anteil Schweizerinnen und Schweizer bei 7% liegt, was rund 190 Lernenden entspricht. In den Sonderschulen machen die Kinder und Jugendlichen ausländischer Staatsangehörigkeit mehr als ein Drittel (36%) aus.

2.2 Art der sonderpädagogischen Förderung: verstärkte sonderpädagogische Massnahmen und Lehrplananpassung

Der zweite Ansatz beschreibt, inwiefern Lernende der obligatorischen Schule sonderpädagogische Förderung erhalten, sei es in Form verstärkter sonderpädagogischer Massnahmen oder eines angepassten Lehrplans.

2.2.1 Verstärkte sonderpädagogische Massnahmen

Die Kantone tragen seit dem Inkrafttreten der NFA Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen im Jahr 2008 vollumfänglich die Verantwortung für die Schulung von Lernenden mit besonderem Bildungsbedarf. Die Interkantonale Vereinbarung über die Zusammenarbeit im Bereich der Sonderpädagogik der EDK vom 25. Oktober 2007 (Sonderpädagogik-Konkordat), die die Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen gemäss der NFA auf nationaler Ebene begleitet, liefert in Artikel 5 eine Definition der verstärkten Massnahmen. Diese wurde jedoch für die Statistik nicht 1:1 übernommen, da der Wortlaut einen gewissen Interpretationsspielraum zulässt Verstärkte Massnahmen zeichnen sich gemäss Artikel 5 des Konkordats durch einzelne oder alle der folgenden Merkmale aus: lange Dauer, hohe Intensität, hoher Spezialisierungsgrad der Fachpersonen sowie einschneidende Konsequenzen für den Alltag, das soziale Umfeld oder den Lebenslauf der Schülerin bzw. des Schülers. und die Vereinbarung nicht von allen Kantonen ratifiziert wurde. Das BFS musste daher in Zusammenarbeit mit der EDK eine Definition der verstärkten Massnahmen erarbeiten, die den kantonalen Unterschieden im Bereich der Sonderpädagogik Rechnung trägt und zugleich die Vergleichbarkeit gewährleist (siehe Kasten).

Verstärkte sonderpädagogische Massnahmen: Definition

Verstärkte sonderpädagogische Massnahmen beziehen sich individuell auf eine bestimmte Schülerin oder einen bestimmten Schüler und beinhalten beispielsweise eine intensive sonderpädagogische Unterstützung. Sie werden in allen Kantonen von der zuständigen Behörde verordnet, und zwar auf Basis eines vorgegebenen Abklärungsverfahrens, das die individuellen Bedürfnisse der jeweiligen Schülerin oder des jeweiligen Schülers bestimmt. In Kantonen, die Mitglied des Sonderpädagogik-Konkordats sind, wird das standardisierte Abklärungsverfahren (SAV) angewandt, in den übrigen Kantonen das SAV oder ein äquivalentes Verfahren. Der Entscheid über die Anordnung von verstärkten sonderpädagogischen Massnahmen ist stets anfechtbar.

Verstärkte Massnahmen können von allen Lernenden der obligatorischen Schule in Anspruch genommen werden. Für jedes Kind wird festgelegt, welche Unterrichtsart seinen Bedürfnissen am besten entspricht, und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine Regelschule (Regel- oder Sonderklasse) oder eine Sonderschule handelt. Lernende einer Sonderschule erhalten immer verstärkte Massnahmen.

Neben den verstärkten sonderpädagogischen Massnahmen bieten die Kantone Lernenden mit besonderem Bildungsbedarf eine etwas weniger intensive Unterstützung in Form von niederschwelligen oder einfachen Massnahmen an. Der Entscheid zur Anspruchsberechtigung und Umsetzung solcher Massnahmen obliegt jeweils der Schule bzw. der zuständigen Einheit, in der Regel der Gemeinde. Diese Massnahmen sind nicht zwingend für einzelne Schülerinnen oder Schüler bestimmt, sondern können auch für eine Gruppe oder eine ganze Klasse gesprochen werden und auch von kurzer Dauer sein. Wie bereits einleitend erwähnt, basiert die Statistik der Sonderpädagogik auf einer Einzelerhebung der Lernenden mit sonderpädagogischer Förderung. Daher wurden die einfachen Massnahmen, die sich oft nicht einer bestimmten Person zuordnen lassen, nicht erfasst. Die Art der angeordneten verstärkten Massnahme wird gemäss dem bestehenden Konzept der Statistik der Sonderpädagogik nicht erhoben und kann daher nicht untersucht werden.

Im Schuljahr 2017/18 nahmen 4,5% der Lernenden der obligatorischen Schule verstärkte sonderpädagogische Massnahmen in Anspruch, was knapp 42 100 Schülerinnen und Schülern entspricht. Der Kanton Freiburg konnte keine Daten zu den verstärkten Massnahmen für die Regelschulen der Sekundarstufe I bereitstellen. Daher können zu nahezu 11 100 Personen (1,2% der Gesamtbestände) keine Angaben darüber gemacht werden, ob verstärkte Massnahmen verordnet wurden oder nicht. Wie Grafik G4 zeigt, variiert dieser Anteil jedoch stark nach Unterrichtsart.

2,5% der in Regelklassen unterrichteten Lernenden (22 266 Personen) sowie 3,2% der Lernenden, die eine Klasse für Fremdsprachige besuchen (96 Personen), beanspruchen verstärkte Massnahmen. In den Einführungsklassen beläuft sich dieser Anteil auf 17,5% (573 Personen), in den anderen Sonderklassen auf 25,5% (1862 Personen). Sonderschulklassen werden definitionsgemäss ausschliesslich von Lernenden mit verstärkten Massnahmen besucht (siehe Kasten).

Grafik G5 gibt einen Überblick über die Verteilung der Lernenden der obligatorischen Schule mit verstärkten Massnahmen nach Bildungsstufe, Geschlecht und Staatsangehörigkeit.

Der Anteil der Lernenden mit verstärkten Massnahmen variiert nach Bildungsstufe. Am niedrigsten ist er auf Primarstufe 1–2, wo 2,7% der Kinder entsprechende Unterstützung erhalten (4676 Personen). Dieser im Vergleich zu den übrigen Stufen der obligatorischen Schule relativ niedrige Anteil lässt sich dadurch erklären, dass die Unterrichtsarten, bei denen am häufigsten verstärkte Massnahmen verordnet werden, auf Primarstufe 1–2 nur schwach vertreten sind. Letztere weist praktisch keine anderen Sonderklassen oder Klassen für Fremdsprachige auf. Auf Primarstufe 1–2 werden zudem seltener Überweisungen in eine Sonderschulklasse vorgenommen als auf Primarstufe 3–8 oder Sekundarstufe I. Ferner ist davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt der Einschulung oft noch kein Förderbedarf erkannt wurde. Auf Primarstufe 3–8 ist der Anteil der Lernenden mit verstärkten Massnahmen mit 5,1% (26 210 Personen) am grössten, während er bei den Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe I bei 4,5% (11 215 Personen) liegt. Der Anteil der Lernenden mit besonderem Förderbedarf ist in der Regel bei allen Klassentypen der Regelschulen auf Primarstufe 3–8 höher als auf Sekundarstufe I. Lediglich in den Klassen für Fremdsprachige ist es umgekehrt.

Bei der Verteilung der verstärkten Massnahmen nach Geschlecht ist festzustellen, dass Knaben (5,7% bzw. 27 584 Personen) häufiger Unterstützung erhalten als Mädchen (3,2% bzw. 14 517 Personen). Dies gilt für sämtliche Klassentypen der Regelschulen.

Verstärkte Massnahmen werden anteilmässig häufiger von ausländischen Schülerinnen und Schülern (5,8% bzw. 14 885 Personen) beansprucht als von schweizerischen Lernenden (4% bzw. 27 164 Personen). Kinder und Jugendliche ausländischer Staatsangehörigkeit werden sowohl in den Regelklassen als auch in den Klassen für Fremdsprachige anteilmässig häufiger zusätzlich gefördert. Umgekehrt erhalten in den Einführungsklassen und in den anderen Sonderklassen anteilmässig mehr junge Schweizerinnen und Schweizer besondere Unterstützung.

2.2.2 Lehrplananpassung

Im Rahmen einer Lehrplananpassung werden die individuellen Lernziele in einem oder mehreren Fächern reduziert, um auf die besonderen Bedürfnisse von Lernenden einzugehen, die nicht in der Lage sind, die Minimalziele des Regellehrplans zu erreichen. Massgeblich sind die Fächer Schulsprache, Fremdsprache, Mathematik und Naturwissenschaften. Falls diese nicht anwendbar ist, gelten stattdessen die kantonalen Promotionsfächer bzw. ‑kriterien.

Basierend auf dieser Definition wird zwischen drei Kategorien unterschieden. Zur ersten Kategorie gehören Lernende, die nach Regellehrplan unterrichtet werden und somit keinen angepassten Lehrplan benötigen. Unter die zweite Kategorie fallen Lernende, die die Mindestanforderungen des Regellehrplans nicht erreichen und in einem oder zwei Fächern nach individuellen Zielsetzungen unterrichtet werden («teilweise individuelle Lernziele»). Die dritte Kategorie umfasst Lernende, die die Mindestanforderungen des Regellehrplans nicht erreichen und in mindestens drei Fächern nach individuellen Zielsetzungen unterrichtet werden («mehrheitlich individuelle Lernziele»).

Im Schuljahr 2017/18 wurden über alle Unterrichtsarten verteilt 4,3% der Lernenden der obligatorischen Schule nach angepasstem Lehrplan unterrichtet, was knapp 38 900 Schülerinnen und Schülern entspricht. Zu den Lernenden der Regelklassen des Kantons Neuenburg sowie zu den Schülerinnen und Schülern der Regelschulen der Sekundarstufe I des Kantons Freiburg liegen bezüglich der Anpassungen des Lehrplans keine Daten vor. Die fehlenden Angaben betreffen nahezu 30 000 Personen, d. h. 3,3% der Gesamtbestände.

Wie in Grafik G6 zu sehen ist, fällt der Anteil der Lernenden mit individuellen Lernzielen in den Regelklassen mit insgesamt 2% am niedrigsten aus. Dabei handelt es sich grösstenteils um teilweise angepasste Zielsetzungen. In den Sonderschulklassen beläuft sich dieser Anteil auf insgesamt 82,6%, wobei 72% der Lernenden nach mehrheitlich individuellen Lernzielen und 10,6% nach teilweise individuellen Lernzielen unterrichtet werden. Die restlichen 17,4% nach dieser Unterrichtsart geschulten Lernenden (3011 Personen) haben keinen angepassten Lehrplan. Dabei handelt es sich beispielsweise um Lernende mit einer rein körperlichen Behinderung. Bei den übrigen Klassentypen variieren die Ergebnisse stark. Von den Lernenden, die eine Einführungsklasse besuchen, beanspruchen 5,2% einen angepassten Lehrplan, während dieser Anteil in den anderen Sonderklassen bei rund 60% und in den Klassen für Fremdsprachige bei 66,5% liegt. Letztere weisen zudem den höchsten Anteil an Lernenden mit teilweise individuellen Lernzielen (36,4%) auf.

Grafik G7 zeigt den Anteil der Lernenden der obligatorischen Schule mit angepasstem Lehrplan nach Bildungsstufe, Geschlecht und Staatsangehörigkeit. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass der Anteil der Lernenden mit mehrheitlich individuellen Zielen, d. h. individuellen Zielsetzungen in mindestens drei Fächern, höher ist als jener der Lernenden mit teilweise individuellen Zielen.


Beim Vergleich der verschiedenen Bildungsstufen ist zu beobachten, dass der Anteil der Lernenden mit angepasstem Lehrplan auf Sekundarstufe I mit insgesamt 6,2% (14 953 Personen) am höchsten ist. Er ist bei sämtlichen Unterrichtsarten auf Sekundarstufe I höher als auf Primarstufe. Besonders ausgeprägt ist der Unterschied bei den Sonderschulklassen. Die deutlich niedrigeren Anteile auf Primarstufe 1–2 sind insbesondere auf die weniger anspruchsvollen Lernziele Im Gegensatz zu Primarstufe 3–8 und Sekundarstufe I gibt es auf Primarstufe 1–2 oft keine Fächer als solche. Ähnlich verhält es sich mit den auf kantonaler Ebene festgelegten Promotionskriterien. zurückzuführen. Ausserdem ist angesichts der kurzen Schulzeit der Bedarf eines angepassten Lehrplans oft noch nicht ersichtlich.

Der Lehrplan wird häufiger bei Knaben angepasst (5,1% bzw. 24 032 Personen) als bei Mädchen (3,4% bzw. 14 916 Personen). Vor allem in den Einführungsklassen und den Klassen für Fremdsprachige werden häufiger bei Knaben Lehrplananpassungen vorgenommen, während in den Regelklassen weniger und in den anderen Sonderklassen praktisch keine geschlechtsspezifischen Unterschiede zu beobachten sind. Umgekehrt ist die Situation in den Sonderschulklassen, wo mehr Mädchen individuelle Lernziele haben als Knaben. Besonders gross ist der Unterschied bei den Lernenden, die in mindestens drei Fächern nicht nach Regellehrplan unterrichtet werden.

Kinder und Jugendliche ausländischer Staatsangehörigkeit (7,2% bzw. 17 923 Personen) beanspruchen im Vergleich zu Schweizer Lernenden (3,2% bzw. 20 976 Personen) mehr als doppelt so häufig eine Anpassung des Lehrplans. Auch bezüglich der Unterrichtsart bestehen Unterschiede. Während Schülerinnen und Schüler ausländischer Staatsangehörigkeit in anderen Sonderklassen der Regelschulen seltener eine Lehrplananpassung beanspruchen als Schweizerinnen und Schweizer, ist das Verhältnis bei den anderen Klassentypen umgekehrt. Bei den Sonderschulklassen sind die Unterschiede relativ klein, bei den Klassen für Fremdsprachige sind sie am grössten.

2.2.3 Lernende mit zwei Arten von Unterstützung

Wird eine verstärkte sonderpädagogische Massnahme verordnet, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass die jeweilige Person nicht nach Regellehrplan unterrichtet wird. Umgekehrt ist eine Anpassung des Lehrplans nicht unbedingt mit verstärkten Massnahmen verknüpft.

So nehmen 4,5% der Lernenden der obligatorischen Schule (knapp 42 100 Personen) verstärkte Massnahmen in Anspruch, 4,3% (nahezu 38 900 Personen) werden nach angepasstem Lehrplan unterrichtet und weitere 2,3%, d. h. rund 20 900 Schülerinnen und Schüler, erhalten zwei Arten von Unterstützung.

Knaben werden praktisch doppelt so häufig auf zwei Arten unterstützt wie Mädchen (3% gegenüber 1,6%). Die Betrachtung nach Nationalität zeigt, dass Kinder und Jugendliche ausländischer Staatsangehörigkeit häufiger zweifach unterstützt werden als Schweizer Lernende (3,2% gegenüber 2%). Beim Vergleich der verschiedenen Bildungsstufen ist zu beobachten, dass 1,1% der Lernenden auf Primarstufe 1–2 sowohl verstärkte Massnahmen als auch eine Lehrplananpassung beanspruchen, während dieser Anteil auf Primarstufe 3–8 bei 2,4% und auf Sekundarstufe I bei 2,9% liegt.